Exerzitienvorträge für die Oblatinnen 1877

      

3. Vortrag: Über die Gewissenserforschung bezüglich der Sakramente und der Übung der Gelübde der Armut und des Gehorsams

Mittwoch Vormittag, 12. September 1877

Meine Kinder, um zu dem zu gelangen, was ich euch gestern Abend über die Heiligkeit, die Größe eurer Berufung sagte, müsst ihr eine sehr reine Seele haben, entweder weil sie nicht sündigte, den lieben Gott nie schwer beleidigte, oder weil sie durch das Sakrament der Buße gereinigt wurde.
Zu Beginn der Exerzitien ist es also notwendig, unsere Seele so zu reinigen, damit wir am Ende der Exerzitien verdienen können, dass unser Herr in uns diese Seligpreisung verwirklicht: „Selig, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott schauen“ (Mt 5,8).
Um Gott zu schauen, müssen wir ein reines, sehr reines Herz haben. Wir müssen unsere Herzen, unsere Seelen reinigen, sehr ernst unser Gewissen erforschen. Um diese Erforschung gut zu machen, gibt es ein wunderbares Mittel, im Vorhinein unserem Herrn zu bekennen, ihm ein sehr herzliches, sehr offenes Bekenntnis abzulegen. Man sieht mit ihm, was man gemacht hat, man bittet ihn um seine Gnade, sein Licht. Bittet ihn, meine Kinder, er möge eure Seele erleuchten, euch sagen, unter welchen Umständen ihr gegen das Versprechen der Liebe gefehlt habt, das ihr ihm gegeben habt. Das festzustellen ist sehr bitter! Er wird es euch zeigen, ihn werdet ihr um Verzeihung bitten und ihr werdet ihm versprechen, ihn in Zukunft nicht mehr zu beleidigen. Diese herzliche Art, unserem Herrn zu beichten, ist für unseren Geist, für unsere Seele äußerst günstig.
Macht also bei unserem Herrn eine sehr herzliche, sehr liebevolle Gewissenserforschung. Ihr sprecht mit ihm, ihr werdet ihn bitten, euch gute Vorsätze einzugeben, euch zu zeigen, was ihr machen müsst, um in Zukunft besser zu handeln. Ihr geht in eurem Gedächtnis die Punkte der Regel durch, in denen ihr am wenigsten treu gewesen seid.
Meine Kinder, um diese Erforschung gut zu machen, ist es gut zu sehen, welche unsere Gelübde, unsere Verpflichtungen und auch unsere Neigungen sind. Die Gebote Gottes sind die allgemeine Regel aller Christen; aber unsere Erforschungen betreffen weniger die Gebote Gottes als unsere täglichen Verpflichtungen, unsere Fortschritte in der Tugend sei einem Jahr. Wir müssen auch über die Sakramente nachdenken. Es ist gut, darüber nachzudenken, mit welchen Anlagen wir sie empfangen haben.
Wie haben wir, meine Kinder, unsere Bekenntnisse in der Beichte gemacht? Und die, welche wir nicht gut genug gemacht haben, ist dies ein Mangel an Aufrichtigkeit oder an Bedauern, ist es ein Mangel an guten Vorsätzen? Wie viele Seelen hätten durch ein einziges diese Bekenntnisse gerettet werden können! Wenn eine einzige der Absolutionen, die wir empfangen haben, diesen unglücklichen Seelen gewährt worden wäre, die nicht beichten wollen oder können, und die auf dem Totenbett liegen, nahe daran vor Gott zu erscheinen, hätte diese Absolution genügt, um sie zu retten. Wie viele Seelen hätten durch diese Absolution gerettet werden können, die wir so kalt empfangen haben!
Sehen wir, wie wir die Heilige Kommunion empfangen haben. War es mit Liebe, lieben wir wohl die Heilige Kommunion? Bereiten wir uns darauf vor, wie es das Direktorium angibt? Gehen wir zur Kommunion mit den Zuneigungen, die uns vom heiligen Franz von Sales empfohlen werden? Bringen wir zur Heiligen Kommunion das heilige Feuer, die notwendigen Anlagen? Woran liegt es, wenn wir kalt sind, so wenig Mut haben? Es fehlen uns nicht die Hilfen. Dort in diesem Tabernakel finden wir die Fülle! … Warum gehen wir nicht zum Martyrium unserer selbst? Warum gehen wir nicht zum Tod unserer geringsten Neigungen? Weil wir nicht gut die Kommunion empfangen. Lassen wir nicht während der Danksagung unsere Gedanken, unsere Blicke gehen, wohin sie wollen? Nach der Kommunion muss alles schweigen, alle unsere Gedanken, unsere Regungen müssen sich in unserem Herzen um unseren Herrn sammeln und ihm Ehre erweisen. Dann ist alles in uns gesammelt, alles sagt uns, dass der Herr da ist.
Wir haben wir unsere Gelübde erfüllt? Diejenigen, die ihre Gelübde nicht gemacht haben, sind Novizinnen und Postulantinnen. Was ist der Grund, dass man mehrere Jahre wartet, ehe man seine Gelübde ablegt? Weil man in dieser Zeit lernt, sie zu üben. Wenn es nicht aus diesem Grund wäre, könnte man sie gleich am Tag nach ihrem Eintritt ins Kloster ablegen. Denn wenn man sich einmal entschlossen hat, sich dem lieben Gott zu schenken, ändern man sich nicht, wenn man nicht seinen Mantel nach dem Wind hängt. Wenn man seine Gelübde abgelegt hat, hat man Verpflichtungen zu erfüllen. Man muss die Gelübde der Armut, des Gehorsams und der Keuschheit üben.
Meine Kinder, was ich euch sagen werde, betrifft alle. Die Professen müssen ihre Gelübde unter Androhung von Sünde üben. Die anderen unter Androhung des Verlustes ihrer Berufung. Würden sie es nicht tun, wären sie wie ein Reisender, der seinen Weg verloren hat und in einen Abgrund stürzt. Also müsst ihr alle euer Gewissen bezüglich der Armut, des Gehorsams und der Keuschheit erforschen.
Zuerst die Armut. O liebe Armut! Sind wir wirklich im Geist, im Herzen arm? Unser Herr hat gesagt: Selig, die Armen im Geist (Mt 5,3). Achtet auf die Armut im Geist. Eine Nonne muss bestimmt sein, dies oder jenes nicht zu suchen. Sind wir wirklich arm? Hängen wir an etwas? Waren wir zufrieden – nicht mit einer natürlichen Zufriedenheit -, dass uns dies oder jenes fehlt? Litten wir gerne in unseren Schuhen, unserer Kleidung? Haben wir den Geist der Armut in uns? Haben wir bei der Arbeit Zeit verloren? Es ist ein sehr großer Fehler für eine Nonne, Zeit zu verlieren. Es ist die Zeit vor Gott, denn die Zeit gehört Gott. Das Ordensleben ist ein Leben der Arbeit. Es ist ein arbeitsreiches Leben, es ist das Leben eines Menschen, der sich sein Brot verdient. Es ist das Leben unseres Herrn in Nazaret, es ist das Leben der heiligen Jungfrau. Sehen wir alles, was wir uns zum Thema Armut vorzuwerfen haben.
Jetzt der Gehorsam. Habt ihr wohl den Geist des Gehorsams? O, ich will euch nicht erschrecken, aber diejenige, die sehen will, möge sehen, und diejenige, die verstehen will, möge verstehen. Unser Herr wird die Seele ausreißen, die nicht gehorsam sein will. Er wird sie beiseite werfen, bis sie es wird, und wenn sie es verweigert, wird er sie bei Bedarf aus der Gemeinschaft ausreißen. Arme Seele, wohin wird sie gehen? O, wenn das Erbarmen Gottes nicht da wäre, wenn diese Seele nicht die Gebete der Kirche als Hilfe hätte, wenn sie nicht alle diese Hilfen hätte, würde sie Gefahr laufen, sich zu verlieren. Meine Kinder, ich fürchte mehr einen Fehler gegen den Gehorsam als jeden anderen.
Warum, o mein Gott, bist du so streng? Warum strafst du uns selbst? O, weil du uns liebst, weil du der sehr eifersüchtige Gott unserer Seelen bist. Nennt dich nicht die Heilige Schrift einen eifersüchtigen Gott (vgl. Ex 20,5)? Deshalb willst du, dass unsere Gelübde völlig eingehalten werden. Deine Eifersucht auf uns ist sehr groß! Wenn sich diese Eifersucht entzündet, bist du der schreckliche Gott, weil du in deiner Liebe enttäuscht wurdest.
O meine Kinder, fürchtet sehr, gegen eure Gelübde zu fehlen! Klagt euch der geringsten Fehler an, die sich auf den Gehorsam beziehen, oder auf die Regel, die Oberin. Ihr müsst der Generaloberin, der örtlichen Oberin, der Amtsschwester eurer Beschäftigung untertänig sein. Ihr schuldet den Gehorsam der Generaloberin für alles, was die Kongregation betrifft. Die strengsten und schwersten Strafen sind vom Gesetz der heiligen Kirchen den Nonnen vorbehalten, die nicht gehorsam sind. Die Generaloberin hat das Amt der ganzen Kongregation. Sie verordnet, sie befiehlt, aber in den Grenzen der Ordensregel. Sie könnte von ihr diesen oder jenen Punkt nicht ändern, sie könnte im Haus keine größeren Arbeiten ausführen lassen, ohne den Rat der Gemeinschaft einzuholen. Ihr schuldet ihr Achtung, Zuneigung und Abhängigkeit, sonst würde unser Herr die Axt nehmen und die trennen, die nicht unterwürfig sein möchten.
Zu diesem Thema bekam ich schreckliche Beispiele, so dass ich sehr darauf achte, den Gehorsam nicht zu sehr zu steigern, den ich selbst geben muss, denn ich weiß, wie sehr Gott straft, wenn er Gehorsam nicht befolgt wird. Ich weiß, wie sehr er straft, wenn das Befohlene nicht gemacht wird. Es tut nichts zur Sache, ob er von dieser oder jener Person kommt. Ich weiß, wie streng der liebe Gott ist und wie er für den befohlenen Gehorsam Partei ergreift.
Ja, meine Kinder, für die, die versucht werden, dem Gehorsam nicht nachzukommen, hätte ich zu diesem Thema schreckliche Beispiele, die sie die Wichtigkeit des Gelübdes des Gehorsams verstehen lassen, aber ich kann nicht darüber sprechen, die Vorsicht und die Liebe verbieten es. Ich erkläre es euch nur vor unserem Herrn, den ich als Zeugen für die Wahrheit meiner Worte nehme … nun, meine Kinder, nehme ich unseren Herrn schon mehrmals als Zeugen. Wenn ich es mache, so damit ihr von der Wahrheit meiner Worte mehr überzeugt seid. Ich erkläre euch also, dass diese Verfehlungen im Gehorsam gegenüber der Generaloberin, der örtlichen Oberin und die Amtsschwester vom Dienst von Gott streng bestraft werden.
Ihr werdet mir sage: „Mein Vater, das ist hart!“ Ja, das ist hart, und dennoch möchte ich, dass unser Herr euch noch strenger behandelt, dass er noch härter, noch strenger ist. Wenn ich so zu euch spreche, meine Kinder, mache ich das deshalb, weil ich eure Seelen nicht liebe? Nein, aber ich weiß, je strenger unser Herr mit euch ist, desto mehr kommt die Strenge von seinem Herzen, sie ist die Auswirkung der Liebe, die er euch entgegenbringt.
„O Herr, ein einziger Blick von dir verschließt unsere Wunden, ein einziges Wort von dir heilt unsere Seelen! Hättest du uns vernichtet, zu Staub gemacht, wir würden dich immer lieben, wir wüssten, dass du so handelst, weil du uns liebst, das genügt uns. Wer gut liebt, straft gut. Herr, wir wollen unseren ganzen Eifer daran setzen, unsere Gelübde zu üben, um am Licht deines Gesichtes und am Glück dich von Angesicht zu Angesicht zu sehen teilzuhaben!“
Diese Lehre ist ganz Liebe, meine Kinder. Wir werden also sehr fürchten, unseren Herrn zu ärgern. Wenn man liebt, fürchtet man sehr, Schmerz zu bereiten.
Ich möchte eure Aufmerksamkeit, euer Gedächtnis nicht ermüden, denn ich wünsche mir sehr, dass ihr euch all das merkt, daher werde ich aufhören. Ich wollte für euch eine Gewissensprüfung machen, und da habe ich ausführlich über die ersten zwei Gelübde gesprochen und habe euch noch nichts über das Gelübde der Keuschheit gesagt, aber ich werde euch heute Abend davon erzählen und ich werde dann eure Gewissensprüfung fortsetzen. Ihr werdet euch schon über die Sakramente und die Gelübde der Armut und des Gehorsams prüfen.
Versteht es, meine Kinder, ich sagte euch gestern, dass der heilige Franz von Sales wollte, dass unser Leben eine völlige Nachahmung des Lebens unseres Herrn ist. Er wollte, dass unser Gesicht den Ausdruck seines Gesichtes hat, dass wir die Handlung seiner Handlung, der Gedanke seines Gedankens sind, dass wir seine Mine, seine Art zu handeln, zu sprechen haben, dass wir das Lebens seines Lebens sind, dass unser Leben mit seinem nur ein einziges Leben ist. Staunt also nicht, wenn der geringste Fehler gegen den Gehorsam unseren Herrn so sehr missfällt. Es ist, ich wiederhole es, weil er auf unsere Liebe eifersüchtig ist. Wer sehr liebt, hat diese Eifersucht. Fürchtet sehr, diese göttliche Eifersucht zu verletzen, denn Gott würde an euch Rache üben. „Räche dich, Herr, für alle unsere Fehler des Ungehorsams, räche dich, damit wir gehorsamer, abhängiger denn je sind.“
Meine Kinder, man darf nie etwas gegen den Gehorsam sagen. Es spricht die Generaloberin, man unterwirft sich. Es ist die örtliche Oberin, die Amtsschwester, man unterwirft sich wieder. Warum? Weil ihr Nonnen seid, weil ihr die Kinder des heiligen Franz von Sales seid, weil ihr ein vollkommenes Leben führen sollt. Eure Ordensregel verpflichtet euch nicht zu großer Strenge, ihr tragt nicht den Bußgürtel, ihr haltet kein außergewöhnliches Fasten, der Gehorsam soll eure hauptsächliche Abtötung, euer Büßerhemd, euer Bußkleid sein. Der Gehorsam ersetzt für euch die in einigen Orden übliche geschmacklose Nahrung. Unser seliger Vater [Franz von Sales] sagte, dass es weniger schwer ist, seinem Magen ein Pfund Brot vorzuenthalten als sich einer Würze seines eigenen Willens zu entsagen.
Möge euch unser Herr den Teil der Wahl, der euch zugefallen ist, verstehen lassen, den Teil des heiligen Franz von Sales. Möge er ihn euch gut verstehen, gut lieben lassen. Und dann wird er euch auch gut lieben, und ihr werdet sehen, wie er es euch gut fühlen lässt.
Ich schien euch, meine Kinder, ohne Zweifel streng in dem, was ich euch sagte. Nun ja, ich bin es und ich werde es immer sein. Seid es auch zu euch selbst, und ihr werdet im Frieden, im Glück, in der Glückseligkeit schwimmen. Je mehr unsere Freiheit an den göttlichen Willen gebunden ist wie die der Engel im Himmel, desto edler und glücklicher ist sie. Macht diese Erfahrung! Wenn ihr euch bemüht, nicht das Leben von euch selbst zu leben, werdet ihr sehen, ob jemand glücklicher ist als ihr. „Aber“, werdet ihr mir sagen, „dieses Leben kostet viel!“ Ja, meine Kinder, doch liebt es, dieses Leben. Ich sage es euch im Auftrag unseres Herrn, von der heiligen Jungfrau. Und wenn ihr macht, was ich euch lehre, werden ihre Versprechen erfüllt werden.
Unser Herr, der bis zum Tod und bis zum Tod am Kreuz gehorsam war, möge euch dies gut verstehen und ausüben lassen. Amen.