Exerzitienvorträge für die Oblatinnen 1878

      

5. Vortrag: Über die Beichte – Fortsetzung. Das Direktorium ist die Stütze der Oblatin

Mittwoch Vormittag, 4. September 1878

Meine Kinder, gestern Abend haben wir uns über die Beichte unterhalten, und ich habe von den wesentlichen Eigenschaften gesprochen, die sie haben soll. Ich habe euch gesagt, dass sie kurz, einfach und fromm sein soll. Ich wünsche mir, dass sich diese paar Worte euren Herzen einprägen und euch nützen, denn es soll die Beichte vor allem für eine Oblatin keine Plauderei sein. Man soll nur die für das Sakrament der Buße notwendigen Worte sagen. Dieses Sakrament ist so erhaben, so wichtig! Im Augenblick der Beichte gießt der Heiland sein Blut auf unsere Seele. Welch große Achtung, welch große Frömmigkeit müsst ihr daher nicht für dieses heilige Gericht haben!
Ich muss euch, meine Kinder, einen Missbrauch aufzeigen, der heutzutage sehr häufig ist. Es kommt vor, dass Nonnen, wenn sie gealtert sind – ich sage das nicht für die Oblatinnen, denn es gibt noch keine unter euch, die die Zeit zu altern hatten – dass sie sich an einen Beichtvater wenden, der jünger ist als sie und ihm sehr geschickte, sehr scharfe Bemerkungen geben! Sie werden nach und nach irgendwie kühn und nicht mehr sie beichten, sondern sie lassen ihren Beichtvater beichten. Sie lenken ihn. Diese Handlungsweise von einigen alten Nonnen gegenüber ihrem Beichtvater ist ungebührlich und lächerlich. Sie glauben ohne Zweifel, dass man in ihrem Alter wohl das Recht hat, zu sagen, was man denkt, und da sie sich angewöhnt haben, dieser zu raten, jene zu schelten, fühlen sie sich verpflichtet, es bei allen zu machen. Da ist ein junger Priester, der eure Beichte hört, und der fromm ist. Ihr wollt ihn leiten, ihm einen Dienst erweisen, aber nicht ihr sollt euren Beichtvater einen Dienst erweisen! Also nehmt eine Sutane und nehmt seinen Platz ein! Wenn ihr beichten geht, macht euch nicht lächerlich, eurem Beichtvater einen Dienst erweisen zu wollen. Ihr sollt einen Dienst von ihm erhalten, auf seine Ratschläge hören und die Buße tun, die er euch auferlegt. Ihr sollt dem lieben Gott gute Versprechen geben und versuchen, sie zu halten!
Meine Kinder, das ist falsch und ist auch lächerlich. Aber es ist bei den alten Nonnen sehr verbreitet, bei den Schwestern, die sich der Spiritualität hingeben, die sich damit beschäftigen, das Innenleben zu erforschen. Vermeidet das, um nicht in diese Lächerlichkeit zu fallen. Ihr werdet es schreiben, wohin ihr wollt, aber erinnert euch daran, wenn ihr alt sein werdet. Es gibt sogar junge Nonnen, die glauben, mehr Geist zu haben als ihr Beichtvater, und die in diesen Fehler fallen. Sie prüfen die Zusprüche, die ihnen für ihre Führung gegeben werden. Sie beginnen damit, ihr Urteil zu befragen und regeln schließlich ihre Angelegenheiten so, wie sie es verstehen.
Wenn ihr beichtet, sprecht ihr zu unserem Herrn selbst. Ihr habt also nichts anderes zu tun, als euch zu demütigen, eure Sünden zu sagen und ganz der Leitung zu folgen, die euch gegeben wird. Hört eine Bemerkung, die ich gemacht habe. Was geschah vor 20, 30 Jahren jedes Mal, wenn ein junger Seminarist sehr fromm, sehr eifrig war? Er kümmerte sich nicht um die anderen. Den Eifer, den er hatte, wendete er wider auf sich zurück. Die Bemerkungen, die er machte, wendete er auf sich an. Die Gottesliebe, die er erfühlte, bewahrte er für sich. Es kam ihm nicht der Gedanke, die anderen in Ordnung bringen zu müssen, denn er sagte sich: „Ich bin kein Heiliger!“ Heute gibt es einen großen Fehler. Ich bemerke, dass es viele junge Priester, wenn sie das Seminar verlassen, ihre Angelegenheiten selbst regeln wollen. Jeder hat seine Theorie und sagte: „Man muss die uns das so und so machen!“ Früher hatte man keine Lust, die anderen zu reformieren, es kam einem nicht einmal der Gedanke!
Diesen Missstand, diesen Fehler findet man sogar überall. Da ist eine junge Nonne. Sie hat Mittel des Verstandes. Sie verwendet sie für Unnützes genauso wie der Seminarist. Sie beschäftigt sich mit diesem und jenem, sie wird es zu ihrer Angelegenheit machen, sie wird sich in Angelegenheiten mischen, die sie überhaupt nichts angehen. Sie wird sich nicht um ihre Sünden, ihr Benehmen kümmern, um das, was sie dem lieben Gott versprochen hat, um das, was sie ihm gegen muss. Sie wird die anderen bessern wollen und nicht sich selbst. O, seid nicht so, meine Kinder, seinen wir gescheiter und innerlicher!
Die Exerzitien sind gemacht, um uns zu heiligen, um unsere Seele zu demütigen, um sie zu dem Gedanken an den lieben Gott zu bringen und an ihre Schwächlichkeit. Sie müssen uns zu dem Gefühl unseres Nichts bringen und uns veranlassen, unsere Unvollkommenheiten zu verbessern. Versteht das wohl und nehmt nicht diese Gewohnheit an, außerhalb von euch selbst zu leben, immer mit diesem oder jenem beschäftigt zu sein. Vor Gott müsst ihr euch halten. Es ist Wahnsinn, sich um die Angelegenheiten der anderen zu kümmern und nicht um sein eigenen. Wird euch der liebe Gott, wenn ihr vor ihm erscheinen werdet, nicht zur Rechenschaft über die Fehler ziehen, die ihr begangen haben werdet, wie oft ihr gefallen sein werdet? Wird das nicht der Stoff sein, über den das Urteil gesprochen wird? Wir müssen in der Beichte ganz kleine Kinder sein, wie alt wir auch sind, trotz aller Gedanken und Wünsche, die wir haben könnten, den jungen Priestern zu helfen, bei denen wir beichten. Wir müssen uns unserer Fehler anklagen, wir müssen ihre Gründe angeben, wenn es notwendig ist, sie zu sagen, und der Grund soll für uns immer demütigend sein. Wir haben so viele Schwächen und geistliches Elend! Der einzige Anspruch, den wir haben dürfen, ist die Ordensregel zu erfüllen, unsere Gelübde zu halten, unsere Standespflichten zu erfüllen.
Meine Kinder, so lange wir beisammen sind, sage ich euch auch: Habt keine Eigenheiten, keinen Geist der Eigentümlichkeit. Das setzt euch ins Abseits. Eine Schwester zum Beispiel wird eine private Frömmigkeit haben und sie wird sich um nichts anderes kümmern. Eine andere wird einige Lieblingsgebet haben und keine anderen schätzen. Diese Frömmigkeit, diese Gebete sind gewiss gut. Macht sie, aber nur mit der Erlaubnis eurer Oberin, eurer Novizenmeisterin. Achtet gut darauf, um keinen schlechten Einfluss auf eure Umgebung, auf eure Mitschwestern auszuüben, um sie nicht von der Liebe zu den Dingen der Ordensregel abzulenken. Das ist vielleicht ein schwererer Fehler als ihr denkt, denn in einer Gemeinschaft sind alle Nonnen für die allgemeine Art, wie die Ordensregel und die Gelübde ausgeführt werden, verantwortlich.
Ich weise hier auf Fehler hin, die ihr nicht habt. Ich ergreife Vorsichtsmaßnahmen, damit ihr nie hineinfallt und dass diese Art von Unkraut auf diesem vom heiligen Franz von Sales geliebten und von Gott gesegneten Boten nicht wachse. Diese Dinge sind völlig gegen die Einheit der Herzen und die Harmonie der Seelen. Es muss eure Frömmigkeit von allen den gleichen Ton haben und nur eins sein vor dem lieben Gott und vor dem Nächsten. Das heißt, dass jedes Mal, wenn ihr es mit dem Nächsten zu tun habt, wenn ihr mit dieser oder jener Person in Verbindung seid, der Sinn eurer Worte von allen gleich sein muss, und man muss sehen, dass ihr die Kinder desselben Vaters, derselben Mutter seid. Diese Hinweise sind von einem großen praktischen Nutzen. Ich möchte, dass wir Originale, Eigenwesen, Besonderheiten sind, die einen auf dieser Art, die anderen auf eine andere. Ihr müsst alle dieselbe Art zu reden und zu handeln haben, ihr müsst alle über denselben Leisten geschlagen sein. Was macht die Schönheit einer Armee aus? Es ist, dass die Soldaten die gleiche Kleidung, die gleiche Haltung haben.
Nun, wenn man im Ordensleben hervorragen, besser als die anderen sein will, gibt man eine Seltsamkeit kund, die jedermann, den Engeln und vor allem unserem Herrn missfällt.
Meine Kinder, da ich euch soeben diese paar Worte zur Beichte sagte, füge ich noch einige Überlegungen hinzu, die sich darauf beziehen. Da sind Schwestern, die fern vom Mutterhaus sind, die da und dort sind. Sie müssen sich das Herz erleichtern. Sie brauchen diese Führung, ohne die sich die Nonne nicht heiligen, nicht einmal bestehen kann. Muss sie ihren Beichtvater als Seelenführer wählen, muss sie ihn zu ihrer Stütze machen und sagen: „Ich habe diese Führung, sie genügt mir“, und sich daran halten? Nein, man soll es nicht machen. Als allgemeine Regel könnt ihr mittels eures Direktoriums, mittels eures Gehorsams zur Ordensregel die Bedürfnisse eurer Seele stillen. Wenn ihr eurem Direktorium treu seid, werdet ihr außer in Sonderfällen nichts haben, das euch verwirrt, ihr werdet nicht diese Seelenängste haben, die nach rechts und nach links laufen lassen, weil ihr den Willen Gottes erkennen werdet, weil ihr in euch die Liebe des Heilands und den Wunsch haben werdet, seinen heiligen Willen zu erfüllen.
Meine Kinder, studiert euer Direktorium. Es ist sehr einfach, und es gibt euch sehr sichere Mittel, um eure Seele immer in der Ruhe und der Einheit mit Gott zu halten. Ihr sagt eurer Oberin eure Verfehlungen gegen die Ordensregel und die Beobachtung der Ordensregel. Wenn ihr das Bedürfnis empfindet, mehr darüber zu sagen, macht es, sagt alles, was euch verwirrt. Wenn eure Seele keinen Frieden hat, so ist es, weil ihr nicht einfach seid, weil ihr euer Direktorium nicht gut erfüllt habt. Was euch wie ein Berg erscheint, hätte der liebe Gott weggeräumt. Ihr hättet seine Gnade empfangen und ein Wort von eurer Oberin, der Dolmetscherin Gottes, hätte euch erleichtert … aber ihr wolltet nicht die Mittel ergreifen, die euch angeboten wurden. Mit dem Direktorium habt ihr alles, was ihr braucht. Und ihr habt die Antwort auf alles, was ihr braucht. Ihr könnt mit eurer Oberin in aller Einfachheit und Hingabe sprechen. Unser Herr wird euch inspirieren, was zu sagen angebracht ist nach dem Versprechen, das er seinen Jüngern gab. „Aber ich werdet mir sagen, ich habe eine Abneigung über dieses oder jenes zu sprechen. Ich kann nicht alles sagen.“ Der Widerwille, den ihr habt, kommt daher, dass ihr wollt, dass man euch schmeichelt, dass man auf eure Fantasien, auf eure Eindrücke eingeht. Dieses Gefühl ist nicht das Beste in euch. Es kommt davon, dass ihr euch selbst such. Ihr könnt wohl eure Verfehlungen gegen die Ordensregel im Besonderen sagen, da ihr sie im vollen Kapitel sagt.
Ich habe nie eine dem Direktorium treue Seele angetroffen, die verwirrt war. Wenn wir ein mit dem Direktorium vertrautes Leben führen, wenn wir ihm treu sind, zeigt es uns so sehr den Weg, auf dem wir gehen müssen, dass uns nichts verwirren kann. Ich sage es vor unserem seligen Vater [Franz von Sales]: Ich habe nie eine einzige, ihr Direktorium erfüllende Seele angetroffen, die innere Schwierigkeiten hatte. Die Lehre des heiligen Franz von Sales ist klar, einfach und leicht. Was ich euch sage, sage nicht ich, sondern die heilige Kirche. Ihr braucht nur das Buch der heiligen Liturgie zu nehmen, und ihr werdet sehen, mit welchen Worten die Lehre des heiligen Franz von Sales dort geschützt wird. Ich behaupte, ich wiederhole es: Seid eurem Direktorium treu und ihr werdet kaum eine andere Führung brauchen. Und wozu ist es dann gut, dies oder das zu sagen, sich auf Erklärungen einzulassen, sich mit Dingen zu beschäftigen, die es nur in eurer Einbildung gibt? Nehmt euer Direktorium, ihr werdet dort alles finden, das eure Seele braucht. Wenn ihr es getreu befolgt, befolgt ihr die Ordensregel, und es wird euch leicht fallen.
Ich mache sehr oft bei euch die Bemerkung: Die Übung des Direktoriums vereinfacht die Seele. Wenn man genau macht, was es verlangt, fühlt sie sich unterstützt und ermutigt, sie braucht keine besondere Führung.
Haltet euch also an euer Direktorium, wie ich euch soeben sagte, und die Gnade wird da sein, um euch bei den Schwierigkeiten zu helfen. Alle, die eines Tages sehr treu sein sollen, werden sehr heimgesucht. Diejenigen, die nichts Großartiges für den lieben Gott machen wollen, haben nicht viel zu ertragen. Aber diejenigen, die stark und großmütig sind, haben viel zu leiden. Ihr Wille wird hin und hergeworfen. Sie werden durchgerüttelt wie eine Nussschale auf einem stürmischen Meer. Es gibt für sie in Überfülle Elend, Schmerzen, Ängste. O, was haben sie nun zu tun? Sie haben die Mittel zu ergreifen, die das Direktorium gibt.
Ihr müsst euch an unseren Herrn wenden, meine Kinder, wenn ihr Mühe habt, denn selbst seine Seele erlitt Angst und Schmerz. Er ging durch die mühevollsten und schmerzlichsten Eindrücke. Wendet euch an den Heiland! Er ist der Seelenführer, der euch trösten kann. Ah, es bedarf Vieles! Was uns gesagt wird, genügt nicht. Wir brauchen den lieben Gott, seine Gnade, sein Leben, seine unmittelbare Hilfe. Damit können wir leben!
Meine Kinder, ich habe heute Vormittag ausführlich zu euch gesprochen. Aber was ich euch sagte, ist sehr wichtig. Ich habe nicht zu lange davon gesprochen. Man muss dem eine ganz besondere Aufmerksamkeit widmen.
Möge unser Herr, der in seinem Sakrament der Liebe gegenwärtig ist, euch dieses kleine Buch des Direktoriums verstehen lassen. Wenn ihr zur getreuen Übung gelangt sein werdet, werdet ihr eure Berufung verstanden haben. Für uns ist alles da, wir finden dort alles, was nötig ist, da wir dort das Herz unseres Herrn und auch das Herz des heiligen Franz von Sales finden. Ja, unser seliger Vater [Franz von Sales] ist mit seinem Herzen und seinem Willen da. Er ist ganz da.
Man erzählt, dass ein Priester, der einem Christen beistand, der für den Glauben sterben sollte, ihm sagte, als er ihm die Heilige Kommunion reichte: „Mein Sohn, empfange den Leib unseres Herrn. In seiner göttlichen Gesellschaft wird dein Weg sicher sein, denn er wird dich führen, er wird dir die Kraft geben, den Tod zu erdulden.“
Meine Kinder, ich sage euch dasselbe. Ich gebe euch zwar unseren Herrn nicht körperlich, aber ich gebe euch sein Herz, den Ausdruck seines Willens für euch, in dem ich euch euer Direktorium gebe. Oder eher ist es der heilige Franz von Sales, der es euch gibt, und der euch sagt, wie den ersten Müttern der Heimsuchung: „Nehmt dieses kleine Buch, verschlingt es, und ihr werdet leben, ihr werdet den Mut haben, alles zu ertragen.“ Als der heilige Franz von Sales diese Worte schrieb, wurde er von Gott inspiriert. So ist es tatsächlich Gott selbst, der sie an euch richtet, und der euch verspricht, euch zu helfen und euch zu stützen bis zum Tod. Gott bricht nie seine Versprechen, die er gibt. Seien wir ihm treu, und er wird uns treu sein bis zum Ende. Amen.