11. Vortrag: Über die Heilige Kommunion
Samstag Abend, 3. September 1881
Meine Kinder, wir kommen zum Ende unserer Exerzitien. Nun will ich euch heute Abend das Mittel geben, die Gnaden der Exerzitien zu finden und sie alle Tage wieder zu finden. Es steht in der heiligen Schrift: „Er hat ein Gedächtnis an seine Wunder gestiftet, der Herr ist gnädig und barmherzig. Er gibt denen Speise, die ihn fürchten“ (Ps 111,4-5). Die Heilige Kommunion ist dieses „Gedächtnis“ seiner Wunder, die der liebe Gott für unsere Seelen stiftete. In der Heiligen Kommunion werdet ihr alles wiederfinden, was ich euch gesagt habe, alles, was der liebe Gott für euch getan hat.
Im allgemeinen wissen wir nicht gut, was die Heilige Kommunion ist. Ohne Zweifel wissen wir, dass wir den lieben Gott empfangen. Wir bereiten uns ein wenig vor, wir sind wohl ein wenig gesammelt, wir machen eine kurze Danksagung. Aber während des Tages denken wir nicht genügend daran, ist es nichts mehr für uns. Wir nützen die Heilige Kommunion nicht, wie wir sie nützen könnten. Wir machen etwas Unvollständiges. Die Heilige Kommunion ist für uns nicht, was sie sein sollte.
Was ist also die Heilige Kommunion, wie sie die Heilige Schrift versteht, wie sie unser Seliger Vater [Franz von Sales] versteht? Die Heilige Kommunion ist tatsächlich die Krönung aller Wunder, die der liebe Gott für uns wirkte und die er noch wirken wird. Wir sind traurig, weil wir fühlen, dass wir nicht treu waren, weil wir die Ordensregeln nicht beobachteten. Wir empfangen die Heilige Kommunion, und dann? … Wir haben sie empfangen, und das ist alles! Ihr seid vielleicht traurig, unser Herr war sehr traurig bis zum Tod. Aber ihr kommuniziert heute, ihr werdet morgen kommunizieren, und ihr habt noch nicht verstanden, dass für euch unser Herr am Ölberg traurig war. Er war traurig, weil seine Jünger nicht verstanden, was er ihnen sagte; traurig, weil ihn seine Verfolger verfolgten. Ihr habt seine Traurigkeit nicht verstanden, als er in eurem Herzen war. Ihr habt sein Leiden nicht mitgetragen, ihr habt es nicht mit ihm geteilt. Hätte er nicht eure Seele erleichtert, da er ja selbst sagte: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen“ (Mt 11,28). Ihr bedient euch nicht genug der Heiligen Kommunion. Für euch ist es nicht der Heiland, der in alle Anlagen eurer Seele, in alles Elend eures Herzens eingeht.
Versteht ihr jetzt, dass ihr nicht gut genug kommuniziert? Man würde sagen, dass in der Heiligen Kommunion der liebe Gott nicht in eure Seele herniedersteigt, da ihr – ich wiederhole es – kaum Früchte daraus zieht. Sie ist für euch nur ein Stein des Zeugnisses, wie der, den Jakob als Erinnerung aufstellte (Gen 31,43), und nicht mehr. Ihr kommuniziert heute, ihr werdet ebenso morgen und übermorgen kommunizieren, wie vor einer Woche, wie vor vierzehn Tagen, aber ihr scheint nicht zu wissen, was die Gegenwart Gottes ist. Ich muss euch über dieses Thema aufklären, weil ihr nicht genügend versteht, dass ihr bei unserem Herrn seid, und dass er mit euch vereint ist, um euch zuzuhören, euch zu ermutigen, euch zu stützen, euch zu verteidigen. Die Heilige Kommunion ist keine Geldsumme, um eure Schulden zu bezahlen, es ist der Heiland. Es ist nicht das Brot, die gewöhnliche Nahrung, um eure Kräfte wieder herzustellen, es ist unser Herr selbst!
O, ihr wisst nicht genug, dass der Heiland in der Heiligen Kommunion zu euch kommt, und vor allem handelt ihr nicht, als ob ihr wüsstet, dass er es ist! Ihr kommuniziert heute, ihr seid traurig und ihr sagt ihm nichts. Ihr braucht Vieles und ihr bittet nicht, euch zu helfen! Ihr empfangt unseren Herrn, ihr gebt ihm einen Platz bei euch, das ist gut. Ihr sagt ihm: „Ich freue mich, dich zu empfangen!“ Dann schließt ihr die Tür und geht weg. Ihr sprecht nicht mit ihm, ihr bittet ihn um nichts! … Danach glauben mehrere, Wunderbares gemacht zu haben. Es fehlt euch jedoch Vieles. Es fehlt euch an Frömmigkeit, an Liebe zu Gott. Es fehlt euch die Fähigkeit, die Betrachtung zu machen. Und in der Betrachtung würde es euch gegeben werden, die besondere Gnade zu verstehen, die man durch die Heilige Kommunion empfängt. Unser Herr kommt zu euch. Er ist für euch da. Aber ihr seid zerstreut. Ihr sagt: „Ich bin vernichtet!“ Und ihr bittet nicht, dass er euch aus dieser Sehnsucht hilft. Und ihr setzt euren Tag, euer Leben allein fort, ohne Begleiter, ohne Tröster! … Da ist die Heilige Kommunion für euch da, es ist nichts anderes.
Meine Kinder, der Heiland hat euch ein Gedächtnis all seiner Gnaden gegeben. Das ist die Heilige Kommunion. Ihr müsst euch erinnern, dass er euch in der Vergangenheit viele Gnaden gewährte. Ihr müsst euch daran erinnern, um Mut zu fassen. Wer wird es euch in Erinnerung rufen? Er ist es. Ihr braucht Ratschläge. Ihr müsst Vorsätze für die Zukunft fassen. Wer wird sie euch geben? Er ist es. O, meine Kinder, unser Herr ist da in eurem Herzen, und ihr bittet ihn um nichts! Merkt wohl, was hat der Heiland seit ihr die Heilige Kommunion empfangen habt, bei euch gemacht? Würdet ihr zufrieden sein, dass eine Schwester im Amt jene Mitschwester, die ihr als Hilfe zugeteilt wurde, an keiner ihrer Beschäftigungen teilnehmen lässt? Wenn sie die ganze Arbeit selbst macht, ohne die andere zu beschäftigen? Wenn sie diese nutzlos vor sich stehen ließe? Nun, so behandelt ihr den Heiland, weil ihr nicht kommunizieren könnt.
Meine Kinder, das ist leicht gesagt, aber weniger leicht getan. Ohne Zweifel seit ihr gewarnt, ihr könnt darauf achten, aber damit es gelingt, bedarf es der Liebe Gottes, der Hilfe der Gnade. Und wer wird sie euch geben? Er ist es. Wie werdet ihr es also machen? Ich werde es euch gleich sagen.
Ihr werdet morgen früh die Heilige Kommunion empfangen. Ihr werdet dem Heiland sagen: „Herr, ich bin nicht die, die dich gut empfangen kann. Wer wird es mich lehren? Du, mein Jesus.“ Bittet ihn dann um die Gnade, seine göttliche Gegenwart in eurer Seele gut verwenden zu können, sie nicht wirkungslos zu lassen. Ihr habt es gern, bei einer Arbeit mitwirken zu können. Wenn man euch ohne Arbeit ließe, würde es euch gewiss Schmerz verursachen. Nun! Unser Herr kommt zu euch, und ihr lasst ihn stehen! Ihr geht, ihr kommt. Unser Herr ist da, er weiß alles, er kann alles, und ihr bittet ihn nicht um Rat. Warum? Weil ihr nicht könnt. Wenn ihr verstehen würdet, würdet ihr nichts ohne ihn machen können. Wenn ihr ihn mehr liebtet, würdet ihr ohne ihn keinen Vorsatz mehr fassen. Ihr könnt also noch fruchtbar kommunizieren und vor allem habt ihr nicht genug Liebe! Ihr empfangt wohl das Sakrament der Eucharistie, aber ihr kommuniziert so zu sagen nicht, denn kommunizieren heißt, sich mit unserem Herrn vereinen und da ist keine Einheit eurer Handlungen, eures Willens, eures Herzens mit dem Heiland.
Ihr werdet also unseren Herrn um die Gnade Gottes bitten, gut kommunizieren zu können. Und ihr werdet ihm um Rat, Kraft und Mut bitten, um alles gut zu machen. Und während ihr ihn in eurem Herzen besitzt, werdet ihr ihm ein Pfand eurer Liebe geben.
Das ist die Heilige Kommunion, meine Kinder. Versteht es, sie ist nichts anderes. Ihr werdet also wohl daran denken. Und wenn ihr macht, was ich euch gesagt habe, werdet ihr die ganzen Exerzitien in der Heiligen Kommunion wiederfinden. Unser Herr wird euch alles, was ich euch lehrte, in Erinnerung rufen, um eure Gelübde zu üben und die Ordensregeln zu erfüllen. Machen wir das und wir werden unseren Herrn in der Heiligen Kommunion finden. Ich beschwöre euch, empfangen wir ihn nicht wie einen Gegenstand, den man hinstellt, ohne ihn weiter zu beachten, und ohne dass er in unseren Willen eindringt und seinen kostbaren Einfluss auf unser ganzes Wesen ausübt.
O mein Gott, wir wollen doch von nun an nicht mehr so behandeln! Wir wollen uns mit die unterhalten, wir wollen deiner Liebe entsprechen, wir wollen deine göttliche Gegenwart nützen, da wir bei dir sind, da wir das Glück haben, dich zu besitzen!
Wenn wir so kommunizieren, meine Kinder, wie nützlich wird uns da die Heilige Kommunion sein. Wie wird es unserem Herrn bei uns gefallen und wie wird es uns bei ihm gefallen! Dann wird unser Leben fruchtbar sein, denn der Heiland würde durch uns handeln.
Die Nonne, die kürzlich in der Heimsuchung starb, wusste wohl, was die Heilige Kommunion ist. Sie sprach gern mit unserem Herrn. Während ihrer Agonie war ihr Gesicht freudig, es war wie der Abglanz des Friedens ihrer Seele. Bei ihrer letzten Heiligen Kommunion war sie so übernatürlich, so sehr in Gott, dass sie sagte: „Nicht mehr ich leide, er leidet alles!“
Verstehen wir die Heilige Kommunion wie diese gute Nonne. Bitten wir ihn, uns die Anlagen zu gewähren, die sie hatte, wenn sie unseren Herrn empfing. Die Heilige Kommunion wird für uns also nicht darin bestehen, am Heiligen Tisch niederzuknien und dann allein zu den Beschäftigungen des Tages zu gehen. Es wird der liebe Gott bei uns sein, überall bei uns und wie bei ihm in allem, was wir denken, reden und tun.
Das ist das Leben unseres Herrn, das Leben der Heiligen Kommunion, so sollt ihr euch beim Empfang der Heiligen Kommunion verhalten. Ihr werdet den Heiland nicht ganz allein in eine Zelle eingeschlossen lassen, zu der ihr den ganzen Tag nicht mehr geht! Unser Herr ist unendlich gut. Wenn wir es wissen, wenn wir ein wenig Herz haben, wenn wir ein wenig Verstand haben, werden wir dafür sorgen, zu ihm Zuflucht zu nehmen, da er da ist, um uns alles zu geben, was wir brauchen. Wenn ihr von nun an so die Heilige Kommunion empfangt, meine Kinder, wie nützlich werden dann die Exerzitien für euch sein!
Bitten wir vor allem den Heiland um seine Hilfe für die Erfüllung der Ordensregel. Unser Herr beachtet seine Regeln beim Heiligen Messopfer. Er gehorcht dem Priester, er lässt sich in den Tabernakel legen, er lässt sich allen geben, den armen Seelen, den Kranken, den Unwürdigen. Das ist die Regel, die er sich auferlegte und der er sich unterwirft.
Meine Kinder, Jesus in unserem Herzen, das wird die lebendige Ordensregel sein. Nun werden wir besser verstehen, dass wir nicht anders handeln können als er, und wir werden in der Ordensregel den Ausdruck seines Willens sehen. Beim Segen bitten wir ihn, dass er in Zukunft in allem mit uns spricht, dass er mit uns wirkt.
O Jesus, wie bist du gut, dazubleiben im Tabernakel, um uns das Leben zu schenken, um unser Leben mit deinem zu vereinen! Mögen wir nicht mehr unser Leben leben, sondern deines, Herr. Wir wollen nicht mehr unseren Willen, unsere Neigungen, unseren eigenen Geist, wir wollen dein göttliches Leben anziehen, dem wir uns für immer weihen. Amen.