3. Vortrag: Über die Gefahr der Schwatzhaftigkeit und des bösen Geistes
Freitag Vormittag, 2. September 1887
Meine Kinder, wir erinnern uns an unsere beiden Vorträge von Gestern. Vergessen wir nicht, dass wir Nonnen sind; und wie ich euch gestern abends sagte, ist man nur so sehr Nonne, wie man unseren Herrn liebt. Das Maß der Treue zur Berufung ist immer das Maß der Liebe zu unserem Herrn. Als ich diese Worte sagte, fühlte ich, dass mich viele Seelen verstanden. Würde es einige geben, die mich nicht verstanden haben, so wäre es, weil sie nicht auf die Stimme des Heilands hören. Der göttliche Meister hat gesagt: „Ich bin der gute Hirt, meine Schafe hören auf meine Stimme“ (Joh 10,11.27). Diejenigen, die auf ihn hören, und die ihm folgen, gehören ihm wahrhaftig. Dankt, preist den lieben Gott, freut euch über die unaussprechliche Gnade, die er euch zuteil werden ließ, in dem er euch in die Ordensgemeinschaft berief, weil diese Gnade alle anderen übertrifft.
Heute Vormittag werde ich euch etwas sehr Ernstes und sehr Notwendiges vortragen. Was macht man, wenn ein Mädchen, das in eines unserer Werke gekommen war, den anderen durch ihre Gespräche schadet? Man setzt sie vor die Tür. Kein Haus, das auf sich achtet, kann ein solches Mädchen behalten. Und wenn in einer Ordensgemeinschaft eine Schwester gegen ihre Oberin, gegen ihre Mitschwestern, gegen ihre Berufung, gegen den Geist des Hauses sprechen würde, wäre sie tatsächlich schuldiger als das Mädchen, das gefährliche Reden führt. – Mein Vater, sie übertreiben! O, wenn ich übertreibe, meine Kinder, werdet ihr es am Gottesurteil sehen.
Meine Kinder, eine Nonne, die gegen ihre Oberin, gegen die Kongregation sprechen würde, würde die Natürlichkeit der Gemeinschaft zerstören. Es gäbe dann nicht mehr diesen Einklang, der in Nazaret zwischen unserem Herrn, der heiligen Jungfrau Maria und dem heiligen Josef herrschte, diese Einheit der Apostel und der Jünger, die im Abendmahlsaal zusammengelaufen waren, um den Heiligen Geist zu empfangen. Diese Nonne würde machen, was in der Kirche die Häretiker und die Abtrünnigen machen. Was machen sie? Sie machen nichts anderes. Sie sagen, dass sich der Papst irrt, dass er schlecht informiert ist – die Jansenisten beriefen den besser informierten Papst – sie stellen sich neben den Gehorsam und wollen auf keine andere Autorität hören.
Die Lage der Schwester, die so handelte, würde in einem gewissen Sinn in der Kirche Gottes mit der der Häretiker und Abtrünnigen vergleichbar. Was würde sie jetzt in der Gemeinschaft machen? Sie würde den Einklang, die Nächstenliebe, das kindliche, liebevolle Vertrauen zerstören, und wenn sie sie bei uns zerstörte, würde sie alles zerstören, da der heilige Franz von Sales eine Kongregation einrichten wollte, die kein anderes Band als das der Liebe hätte. Wenn nun die Liebe zerbrochen ist, ist alles zu Ende.
P. Rollin kam manchmal zu mir und sagte: „Mein Vater, ein gewisser hat gegen die Liebe gefehlt, man soll ihn nicht behalten.“ „Warum das?“ „Weil er nie ein guter Ordensmann werden wird.“ Und er hat Recht. Daher haben wir gute Ordensleute. Ich finde das jedoch ein wenig streng, kann man da sagen. Man kann den Kopf hoch tragen, sich beklagen, sogar sehr starke Dinge sagen, Aussehen erregen, einen kleinen Skandal hervorrufen. Das rührt mich nicht sehr. Aber wenn das andauerte, wenn es Halsstarrigkeiten, vorgefasste Meinungen gäbe, würde ich streng werden und wie P. Rollin sprechen. Man muss weggehen, weil man Hass und Zwietracht sät. Die Gemeinschaft würde eine erschreckende Ansammlung von Wesen werden, die einander nicht mehr verstehen würden. Wäre unser Herr dann noch dort? Wer würde dort dann herrschen? …
Ich wiederhole es euch, meine Kinder: Die Schwester, die das machen würde, wäre schuldiger als ein böses Mädchen. Denn gute Ratschläge, eine gute Beichte, Exerzitien können dieses Mädchen wiederherstellen, aber wir könnte man dem Übel abhelfen, wenn man einer Seele des Vertrauens die Liebe genommen hätte? Wozu würden Exerzitien dienen? Man hat Wasser in das Feuer der göttlichen Liebe gegossen. Man hat das Licht ausgelöscht. Der Teufel zieht also ein, wenn es dann kein Licht mehr gibt. Er macht dann, was er will. Das ist das Übel aller Übel, das größte Übel von allen. Seht, daher empfahlen die Gute Mutter [Marie de Sales Chappuis] und alle großen Gründer im Augenblick ihres Sterbens die Liebe und das Vertrauen zu den Oberen, die einfache und völlige Hingabe.
Ich weise auf diese Gefahren hin. Ich spreche nicht vom Gehorsam, ich werde später darauf zurückkommen. Wäre eine Schwester, die in einen solchen Fehler verfiele, glücklich? Hätte sie nicht im Grund ein kleines Zeichen, das sie erkennen ließe? Nie wäre sie gut mit der Oberin, den Mitschwestern im Amt, ihren Mitschwestern überhaupt. Es wäre ein zerbrochenes Sein wie das von einer Person, die, nachdem sie eine andere sehr geliebt hatte, kein Vertrauen mehr zu ihr hätte und dennoch gezwungen wäre, noch in ihrer Gesellschaft zu leben. Was hätte das verursacht? Eine böse Zunge, der Stolz von dieser oder jener. Liegt es an der Oberin, auf einen solchen Fall zurückzukommen, Schritte zu unternehmen, vorzusprechen? Nein, und warum? Weil es zu nichts dienen würde. Das Übel, das eine Schwester verursachen würde, die so handelte, wäre sehr groß. Es gäbe da keine Hingabe, kein Vertrauen, keine Gottesliebe mehr. Das wäre das schlimmste aller Übel in einer Gemeinschaft.
Meine Kinder, man muss dennoch eine Erklärung geben. Eine Schwester käme zu euch, um sich zu beklagen. Wenn es während der Stille wäre, müsstet ihr sie schweigen heißen. Wenn ihr es jedoch als unbedingt notwendig erachtet, sie anzuhören, helft ihr, ihr Herz wieder zurecht zu rücken, gebt ihr einen guten Rat, statt euch erschüttern, schwächen zu lassen und informiert darüber eure Oberinnen. Das ist eure Pflicht.
Es gibt Gifte, gegen die es kein Gegenmittel gibt. Zum Beispiel haben die giftigen Pilze einen sehr guten Geschmack, aber die Leute, die davon gegessen haben, sterben, oder zumindest ist ihre Gesundheit für lange Zeit beeinträchtigt. Wenn man euch also Pilze anbietet, hütet euch, der Tod ist da. Mein Vergleich ist richtig, merkt ihn euch, und hindert die Person, die euch welche brachte, daran zu essen. Es ist klar, was ich euch sage, ist vor allem ernst.
Unsere Patres machten mir gegenüber die Bemerkung, dass es seit fünf oder sechs Monaten, das heißt, seit wir begonnen haben, die Biografie der Guten Mutter [Marie de Sales Chappuis] zu verbreiten, der Teufel keine Mühe auslässt, um das Gute zu verhindern. Bleibt also auf der Hut, meine Kinder, habt große Angst, giftige Pilze zu essen.
Ich bin euer Vater. Warum würdet ihr nicht wie ich handeln? Ich war im Priesterseminar, ich blieb lange im Heimsuchungskloster. Ergriff ich je Partei gegen diesen oder jenen Meister, gegen diese oder jene Oberin? Hatte ich nicht immer Gefühle von Verständnis und Gerechtigkeit? Ich habe nie etwas gegen die Autorität gemacht. Vielmehr ergreife ich immer ihre Partei. Wer ist mein Oberer? Der Papst. Wenn ich mich mit euch beschäftige, mache ich, was er mir gesagt hat, ich gehorche. Prüfe ich seine Absichten? Gestatte ich mir, ihn zu beurteilen? O, nein, nie. Meine Kinder, macht es ebenso. Ich bin euer Gründer, ich habe ein Recht auf euren Gehorsam, und ihr habt das Gelübde abgelegt, ihr müsst euch ungeschaut unterwerfen. So muss man den Gehorsam verstehen. Sonst wäre es eine unerkennbare Mischung. Wenn ihr das versteht, wenn ihr die Fähigkeit, die Urteilskraft habt, es zu verstehen, und in der Erfüllung getreu seid, werdet ihr die Gnade Gottes bei euch haben, wird euch große Hilfe und viel Licht zuteil werden.
Macht es wie ich. Ich hatte sehr viele Schwierigkeiten wegen der römischen Liturgie, die ich in der Diözese einführen wollte. Sie kommen heute wieder wegen der Guten Mutter Marie de Sales Chappuis. Bezüglich der Liturgie waren einige dafür, andere dagegen. Die einen waren für Bischof Pierre-Louis Coeur (1805-1860), andere nicht. In einer Versammlung von Geistlichen sagte man mir: „Zu welcher Partei gehören sie?“ „Ich gehöre zu keiner Partei!“ „Wie das?“ „Ich gehöre zur Partei des Papstes, zu der des lieben Gottes. Da ich glaube, dass es eure Absicht ist, dem lieben Gott zu dienen, gehöre ich zu eurer Partei.“
Meine Kinder, ihr habt Versuchungen, Schwierigkeiten, ich verstehe die Lage, in der ihr euch befindet, aber ihr müsst mir ein wenig gleichen, da ich euer Vater bin. Ich möchte, dass ihr Kraft und Mut habt, dass ihr geradeaus geht, ohne auf etwas anderes zu schauen als auf den Polarstern, der euch den Weg zum Himmel zeigen soll. Dieser Stern ist klein, es gibt größere und schönere, und dennoch führt dieser kleine Stern die Reisenden. Versteht das. Wollt ihr, meine Kinder, eine gute Reise machen, zur Vollkommenheit eures Standes gelangen? Wie der heilige Bernhard von Clairvaux werde ich euch sagen: „Betrachtet den Himmel, seht den Stern, der euch führen soll.“ Es wäre eine schöne Arbeit, wenn die Gestirne, anstatt sich auf ihrer vorgezeichneten Bahn zu bewegen, nach rechts und nach links gingen. Ein Gelehrter sagte, die Schöpfung bilde etwas wie eine riesige Krone, in deren Mitte die Bleibe Gottes ist, und dass alle Gestirne aus Achtung und Gehorsam um seinen Thron verneigt sind. Was wir tatsächlich von den Gesetzen der Astronomie wissen, zeigt uns die Sonne und alle Gestirne, die denselben Mittelpunkt umkreisen. Es ist ein großes Heer von Gehorsam da oben.
In der Kirche müssen sich alle zu unserem Heiligen Vater, dem Papst, drehen. In einer Gemeinschaft zum Gründer, zur Oberin drehen. Alles, was davon abweicht, kommt vom Weg ab. Würde die Erde, anstatt um die Sonne zu kreisen, davon abgehen, um ein anderes Gestirn, zum Beispiel den Sirius zu suchen, wäre sie erstarrt. Alles, was auf ihrer Oberfläche ist, wäre erfroren. Und da sie nicht mehr durch die Anziehungskraft der Sonne gehalten würde, würde sie im Weltraum umhergetrieben werden.
Es wäre eine große Wunde, gegen seine Oberinnen zu reden, sich auf Gedanken einzulassen, die gegen sie wären, und dies infolge einer Verletzung der Eigenliebe. Man hat Ansprüche, etwas zu sein, und man findet, dass wir nicht genügend geschätzt werden. Und man teilt seine Eindrücke dieser oder jener Person mit. Fasst den Vorsatz, nie so zu handeln. Ich habe ein großes Recht, das von euch zu verlangen, denn ich habe es nie für irgendjemand getan. Es ist eine Gnade, die mir Gott gewährte, und dennoch war ich kein Ordensmann, ich war frei und ich unterstützte immer nur die Oberinnen. So gebe ich in einem Haushalt dem Gatten die Autorität, in der Familie dem Vater und der Mutter; sonst herrscht Unordnung, die Hölle. Was ist die Hölle? Es ist ein Ort, wo es keine Ordnung gibt. Es ist da das Oberhaupt der Bosheit, dem es gefällt, seine Opfer zu quälen. Es ist der Hass, die Wut, nichts ist an seinem Platz, alle fühlen sich nicht wohl. Es ist ein Ort, wo der ewige, größte, grund- und grenzenlose Schrecken herrscht, es ist der Schrecken aller Schrecken.
Versteht also gut, meine Kinder. Wenn man einer Mitschwester sagt: „unser Vater hat dies über dich gesagt, unsere Mutter Oberin hat das gesagt, jene Mitschwester hat das gemacht“, was wird dann geschehen? Die Achtung und Zuneigung, die diese Schwester für unseren Vater, für unsere Mutter, jene Schwester hatte, würde schwinden oder erschüttert sein. Ist die, die das gesagt hat, sehr eifrig? Ist sie eine Heilige? Man darf sich da nicht irren. Wenn man so handelt, ist man böse. Man sagt ein kleines Übel, man ist ein wenig böse; man sagt ein großes Übel, man ist sehr böse.
Man darf das Übel nur aus Pflicht kundtun, und diejenige, die gewohnheitsmäßig über andere Schlechtes, Unrichtiges, Böses sagen würde, wäre sehr schuldig. Diejenige, die diese Geschichte erzählt, woher holt sie sie? Sie sagt, sie habe sie gehört. Ja, sie hat recht, sie hat sie gehört, aber wo? In ihrem Herzen. Sie sagt Ärgerliches, es ist Ärgerliches in ihr. Sie sagt Böses, es ist ein böser Grund in ihr. Wer teilt ihr das mit? Ihr Herz, ihr Grund. Lasst mich einen Vergleich aus der Heiligen Schrift machen. Wenn man an einem mit Duftstoff gefüllten Gefäß vorbeigeht, atmet man eine duftende Luft ein, und wenn man an einem Missstand vorbeikommt, atmet man eine verunreinigte Luft ein. Das sagt die Weisheit, der Heilige Geist. Trägt euer Gespräch zu Gott? Hat eure Seele himmlische Düfte? Hat sie die Lieblichkeit der Liebe, der Übereinstimmung, der Einheit? Ihr seid ein Gefäß der Erwählung, ihr seid mit dem vergleichbar, was man das geistliche Gefäß nennt. Seid ihr anders? Dann seid ihr mit einem weiß übertünchten Grab vergleichbar, wo es innen nur Moder und Fäulnis gibt. Man irrt sich da nicht, denkt darüber nach, und man möge das nie in euch finden. Seid der gute Duft Jesu Christi. Mögen die, die sich euch nähern, besser, getröstet und erbaut von euch weggehen.
Meine Kinder, es scheint mir als hörte ich von jeder von euch ein Wort des Herzens, das mir sagt: „Mein Vater, wir werden darauf achten, wir versprechen ihnen, dass wir auf ihre Gedanken eingehen werden. Wir werden es dem lieben Gott versprechen, um Ihnen zu helfen, Sie zu trösten, denn um jeden Preis wollen wir unserer Berufung, dem lieben Gott treu sein.“ Das ist die Antwort, die ich aus eurem Herzen kommen höre. Sie tröstet mich in der Tat. Ich zähle darauf und ich vertraue ihr. Amen.