8. Vortrag: Traurige Folgen des schlechten Beispiels
Donnerstag Abend, 28. August 1879
Meine Kinder, im Vortrag von heute Vormittag berührte ich einen wesentlichen Punkt für die Zukunft der Kongregation. Nicht, dass ich Zweifel oder Misstrauen bezüglich des Willens Gottes, bezüglich der Absichten seiner Vorsehung für uns hätte, aber ich glaube, wenn man nicht sehr Acht gibt, könnte man dem Willen Gottes ein Hindernis in den Weg stellen und die Gemeinschaft einer großen Gnadenquelle berauben. Das ist sehr ernst! Deshalb bestehe ich so sehr auf dem guten Beispiel, das die Professen den Postulantinnen und den Novizinnen geben müsse. Möge sich jede ernsthaft darüber erforschen, denn es ist wohl wahr, dass man infolge eines schlechten Beispiels, eines Gemurmels, eines kritisierenden Wortes das Wirken Gottes in einer Seele zerstören, völlig vernichten kann. Der liebe Gott hatte seit aller Ewigkeit an diese Seele gedacht, er hatte ihr alle nötigen Verdienste seines göttlichen Sohnes und der heiligen Jungfrau gegeben, und da erschüttert sie ein Gemurmel, ein Wort gegen die Oberin in ihrer Berufung. Wessen Fehler ist das? Ich erkläre euch: am meisten erschreckt mich das schlechte Beispiel, die Verantwortung, die man auf sich nimmt, wenn man es gibt! Wahrhaftig: Unglück dem, durch den der Skandal kommt!
Meine Kinder, fürchtet euch nicht vor mir, weil ich euch diese starken Dinge sage. Fürchtet euch vor euch! Fürchtet euch davor, das Wirken Gottes zu verhindern. Alle, die sich dem entgegenstellen, was der liebe Gott will, werden streng bestraft werden. Wenn der liebe Gott etwas will und es stellt sich ihm etwas in den Weg, das sein Wirken behindert, so zerschmettert er es.
Fürchtet also sehr, das Werk Gottes zu verhindern. Das ist so erschreckend – ich erkläre es euch – dass ich nicht fürchtete, mit allen Verbrechen der Welt bedeckt vor ihm zu erscheinen, als wenn ich seine Sache verließe, wenn ich der Aufgabe untreu wäre, die er mir anvertraute, die Oblaten und die Oblatinnen zu gründen. Ich wiederhole es, ich würde mich weniger furchtsam finden, wenn ich mit allen Verbrechen der Erde beladen wäre, ich würde dem lieben Gott sagen: „Da bin ich! Du bist für die Sünder gestorben, ich setze meine Hoffnung auf die Verdienste deines Blutes.“ Und unser Herr würde mir verzeihen. Doch er hätte Mühe, mir zu verzeihen, wenn ich nicht machen würde, was er will, wenn ich seinem Willen ein Hindernis entgegenstellte. Achtet gut darauf, meine Kinder. Wenn ihr nicht die Absicht habt, dem lieben Gott treu zu sein, wenn ihr nicht die Absicht habt, daran zu arbeiten, zu werden, was ihr sein sollt, hütet euch, achtet ganz darauf! Das Werk Gottes ist so ernst!
Die heilige Kirche begann kaum, sich in Jerusalem niederzulassen, und die ersten Gläubigen stellten voll Eifer alle Güter, die sie besaßen der Gemeinschaft zur Verfügung. Und ein Mann, genannt Hananias, und seine Frau Saphira verkauften gemeinsam ein Grundstück, aber sie behielten einen Teil des Kaufpreises, den sie erhalten hatten, und brachten den Rest dem heiligen Petrus. Hananias kam als Erster und der heilige Petrus sagte zu ihm: „Ist das wohl dein ganzes Geld?“ „Ja“, antwortet Hananias. „Hüte dich“, sagte der heilige Petrus. „Du belügst nicht mich, sondern den Heiligen Geist.“ Sogleich fällt Hananias tot um. Saphira, die nicht wusste, was soeben geschehen war, kommt nun ihrerseits. Der heilige Petrus fragt auch sie: „Ist das euer ganzes Geld?“ „Ja“, antwortet sie. Da sagt ihr Petrus: „Warum seid ihr übereingekommen, den Geist des Herrn auf die Probe zu stellen? Siehe, die Füße derer, die deinen Mann begraben haben, stehen vor der Tür; auch dich wird man hinaustragen.“ Und in diesem Augenblick fällt sie tot zu Füßen des heiligen Petrus (vgl. Apg 5,1-11).
War es denn ein so großes Verbrechen für Hananias und Saphira, nicht ihr ganzes Geld gegeben zu haben? Nein. Es gab kein Gebot, das sie verpflichtet hätte, das zu tun. Aber es wäre damals besser gewesen, überhaupt nichts zu geben, denn es war am Anfang der Kirche. Die ersten Gläubigen strebten nachdem vollkommenen Leben, und da sind zwei Seelen, die den anderen ein schlechtes Beispiel gaben. Das war eine zwischen ihnen ausgemachte Sache. Sie hatten miteinander darüber gesprochen. Vielleicht hätten sie sich dessen später gerühmt? … Die Aufgabe ihrer Güter war eine Übung des vollkommenen Lebens, des Ordenslebens, und sie beleidigten dieses vollkommene Leben, das sie annehmen wollten.
Meine Kinder, ihr müsst über euch wachen, ihr müsst die Gottesfurcht haben, die Furcht vor den schrecklichen Urteilssprüchen, die er den Seelen vorbehält, die andere in die Irre geführt haben. Ich übertreibe nicht. Was ich euch sage, sage ich im Namen unseres Herrn, der in dieser Kapelle gegenwärtig ist. Er ist da im Allerheiligsten Sakrament, er sieht mich, er hört mich zu euch sprechen. Ich würde kein einziges Wort zu euch sagen, das nicht Wahrheit ist. Gebt also gut Acht, niemals ein schlechtes Beispiel zu geben. Versteht jedoch meinen Gedanken, denn ich möchte euch nicht wegen etwas erschrecken, das nicht der Mühe Wert ist. Ich behaupte nicht, dass ihr vollkommen seid, nein. So ist da ein kleiner Verdruss, ein „Knurren“, das ist sicher bedauernswert, aber wir sind keine Engel. Es ist nicht die Sünde von Hananias und Saphira. Wenn sie ihr Geld gebracht und gesagt hätten: „Hier ist, was wir der Kirche geben“, wären sie nicht schuldig gewesen. Selbst wenn sie in einem Augenblick der Schwäche einen Fehler gemacht hätten, wären sie nicht mit dem Tod bestraft worden. Aber es ist der Betrug, der entschlossene Wille, etwas gegen die Liebe zu machen, was der liebe Gott bestraft. Wenn er in einer Seele diese Anlage sieht, wenn er vor allem sieht, dass sie darin verharrt, zieht er seine Hand zurück, die sie stützte, er verlässt sie. Ihr wollt den Bach überqueren. Der liebe Gott zieht das Brett weg, auf das ihr den Fuß setzen wolltet, und ihr fallt! Gebt darauf gut Acht, meine Kinder. Es ist sehr ernst, vor allem am Anfang einer Kongregation. Ich sage es euch noch einmal, ich würde lieber mit einer Menge Verbrechen beladen sein als die Verantwortung zu tragen, das Erbarmen des lieben Gottes, seine Liebe behindert zu haben. Einen bösen Willen zu haben, der vorübergeht, ist die Tatsache des Menschen, aber in diesem Zustand zu bleiben, ist die Tat des Teufels. Der liebe Gott bestraft das Verharren in einer schlechten Anlage. Unvermeidlich zieht er sich zurück. Das ist sehr schwer, sehr ernst, vor allem in der Zeit, die wir jetzt erleben.
Der heilige Johannes hat in seiner Apokalypse geschrieben: „Wer Unrecht tut, tue weiter Unrecht, der Unreine bleibe unrein, der Gerechte handle weiter gerecht und der Heilige strebe weiter nach Heiligkeit“ (Offb 22,11). Gott wird zwei Teile machen, den Teil jener, die Gott gehören, und den Teil jener, die dem Teufel gehören. Außerhalb werden die gestellt werden, die lügen, die falsch sind, die ihre Worte durch mangelnde Liebe vergiften. Hört wohl! Und dieses Gericht wird durch das Haus Gottes beginnen, durch die, die Gott zugesprochen sind, durch die, die vielleicht Gott gehören, und durch die, die die Gnade Gottes erhalten haben. Sie werden die ersten sein, die in zwei Teile getrennt werden. O meine Kinder, habt große Angst, Angst nicht treu genug zu sein, Angst, nicht dem zu entsprechen, was der liebe Gott von euch erwartet. Seht, wie streng er ist, wie erschreckend die Drohungen sind, die er euch durch die Stimme seines Apostels macht.
Die Exerzitien sind immer eine große Gnade, aber diese werden eine größere denn je sein, weil ihr sie in Einheit mit unserem Herrn gemacht haben werdet und ihr durch seine göttlichen Verdienste das Licht finden werdet, das ihr braucht. Es ist Zeit, dass diejenigen, die sich Gott hingeben wollen, sich ganz hingeben. Die Vergangenheit ist vergangen, das göttliche Erbarmen ist unendlich und verzeiht uns alle Fehler. Aber bemerkt wohl, dass es unter der Bedingung ist, nicht wieder zu beginnen. Das Urteil, das Gott eines Tages sprechen wird, ist das, das wir jetzt schreiben. Es sei in das Buch des Lebens und nicht in das Buch des Todes eingetragen. Mögen diejenigen, die sich etwas vorzuwerfen haben, und die, welche schuldig sind, bereuen und einen guten Vorsatz fassen, um nicht mehr in dieselben Fehler zu verfallen. Möge sich keine weiterhin gehen lassen und ihren Neigungen folgen. Der liebe Gott verzeiht die Vergangenheit, aber wird er auch die Zukunft verzeihen?
Meine Kinder, als ich heute Vormittag zu euch sprach, beharrte ich auf dem guten Beispiel, um euch seine Wichtigkeit gut verständlich zu machen und euch einen klaren Blick dessen zu geben, was ihr in dieser Hinsicht zu tun habt. Ich wiederhole es, Gott hat verziehen, er verzeiht großmütig, gänzlich, aber habt Acht, seine Geduld erschöpft sich. Wenn wir uns heute dem Herzen unseres Herrn nähern, wenn wir uns erinnern, dass wir einer Menge Fehler schuldig wurden, wenn wir unsere Seele bekehren, wenn wir einen guten Vorsatz fassen, wird unser Herr sehr gut sein, er wird mit uns sein, er wird uns verzeihen.
Kürzlich wohnte ich den Exerzitien unserer Diözese bei. Der Prediger zitierte diese Worte des heiligen Augustinus: „Herr, du schaust nie zurück. Dein Blick richtet sich auf die Zukunft. Ich werde nicht die Vergangenheit betrachten, wie du werde ich in die Zukunft schauen. Wie du sie willst, so will ich sie auch, wie du sie siehst, so sehe ich sie auch!“ Und der Prediger ließ sich von den Gedanken dieses großen Redners inspirieren und fügte hinzu: „Was war die Wirkung dieses Gebetes? Augustinus, bedeckt von Verbrechen, fand eine solche Heiligkeit, eine solche Zartheit der Gefühle, eine solche Reinheit, eine solche Unschuld wieder, dass seine Seele rein erscheint wie die eines kleinen Kindes.“
Machen wir es wie der heilige Augustinus. Überlassen wir die Vergangenheit dem Erbarmen Gottes, schauen wir stolz in die Zukunft. Sagt nicht: „Vielleicht…“. Wenn ihr das große Ja sagt, seid ihr in Sicherheit. Der liebe Gott wird eurer Seele ihre ganze Reinheit, ihre ganze Zartheit, ihre ganze Einfachheit, ihre ganze Frische, ihre ganze Unschuld zurückgeben. Aber gebt Acht! Fürchtet, einen Faden durch den Willen Gottes zu spannen und eurer Sichtweise in dem zu folgen, das ihr zu machen habt. Seid wachsam, seid vertrauensvoll. Der liebe Gott ist eifersüchtig, wenn er liebt, dann liebt er mit einer eifersüchtigen Liebe. Und da sind wir so sicher, dass er mit uns ist, dass wir für jede Art von Furcht und Versuchung unzugänglich sind.
„O, Herr Jesus! Weil du sie mit einer besonderen Liebe liebst, hast du sie gerufen! Da du sie sehr liebst, lass sie erkennen und fühlen, was du für sie bist, was du von ihnen willst und wie du sie willst. Lass sie dich verstehen, Herr!“
Das ist mein Wunsch. Es möge auch eurer sein, meine Kinder. Ich wiederhole es: Vertrauen, Hoffnung! Habt ein leichtes Herz für die Vergangenheit, obgleich sie vielleicht sehr traurig ist, schaut vertrauensvoll in die Zukunft. Habt einen sehr festen, sehr bestimmten Willen, damit ihr nicht alleine seid, sondern dass Scharen zu euch kommen, denn das ist das Versprechen, das uns gegeben wurde. Amen.