Exerzitienvorträge für die Oblatinnen September 1874

      

5. Vortrag: Über den Eifer für das Heil der Seelen

Mittwoch Vormittag, 16. September 1874

Meine Kinder, nachdem ich über die Gelübde gesprochen habe, die eigentlich eure persönlichen Verpflichtungen sind, werde ich heute eure Aufmerksamkeit und eure Liebe auf eure Pflichten in Bezug auf die Seelen lenken, die euch anvertraut sind.
Ihr wisst sehr wohl, als Mgr. Mermillod kam, um unseren ersten zwei Schwestern in dieser Kapelle den Schleier zu geben, sagte er ihnen, sie sollen die Hilfskräfte des Klerus sein, Apostel der Kirche, sie sollten einen Orden bilden, der besteht, um zu helfen, das Reich Jesus Christi in den Seelen zu begründen. Eure Gelübde sind gemeinsam mit allen Ordensgemeinschaften, mit allen, die sich Gott schenken. Aber es ist euer besonderes Ziel, am Heil der Seelen zu arbeiten, die Zahl der Kinder der heiligen Kirche zu steigern, die Seelen bei Gott zu halten, in ihnen den Glauben, die Hoffnung und die Liebe zu mehren. Das ist eine Verpflichtung für euch, ihr habt das im Besonderen; ihr seid dazu bestimmt, dem Klerus beizustehen, der Kirche Gottes bei der Bekehrung der Seelen zu helfen. Es ist ein vollständiges Amt, das euch anvertraut ist. Ihr müsst Seelen gewinnen, ob ihr mit den Händen arbeitet oder unterrichtet, ob ihr mit dem Haushalt beschäftigt seid oder ob ihr leidend seid. Jede einzelne geht nur auf das eine und dasselbe Ziel zu: das Heil der Seelen. Ihr müsst euch in euren Gebeten damit beschäftigen. Betet nicht allein für euch, betet eher für die Seelen als für euch selbst. Betet für die Oblaten, betet für ihre Werke. Betet für jedes der Kinder, die euch anvertraut sind, für die ihr sorgt, euch kümmert. Sie sollen euer Gebet, die Wohltat dieses Gebetes fühlen, das erstaunliche Dinge bewirkt. Betet für sie bei der Heiligen Messe, beim Gebet, bei der Betrachtung, bei euren Kommunionen. Ihre werdet also gut beten. Wenn ihr diese oder jene Person bezeichnet, die euch anvertraut ist, werdet ihr unserem Herrn sagen: „Herr, gib mir diese Seele, damit sie dir gehört.“ Ihr werdet euch nahe dem Herzen unseres Herrn, nahe der heiligen Jungfrau aufhalten.
Meine Kinder, seht die Verpflichtung, in der ihr seid, für die Seelen zu beten. Beschränkt euch dann nicht darauf für sie zu beten, sondern umgebt sie mit Fürsorge und Liebe. Hört gut zu, was ich euch sagen werde. Es soll der Eifer, den ihr für die Seelen habt, keine Suche euer selbst, eures Herzens, eurer Gefühlswelt sein, es soll nicht der Freude zu befehlen, zu beherrschen dienen, oder dazu das Vertrauen, die Zuneigung der Seelen zu gewinnen. Hört das wohl, meine Kinder. Ich weiß wohl, dass ihr mir zuhört. Wenn ich das Wort zuhören so oft wiederhole, so ist das wegen der Wichtigkeit, die ihr allem beimessen sollt, was ich euch sage. Hört das also gut. Eure Liebe muss in Gott sein. Es ist eines zu bemerken: Gott ist sehr eifersüchtig auf die Seelen, die ihm gehören. Jedes Mal, wenn man durch den Wunsch nach natürlicher Zuneigung Seelen an sich bindet, schadet man ihnen und zieht den Fluch Gottes auf sich. Man verliert die Gabe Gottes in ihnen und macht sie unfähig für das Gute. Jedes Mall, wenn man versucht, sie sich anzueignen, macht man ihnen mehr Böses als Gutes.
Aber kann man die lieben, um die man sich für Gott annimmt? Ja, und mehr als man sich vorstellen könnte, da wir sie für Gott lieben. Heißt das, dass wir die kleinen Kinder nicht lieben können? Doch, aber in Gott. Ihr versteht mich wohl. Es sind die ganz menschlichen Freuden des Herzens verboten, denn sie erzeugen bewegliche, fantastische, nach wenig Wert strebende Charaktere. Das macht schlechte Arbeit. Jedes Mal, wenn es sich um diese Dinge handelt, sucht, wie Gott will, dass ihr handelt und er wird euch erleuchten. Wenn wir uns zu besonderen Zuneigungen, zu Vorlieben hinreißen lassen, ist das ein Punkt, der die Keuschheit betrifft. Macht euch davon frei, sonst macht ihr nicht eure Arbeit, ihr seid keine Dienerinnen des Herrn, ihr seid Dienerinnen eures Geistes, Dienerinnen eures Willens. Ihr werdet mir sagen: „Aber das ist sehr schwer!“ Ich weiß wohl, dass es schwer ist; oder eher, das ist keineswegs schwer, wenn man wirklich eine Nonne ist, wenn man sehr treu ist und betet. Sonst macht man nichts, und manchmal kommt man sogar in Gefahr. Ihr unterhaltet die Seelen in der Eigenliebe, ihr habt keine Tugend, keine Nächstenliebe, nichts. Gott gibt die Grundlagen. Legen wir göttliche Grundlagen in die Seelen. Dazu treten wir selbst immer zur Seite.
Ich sage nicht mehr darüber. Ich werde heute Abend weiter zu diesem Thema sprechen. Man muss sich aus Liebe um die Seelen kümmern. Bedenkt wohl, meine Kinder, dass ihr sie vor Gott in einer großen Lösung von euch selbst lieben sollt. Wenn das Gute in den Seelen entsteht, so machen nicht wir es sondern Gott. Wir sind nicht der liebe Gott, wir nehmen ihm sein Gut, wenn wir die Seelen für uns lieben. Es ist ein Raub, den wir Gott zufügen oder zumindest verlieren wir unsere Zeit. Wir führen Luftschläge aus, wir schlagen mit Stöcken ins Wasser und was uns bleibt ist nichts. Ihr wisst, wenn man ins Wasser schlägt, nimmt es sehr schnell seine übliche Form wieder an.
Meine Kinder, halten wir uns in der Gottesfurcht, in der Furcht vor seiner Gerechtigkeit, in der Furcht ihm zu missfallen. Halten wir uns in unsrer Berufung, in der Dankbarkeit, gerufen worden zu sein, um viele Seelen retten zu können, unsere ewige Krone zu verdienen und zu verschönern. Ich sage es euch von Seiten unseres Herrn. Amen.