Exerzitienvorträge für die Oblatinnen 1878

      

6. Vortrag: Über die Heilige Messe

Mittwoch Abend, 4. September 1878

Meine Kinder, während dieser Exerzitien will ich zu euch über die Art sprechen, wie ihr euch in den verschiedenen Umständen des Tages verhalten sollt, damit die Kongregation das Aussehen hat, das sie haben soll. Ich habe euch schon ausführlich über die Betrachtung erzählt. Ich hoffe, dass mich jede gut verstanden hat, und ich werde auf dieses Thema nicht mehr zurückkommen.
Für die heilige Messe bemüht euch, sie gemäß eures Direktoriums zu hören, ganz so, wie es angegeben ist. Wenn ihr dann später eure Seele den Gedanken des Direktoriums für das heilige Messopfer unterworfen habt, werde ich es wie der heilige Franz von Sales machen können. Ihr braucht nur euren Geist vor Gott zu halten, ohne zu fürchten, euch von was auch immer zerstreuen zu lassen. Dieser selige Vater [Franz von Sales] sagte der heiligen Johanna Franziska von Chantal, dass er keine Zerstreuungen habe, sobald er sich dem Altar zuwende.
O, meine Kinder! Ich möchte sehen, dass ihr die vom Direktorium angegebenen Gedanken über die Heilige Messe so genau nehmt, dass ihr von unserem Herrn ganz durchdrungen, ganz umgeben seid. Bei der Heiligen Messe könnt ihr euch ihm ganz schenken, das ist der Augenblick, wo er euch ganz gehört. Da opfert er sich für euch und gibt sich für euch auf. Wenn ihr in eurer Kapelle der Heiligen Messe beiwohnt, steigt unser Herr besonders für euch auf den Altar hernieder. Vereint euch mit ihm, sprecht mit ihm über die ganze Zuneigung eures Herzens. Ich möchte, dass in eurer Haltung während des heiligen Messopfers etwas sehr Frommes liegt. Ohne Zweifel seid ihr gesammelt, aber das ist nicht genug. Ich möchte, dass ihr wie heilige Nonnen seid. Wenn eine heilige Nonne dem Heiligen Messopfer beiwohnt, spiegelt sich ihre Seele auf ihrem Gesicht wider. Sie ist da vor dem lieben Gott, sie versteht ihn, sie fühlt ihn, sie sieht ihn! In ihrem ganzen Wesen vollzieht sich eine Umwandlung, wie eine Bekleidung von unserem ganzen Herrn. Ihre Augen, ihr Gesicht, ihre Hände, ihre Haltung, alles sagt nun, dass sie gesammelt ist, dass sie Gott anbetet, dass sie ihn liebt, dass sie von seiner göttlichen Gegenwart durchdrungen ist, dass sie ganz in ihm aufgeht. Pater Ventura sagte, als er über die Heilige Messe sprach: „Ah, in der Messe wirft sich die Liebe vor der anbetungswürdigen Liebe nieder und betet sie an!“ Es ist eine Anbetung, die sich so sehr in unserer Seele verbreitet, dass sie von der Gottheit ganz überflutet wird. Der heilige Franz von Sales hat es wunderbar verstanden, wie ich euch vorhin sagte. Er gestand der heiligen Johanna Franziska von Chantal, dass jedes Mal, wenn er sein Gesicht dem Altar zugewendet hat, ihm nie ein fremder Gedanke in den Sinn gekommen sei.
Meine Kinder, ihr werdet also dafür sorgen, dass ihr euch, wenn ihr der Heiligen Messe beiwohnt, mit aller möglichen Achtung verhaltet. Und um eurer Frömmigkeit zu helfen und sie zu ermutigen, werdet ihr euch der Gedanken bedienen, die euch in dem kleinen Buch des Direktoriums vorgeschlagen werden. Ihr werdet ihre Erklärung verlangen, und eure Aufmerksamkeit, eure Unterwerfung unter den lieben Gott werden seinen Blick auf euch lenken und werden euch unendliche Gnaden verdienen.
O ja, meine Kinder, sammelt euch gut bei der Heiligen Messe, denn es ist der Zeitpunkt, an dem ihr alle Gnaden erhalten könnt, die notwendig sind, um den Tag gut zu verbringen. Es ist der Zeitpunkt der Sammlung eurer Seele in der Gegenwart Gottes. Das Blut unseres Herrn wird über euch fließen, um euch Kraft und Mut zu schenken. Beim Confiteor (Schuldbekenntnis) klagt eure Fehler an, die so zahlreich sind, und bittet den lieben Gott dafür um Verzeihung. Macht beim Evangelium euren Glaubensakt. Bittet beim Credo (Glaubensbekenntnis) Gott, dass sich alle Wahrheiten des Glaubens eurer Seele, eurem Herzen und den Herzen der Kinder, die ihr erzieht, einprägen. Bei der Gabenbereitung, müsst ihr euch mit unserem Herrn aufopfern. Er behält nichts für sich. Er gibt seinen Leib, seine Seele, seine Gottheit hin, er gibt sich ganz. Macht es wie er. Bei der Elevation, der Erhebung der gewandelten Gaben, betet unseren Herrn an. Er stirbt am Kreuz! Bittet ihn, allem zu sterben, was nicht seine heilige Liebe ist. Verneigt euch achtungsvoll und fromm. Es gibt eine Art, sich zu verneigen, die so schön, so gesammelt ist. Der große Zeremonienmeister, der sie uns lehrt, ist unser Herz. Betet das Vaterunser mit dem Priester. Dann kommt die Heilige Kommunion. Empfangt sie geistig, wenn ihr sie sakramental nicht empfangen könnt. Den Segen empfangt, als ob unser Herr selbst ihn euch geben würde. Es soll kein vorübergehender Segen sein, sondern ein Segen, der sich auf den ganzen Tag erstreckt. Er möge bei euch bleiben und euch bei eurer Arbeit und inmitten der Schwierigkeiten begleiten.
Das ist die Heilige Messe, wie eine Oblatin sie feiern soll, wie sie der heilige Franz von Sales und die heilige Johanna Franziska von Chantal feierten.
O meine Kinder! Möge die Heilige Messe für euch nicht wie alles andere sein! Sie soll eine Übung sein, die eure Seele, euer Herz nährt und erfrischt. Möget ihr in ihr euer Leben finden, wie ihr es anderswo nicht finden würdet. Es ist transsubstantielles Brot, es ist das Brot des Himmels. Möge dieses Brot der Engel für eich einen himmlischen, einen göttlichen Geschmack haben. Möge dieser Altar euch an den Altar erinnern, auf dem das Lamm in Ewigkeit geopfert wird, und vor dem jedes Knie sich beugt. Seid während der Heiligen Messe nicht wie die Erdenbewohner, sondern wie die Engel des Himmels. Ich möchte, ich bitte euch, dass die Heilige Messe für jede von euch die Hauptsache ist, der kostbarste Augenblick des Tages, der Augenblick, wo Gott zu euch kommt, um euch seinen Segen, seine heilige Liebe und manchmal auch unauslöschliche geistliche Wonnen zu spenden.
Möge unser Herr euren Seelen einprägen, was ich euch soeben sagte. O ja, meine Kinder! Und dass wir schon morgen beginnen, die Heilige Messe gut mitzufeiern. Amen.