Exerzitienvorträge für die Oblatinnen 1877

      

8. Vortrag: Über die zu verwendenden Mittel, um den Kindern eine wahrhaft christliche Erziehung zu geben - Fortsetzung

Freitag Abend, 14. September 1877

Meine Kinder, heute Abend werde ich euch ein Wort über den Eifer sagen, den wir haben müssen, um den Seelen den Glauben und die Frömmigkeit mitzuteilen. Diese Tugenden sind die beiden Grundlagen des christlichen Lebens. Ohne Glauben macht man nichts; ohne Frömmigkeit macht man nichts Großes. Der Glaube beschäftigt den Geist, die Frömmigkeit das Herz. Das sind zwei mächtige Tugenden, die man verwenden muss. In der Lehre des heiligen Franz von Sales liegt etwas Hervorragendes, liegt ein beträchtlicher Schatz. Wenn man seinen Lehren folgt, kann man außergewöhnliche Christen hervorbringen. Er gibt die Schritte an, denen wir folgen müssen, aber es geht darum, ihnen mutig und großherzig zu folgen.
Wie soll man die Kinder erziehen? Man soll sie nicht nur mit Frömmigkeit und Glauben erziehen, sondern ihnen auch eine starke, großherzige, kräftige Seele geben, die sie das Elend der menschlichen Natur überwinden lässt und macht, dass das Mädchen, weit davon entfernt ein unvollkommenes Wesen zu bleiben, vollkommen gut wird. Welches mittel ist dazu zu ergreifen? Die angegebene Anordnung gut durchführen zu lassen. Man muss sie den Kindern verständlich machen, aber mit den übernatürlichen Mitteln; ihnen sagen, dass sie sich notwendigerweise an die Vorschriften zu halten haben, damit sie ihre Seele daran gewöhnen, Opfer zu bringen. Denn wenn sie in jungen Jahren die Gewohnheit angenommen haben zu verzichten, werden sie später Opfer bringen können, auf die sie in ihrem Leben so oft stoßen können. Man muss also immer den Verzicht von ihnen fordern; das muss eine absolute Erziehungsregel sein.
Man bietet zum Beispiel eine Vergnügungsfeier an. Glaubt ihr, dass es eines Verdrusses, eines Widerspruchs bedarf, dass man das Opfer mitten in das Vergnügen stellen soll? Nein, ich billige das nicht. Eine Vergnügungsfeier ist geplant, die Kinder sollen rundweg und offen hingehen. Man belehrt sie, dass es gut ist, wenn man einen Spaziergang macht, zu einer Vergnügungsfeier geht, Gott dafür dankt, dass er diese uns möglich macht, und eine so angenommene Erholung ist für den liebe Gott etwas Angenehmes. Das darf man nie vergessen. Sie müssen alles, was ihnen zustößt, alles, was ihnen angenehm sein kann, mit Gott verbinden. Es ist das große Übel, dass man dem Vergnügen immer den Vorzug gibt. Ich kenne keine Mama, die ihrem Kind nicht sagt: Wenn du das gut machst, wirst du dieses Vergnügen bekommen … macht doch das, und du wirst das essen dürfen.“ Immer ist das materielle Vergnügen im Vordergrund. Das ist keine Erziehung, das ist Korruption. Die Gesellschaft ist verdorben, sie zerbricht!
Wenn man versucht, in das Herz eines Kindes die Attraktivität des Vergnügens zu legen, wird es jeden Tag ein neues brauchen. Wenn es diese dann nicht bekommt, wird es unzufrieden sein. Dann ist nur noch das Vergnügen ihr Ziel, es hungert und dürstet nach dem Vergnügen. Und wenn man den Weg der erlaubten Vergnügungen durchlaufen hat, sucht man immer weiter nach anderen. Da man den Kindern das Vergnügen versprochen hat, da man sie lehrte, es zu suchen, warum sollten sie es dann nicht tun? Warum sollten sie dann im Internat plötzlich tun, was sie langweilt? Warum wollten sie plötzlich auf solche Vergnügungen verzichten? Warum sollten sie nicht mehr dorthin gehen wollen? Es würde ihnen ja Vergnügungen bereiten, mit dieser oder jener Person zu gehen, die ihnen schadet. Und da es aber ihr Vergnügen ist, ergreifen sie diese Möglichkeit.
Meine Kinder, dieser Art von Erziehung, die heute vorherrscht, muss man also eine kraftvolle Reaktion entgegenstellen. Als Mgr. Mermillod kam, um unsere ersten Schwestern einzukleiden, sagte er mir viel stärkere, viel kraftvollerer Worte, als was ich euch zu diesem Thema sage. Er sagte mir, es sei seine Absicht, sein Gedanke, die Früherziehung zu reformieren. Wenn er da wäre, würde er euch das sagen.
Was muss man also den Kindern geben? Von Zeit zu Zeit angemessene Erholung; darauf sollen Sie ihren guten Willen, ja ihr ganzes Herz ausrichten, damit diese Erholungen den Mädchen angenehm sind, damit sie nichts anderes mehr suchen, und damit sie später finden, dass ihnen die Vergnügungen, die sie bei euch hatten, für sie die süßesten und glücklichsten Erinnerungen sind. In der Tagesbeschäftigung müsst ihr ihnen dann zeigen, dass die Zeit, die der Arbeit gewidmet ist, den größten Platz einnehmen muss, dass man dem lieben Gott folgen muss, der daraus ein Gebot machte, und dass man sich nie außerhalb des Gebotes Gottes stellt, ohne dass man weder in dieser Welt noch in der anderen dafür bezahlen muss: „Wahrlicht, wahrlich,“ sagt der Herr, „ihr werdet nicht in das Himmelreich eingehen, wenn ihr nicht den letzten Denar bezahlt habt“ (vgl. Mt 5,28). Der Denar war die kleinste Münze, derer man sich in jener Zeit bediente.
Macht dies den Kindern verständlich. Setzt ihnen in den Kopf, dass das Schöne und Große der Selbstverzicht ist. Nur die Tiere verzichten nicht. Das Mädchen, das verzichtet, vollzieht einen Akt des Verstandes. Das Mädchen, das nicht verzichtet und seinen Launen folgt, ähnelt den Tieren, es handelt wie sie.
Eine strenge Erziehung macht das Leben sehr glücklich. Das Kind, das diese Erziehung erhalten hat, ist 100mal, 1000mal glücklicher als jenes, das sie nicht erhalten hat. So erweist ihr euch einen ungeheuren Dienst, wenn ihr sie streng erzieht. Es ist die Grundlage der Erziehung. Es ist kein Predigt zu halten, man soll nicht von Opfern großer Dinge sprechen, führt sie unmerklich dorthin. Und wenn sie dann fromm geworden sind, macht sie hungrig und durstig nach dem Verdienst. Veranlasst sie, die Arbeit zu lieben, lehrt sie, sich über sich selbst zu erheben, unter allen Bedingungen großherzig und mutig zu sein, selbstvergessend gut zu sein, indem sie immer den härtesten, den schwierigsten Teil annehmen, sich etwas versagen, um alle Verpflichtungen der Gesellschaft zu erfüllen, nicht von ihrer Pflicht sprechen, aber alles machen, um sie zu erfüllen. Das war ehedem die christliche Erziehung.
Was sieht man jetzt in den Familien, seit die christliche Erziehung aufhörte? Was findet man sehr oft? Die Traurigkeiten der Hölle! … In den unteren Klassen bemerkt man das weniger, man lebt materialistisch; aber in den höheren Klassen gibt es furchtbare Skandale, unergründliche Schrecken! Wenn ich euch sagen würde, was dort vor sich geht … Es ist schrecklich, es ist ein erschreckender Abgrund, den man nicht anschauen kann. Es ist nicht einmal erlaubt, daran zu denken, das ist etwas Scheußliches!
Also, meine Kinder, müssen wir versuchen, die Seelen an den Verzicht zu gewöhnen. Man muss die Kinder, die Mädchen aller Klassen, aller Lebensbedingungen daran gewöhnen. Das ist manchmal schwieriger, mit den Mädchen dorthin zu gelangen, denen die Erziehung fehlt, und die nur die materielle Befriedigung verstehen. Aber sie haben immer eine gute Seite, an der man sie nehmen kann, um sie zur Übung, zur Gewohnheit an dieses Leben des Verzichts und des Opfers hinzuführen. Man muss sich dessen bedienen, das in ihnen ist, um sie zu Gott zu führen.
Man kann nichts Wichtigeres tun als die Mädchen so zu führen. Ich wiederhole es, wenn Mgr. Mermillod hier wäre, würde er uns äußerst starke Dinge sagen. Wenn man diese Mittel, diese ernsten Grundsätze für die Jugend verwendete, hätte man nicht so traurige Ergebnisse. O, versucht es, versucht es so mit den Mädchen zu machen! Führt sie so, und ihr werdet den Erfolg sehen. Wenn ihr sie stärker, großherziger gemacht haben werdet, wenn ihr sie unmerklich zur Frömmigkeit gelangt haben lassen werdet, werdet ihr sehen, wie dankbar sie euch sein werden!
Ich weiß, dass das in unserer heutigen Zeit schwierig ist, denn jeder arbeitet im entgegengesetzte Sinn, und was man Republik nennt, ist in erster Linie eine Republik gegen den Glauben. Alles, was man derzeit Politik, Republik nennt, alle diese Dinge sind nur ein Kampf gegen das reale Prinzip des Verzichts. Es gibt einen sehr heftigen Kampf gegen alles, was vom Glauben ist, und gegen alles, was Opfer heißt. Es gibt zwei gut gekennzeichnete Parteien: die Partei unseres Herrn und die des Teufels. Alles, was zum Teufel geht, hat diesen Hang. Die einen geben ihm den einen Namen, die anderen einen anderen. Unser Herr hat nur einen Namen, er heißt Jesus Christus. Er hat nur ein Wort, das ist die Wahrheit, und alle, die ihm folgen, haben das Versprechen des Ewigen Lebens.
Meine Kinder, ich dachte, dass es während der Exerzitien angebracht ist, euch mit besonderer Sorgfalt über alle Mittel zu informieren, die in Bezug auf die Erziehung der Jugend anzuwenden sind. Wenn ihr euch mit den Kindern, den Mädchen beschäftigt, werdet ihr denken, dass es Christinnen sind. Nun, wer Christin sagt, sagt Jesus Christus. Seht ihn in Betlehem in einer armen Krippe. Betrachtet ihn: er ist da auf dem Stroh, er ist arm. In Nazaret findet ihr ihn bei der mühevollen Arbeit. Auf Calvaria im Opfer eines gekreuzigten Gottes. Das christliche Leben ist kein behagliches Leben. Muss man demnach auch den Mädchen keines geben. O nein! Unser Herr hatte auch angenehme Stunden. In Nazaret, wenn er mit der heiligen Jungfrau und dem heiligen Josef sprach, wenn er seine Mutter anschaute, dann war ihm das ein Vergnügen. Dieses Leben muss also nicht ganz ohne Behaglichkeit sein. Dennoch braucht man sich nicht zu fürchten, der Jugend eine ernste und sogar strenge Erziehung zu geben. Also ist für sie von Zeit zu Zeit eine Erholung sehr gut. Nehmt ein Kind, das ernst erzogen wurde, und gebt ihm einen Tag Erholung. Diese Erholung ist für das Kind ein größeres Glück als fünfzig andere in den Leichtfertigkeiten einer gefährlichen Erziehung verbrachte Tage. Nehmt das gut in euch auf, damit ihr als geschickte Lehrerinnen eure Ordensleitung glücklich machen könnt. Erzieht großherzige Seelen, die Mittel dazu sind sehr zahlreich.
Für die Mädchen, die fromm sind, ist die Art sie zu erziehen die, sie zu veranlassen, etwas für den lieben Gott zu machen. Zu ihnen sagt man: „Willst du nicht den lieben Gott mehr lieben? Wenn du ihn liebst, musst du das für ihn machen.“ Andere, die nicht fromm sind, die aber Verstand haben und imstande sind, zu verstehen, packt man zuerst ein wenig bei der Eigenliebe und man sagt zu ihnen: „Ich glaubte, du wärest dazu in der Lage, aber du hast nicht den Mut, das zu machen!“ Ihr beginnt mit diesen Mitteln, ihr geht dann an dieser Stelle weiter und nach und nach unter irgendeinem Umstand findet ihr die Gelegenheit, um ihnen ein kleines Wort vom lieben Gott zu sagen. Und dieses kleine zur rechten Zeit gesagte Wort ist ein Samenkorn, das man in ihre Seele wirft, und durch das der liebe Gott wirkt. Alle so erzogenen Kinder fühlen, dass man sich mit ihnen beschäftigt, dass man nicht nur die Hand für sie hat, sondern das Herz. Das fesselt sie und befähigt sie, vieles zu tun. Als man mit der heiligen Johanna Franziska von Chantal begann, den lieben kleinen Schwestern der Heimsuchung diese Erziehung zu geben, sah man in Frankreich viele sehr bemerkenswerte Frauen heranwachsen.
Meine Kinder, bringt also die ganze Erziehung eurer Mädchen zu Gott zurück. In den Hinweisen, die ihr ihnen zu geben habt, müsst ihr immer zu den übernatürlichen Motiven kommen und das wollen. Wenn die Kinder die schwierigen Dinge nicht aus einem Motiv der Frömmigkeit machen, muss man beginnen, sie bei der Eigenliebe zu packen und ihnen sagen: „Ihr habt die Kraft und die Mittel, und ihr habt auch den Mut zur Selbstverzicht!“ Dann – ich wiederhole es – muss man sie nach und nach dazu bringen, für den lieben Gott zu handeln.
Das sind, meine Kinder, einige Ratschläge, die ich euch gebe, einige Gedanken, die ich in eure Herzen werfe, damit sie dort keimen. Bildet so Seelen für unseren Herrn. Und wenn euch Gott eines Tages zu sich rufen wird, und diese Seelen, denen ihr geholfen und die ihr gebildet habt, werden auch bei ihm sein und sich um euch herum vereinen, um eure Krone zu sein, die Krone der heiligen Nächstenliebe. O, ihr werdet eine unendliche Freude empfinden! O, welche Freude wird dass dann für euch sein! Ihr werden den loben, der euch das Glück gegeben haben wird, diese Seelen auszubilden. Das Glück einer jeden von ihnen wird eures verhundertfachen und euch während der ganzen Ewigkeit glücklich machen! Amen.