5. Vortrag: Über die Beichte
Mittwoch Vormittag, 13. September 1876
Meine Kinder, gestern sagte ich euch, wie ihr eure tägliche Gewissenserforschung machen müsst, wie ihr die Gewissenserforschung und die Vorbereitung auf die Beichte machen müsst. Heute will ich die Art darlegen, wie ihr gut beichtet.
Um gut zu beichten, muss man es einfach, kurz und andächtig machen.
Einfach: Wir dürfen nicht versuchen, unsere Fehler zu verstecken, zu verschleiern, zu verbergen. Ihr müsst sie klar sagen. Es müssen unsere Lippen wie unsere Seele sprechen, um uns von unserem Beichtvater gut erkennen zu lassen. Damit er nicht Gott um das Geheimnis unserer Seele bitten muss, müssen wir es ihm sagen.
Meine Kinder, wenn ihr eure Fehler gut erforscht und die Art, sie zu sagen, gut gesucht habt, braucht ihr im Beichtstuhl einfach darzulegen, was ihr in eurer Gewissenserforschung vorbereitet habt. Die Beichte ist keine Geschichtsstunde, zu der man hinzufügt, was man will, um sie zu verschönern. Man muss einfach und herzlich beichten, ohne sich selbst zu suchen. Wenn man sich anklagt, soll man nicht nach Ausdrücken suchen, die die Fehler überdecken. Die Beichte ist einfach, wenn man sie ohne Eigenliebe, ohne jeglichen Blick auf sich selbst macht. Wir müssen wohl darauf achten, dass wir jedes Mal, wenn wir beichten, ein Sakrament empfangen, und dass es in seinen Wirkungen dem Sakrament der Eucharistie ähnlich ist, da wir im Sakrament der Buße dieselbe Zuwendung der Verdienste unseres Herrn, seines Blutes und seines Herzens empfangen. Mögen wir also sehr einfach beichten, unsere Anklage nicht mit Geschichten belasten oder durch Rückkehr zu uns selbst und nicht anderen die Schuld für unsere Fehler geben.
Man muss auch den Versuch vermeiden, der uns glauben lässt, dass unser Beichtvater finden wird, dass wir gut beichten. Es wäre ein Unglück, ein Elend, Eitelkeit aus einer Handlung zu ziehen, die uns erniedrigen, demütigen soll. Diese Art sich anzuklagen wäre einer Nonne unwürdig. Ihr kommt nicht zur Beichte, um eure Fehler zur Schau zu stellen. Also kein Blick auf euch, nichts von diesen Albernheiten. Mögen eure Seelen groß und einfach sein. Der heilige Franz von Sales will keineswegs, dass ihr kleine, weinerliche Mädchenseelen habt, sondern dass ihr stark, großmütig, von Kleinkrämerei verschont, über euch selbst steht. Ihr sollt also einfach beichten.
Meine Kinder, man muss es auch kurz machen, wie ich euch gestern gesagt habe. Aber bei den Exerzitien muss man sich die nötige Zeit nehmen, weil man da einen Jahresüberblick macht. Bei Professexerzitien macht man einen Generalüberblick. Es muss die Beichte also länger sein. Die Zeit ist nicht eingeschränkt. Man kann Schwierigkeiten, große Versuchungen haben. All das bedarf einer längeren Erklärung, aber das trifft selten zu. Gewöhnlich soll die Beichte kurz sein, nicht so kurz, dass sie uns Fehler beschneiden lässt, vor allem schwere, denn dann wäre die Beichte nicht vollständig, sie könnte sogar ein Sakrileg werden. Um beim Beichten kurz zu sein, soll man sich nicht durch unnötige Worte selbst suchen, man soll in die Anklage seiner Fehler nichts einfließen lassen, das nicht dazu passt und unnötig ist. Man muss sehr aufrichtig und ernst beichten, sehr demütig sein, sehr ausgelöscht, ohne jegliche Nachforschung, ohne Albernheit und vor allem ohne Niedrigkeit. Unter Niedrigkeit verstehe ich diese Nichtigkeiten, diese engherzigen Nachforschungen über sich selbst, die schon bei weltlichen Personen bedauerlich wären, aber unwürdig bei einer Nonne.
Es muss die Beichte also kurz sein, aber ein Mal kann sie auch länger sein. Aber auch wenn sie länger ist, sollen wir den Charakter unserer Fehler nicht überdecken, indem wir Elend einmischen, das unsere Anlagen verdirbt und den lieben Gott hindert, uns die vollen Verdienste des Sakramentes zuzuwenden.
Schließlich muss man andächtig beichten. Man soll sich nicht anklagen, als würde man eine Geschichte erzählen, oder es hinter sich bringen, in dem man seine Fehler sagt, um sich davon zu befreien und dann in demselben Zustand bleiben. Ihr müsst andächtig sein euch selbst gegenüber, eure Seele liebevoll darauf vorzubereiten, mit der Absolution die Zuwendung der Verdienste unseres Herrn empfangen. Schaut auf den Heiland, meine Kinder. Er hängt am Kreuz im grausamsten Todeskampf, nicht nur seines Körpers sondern auch seiner Seele. Er beklagt sich: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Er stirbt. Warum? Um für uns die Vergebung unserer Sünden zu erhalten. Ihr werdet das nicht vergessen, indem ihr euch im Geist der Demut am Fuß des Kreuzes niederwerft. Seid andächtig vor Gott.
Seid auch andächtig vor eurem Beichtvater. Wenn ihr beichtet, tut es mit diesem Gefühl des Glaubens und der Frömmigkeit, das euch im Priester den Vertreter Gottes bei diesem Gericht zeigt. Hört aufmerksam, was er euch sagt. Wenn ihr eure Regel gut erfüllt, wenn ihr mit religiösem Eifer beichtet, werdet ihr für euch Gnaden und Erleuchtung erlangen. Vergesst nicht, für euren Beichtvater zu beten. Empfehlt ihn dem Herzen unseres Herrn, damit Gott ihm Gnade und Erleuchtung schenkt. Geht nicht ohne Vorbereitung und geistlicher Sammlung beichten, und ihr werdet immer das nötige Licht finden.
Ich habe es euch sehr oft gesagt, meine Kinder, ich habe auf meinen verschiedenen Reisen gefunden, was mir entsprach, weil der liebe Gott auf die Lippen des Beichtvaters legt, was uns gesagt werden muss. Habt also große Achtung, während er zu euch spricht, erhebt euer Herz zu Gott, damit er euren Beichtvater inspiriert. Und was er euch sagen wird, wird euch äußerst nützlich sein.
Wenn ihr auf diese Weise beichtet, wird euch unser Herr die Gnaden, die Verdienste seines Lebens, seines Todes und seines Blutes zuwenden, er wird euch eure Fehler verzeihen, er wird euch mit seinem letzten Blick, seinem letzten Herzschlag verzeihen. Versteht das, und möge die Beichte für euch wohl das Sakrament der Versöhnung sein. Die Demütigung ist für uns keine Erniedrigung, sie erhebt uns, da das Sakrament die Vereinigung unserer Seele, unseres Herzens mit dem lieben Gott bewirkt.
Meine Kinder, so soll eine Oblatin beichten. Möge sie zum heiligen Gericht die Einfachheit, diese Demut bringen, die ihr eigener Charakter sein woll. Seid überall Nonnen, aber vor allem im Beichtstuhl. Ich empfehle es euch mit der ganzen Kraft meiner Seele. Würde jedermann gut beichten, wäre das Paradies auf Erden. Das Sakrament der Buße bringt nicht nur die Sünden in Ordnung und reinigt unsere Seelen, sondern stärkt sie auch in der Tugend; sie verwandelt in uns die Quelle des Bösen in die Quelle des Guten. Der Priester sagt es mit den Worten der Absolution: „Möge alles, was du gelitten, alle Mühe, die du ertragen hast, für dich eine Quelle der Erlösung sein und sich in Verdienste für das ewige Leben verwandeln.“ Durch die Worte des Sakramentes lässt der Priester alle Verdienste unseres Herrn wieder aufleben, die wir durch unsere Fehler verloren haben. Wenn die Verdienste des Heilands an uns nicht mehr anwendbar sind, dienten uns unsere Leiden zu nichts. Das wäre wie eine verlorene Münze. Wir hätten keinen Anteil daran. Wie sehr müssen wir also das Bußsakrament schätzen, das nicht nur unsere Fehler in Ordnung bringt, sondern auch die Verdienste wieder aufleben lässt, die wir nicht mehr nutzen konnten.
Heute, meine Kinder, habt ihr eure Beichte zu machen. Ihr werdet zuerst über die Sakramente beichten, dann über die Gelübde – die unter euch, die sie abgelegt haben – und ihr werden dann der Tagesordnung folgen. Klagt so gut die Fehler an, die ihr in diesem Jahr gegenüber Gott und den Nächsten begangen habt. Bittet unseres Herrn, der für uns am Kreuz gestorben ist, dass wir die Gnaden des Bußsakramentes gut nützen.
Meine Kinder, hört mir gut zu: ihr seid noch nicht Nonnen genug. Achtet darauf! Wir haben oft nur den Geist der Unbeständigkeit und der Gleichgültigkeit. Es ist nichts in unserem Herzen. O, wie ist das schlecht! Soll ich euch sagen, warum? Nun gut! Ich werde euch das Geheimnis sagen: es ist, weil ihr nur in euch, für euch selbst lebt. Denkt nach, was habt ihr bis jetzt gesucht? Euch selbst. An wen habt ihr gedacht? An euch selbst. Wen habt ihr geliebt? Euch selbst. Für wen habt ihr gehandelt? Für euch selbst. Warum seid ihr verärgert? Weil ihr nicht bekommen habt, was ihr wolltet. Ihr wollt oft sein, wo ihr nicht sied, Wenn euch also der liebe Gott lässt, braucht ihr euch nicht zu beklagen. Wenn ihr nichts habt, wenn ihr bei der Heiligen Messe, bei eurer Kommunion und Betrachtung nichts empfangt, so ist das, weil ihr nichts gebt. Wie soll der liebe Gott etwas in das Gefäß eurer Seele geben, da ihr es ganz mit euch selbst gefüllt habt? Das ist unmöglich, der liebe Gott kann nichts anderes hineingeben.
O, möge man sich wohl vor dem Geist der Sorglosigkeit hüten, möge man sich vor dem Geist hüten, der nur sich selbst wertschätzt. Überdenkt das gut, meine Kinder, die Betrachtung wird es euch verständlich machen. Die mit sich selbst erfüllte Seele ist wie ein Pflaster. Auf einem Pflaster hält nichts, das Wasser fließt darüber, und wenn man die besten Samen darauf streute, würden sie keine Wurzeln fassen, sie würden von den Füßen der Vorübergehenden zertreten oder von den Vögeln des Himmels gefressen werden.
Warum sind wir so? Weil wir nicht christlich genug erzogen wurden. Wir haben nicht gelernt uns zurückzunehmen. Wir haben in unseren jungen Jahren unseren Katechismus nicht gut gelernt. Und seither lebten wir ohne die großen Gedanken des Glaubens, ohne die Liebe zu den göttlichen Dingen. Versteht das gut, und jede möge ihre inneren Anlagen erforschen. Sehen wir, warum wir so sind, warum wir keine Unterordnung haben. Und wenn wir den Geist noch voll von uns selbst haben, räumen wir das alles aus!
Meine Kinder, bittet unseren Herrn, der das Licht ist und die Intelligenz unserer Herzen, er möge euch die Gnade verleihen zu verstehen, was ich euch soeben gesagt habe, um es gut zu nützen. Amen.