Exerzitienvorträge für die Oblatinnen September 1874

      

3. Vortrag: Über die Gewissenserforschung (Fortsetzung)

Dienstag Vormittag, 15. September 1874

Heute, meine Kinder, werden wir ganz besonders die drei Gelübde betrachten. Wie ich euch gestern sagte, werden wir unsere Seelen prüfen, um zu sehen, ob sie auf der Höhe der göttlichen Forderungen sind, ob wir diese drei Gelübde ordnungsgemäß erfüllt haben, die unsere Seelen so eng mit Gott verbinden, denn Gott, der nichts braucht, will sich mit uns so eng verbinden, dass wir nur eine Person mit ihm bilden.
Durch welches Mittel will sich Gott so vollkommen mit uns vereinen? Durch die Übung der drei Gelübde. Die Professschwestern müssen sie üben, die Novizinnen und die Postulantinnen sind nicht dazu verpflichtet durch ihre Versprechen, aber um ihrer Berufung zu entsprechen und im Hinblick darauf, was Gott von ihnen verlangt; denn wenn sie sie nicht verstehen, wenn sie sie während ihres Noviziates nicht einhalten, werden sie gewohnt sein, über Vieles hinwegzugehen, viele Punkte der Ordensregel vernachlässigen, ohne sich darüber Rechenschaft zu geben.
Als Stoff eurer Erforschung werdet ihr also besonders über die drei Gelübde nachdenken. Diese Gelübde bilden die Grundlage der Beichte der Nonne. Man denkt nicht genug daran. Man beichtet wie in der Welt; man beichtet, seine Ordensübungen vernachlässigt zu haben. Das ist nicht genug, denn das ist nicht so schwer wie Fehler gegen die drei Gelübde zu begehen. Ihr seid verpflichtet, diese Fehler zu beichten, denn da ihr jetzt Nonnen seid, sind die Gelübde für euch drei Arten von Geboten, die zu den zehn Geboten hinzugefügt sind.
Ihr müsst, meine Kinder, prüfen, ob ihr den Geist des Gehorsams habt; ob euer Wille, ob eure Seele sich ergeben will, nicht nur, wenn euch das gefällt, sondern jedes Mal, wenn euch der Gehorsam gegeben wird. Ihr müsst gehorchen wie euer göttlicher Meister, der bist zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz gehorsam war.
Jetzt für die Armut. Wir sind elend, wenn wir nicht den Geist der Armut haben. Unser Herr war arm, der heilige Josef war warm, die großen Heiligen besaßen nichts. Der Heilige Franz von Assisi sagte: „O, die Armut ist so schön, dass Gott Vater seinen Sohn auf die Erde sandte, um sie zu üben, um alles zu entbehren.“ Lieben wir, was arm ist, wenden wir uns liebevoll allem Kleinen zu, lieben wir die arme Nahrung, die Gegenstände, die nicht schön sind, seien wir sehr glücklich, wenn uns etwas fehlt, lieben wir das Verlassene.
Die Keuschheit. Trennen wir uns von alle, was wir selbst sind, von unserem Suchen, unseren Neigungen. Machen wir das wohl. Bieten wir Gott reine Herzen an, einen keuschen Willen, der nur ihn sucht.
Ihr werdet euch also ordnungsgemäß über die drei Gelübde erforschen. Bittet unseren Herrn, er möge euch helfen, sagt ihm: „Lass mich erkennen, worin ich bezüglich Armut, Gehorsam und Keuschheit am öftesten fehle. Herz Jesu, lass mich verstehen, lass mich deinen Willen erkennen. Sprich, deine kleine Dienerin hört. Sie will wissen, was du von ihr willst.“ Und Jesus wird euch sagen, dass euch die Eigenliebe glauben lässt, dass ihr Recht habt, wenn ihr Unrecht habt. Ihr werdet die verschiedenen Umstände sehen, wo ihr euch nicht unterwerft. Er wird euch sagen, dass ihr euch zu viel mit euch beschäftigt, dass ihr stolz seid. Ihr werdet gut erforschen, was euch fehlt. Ihr werdet den lieben Gott bitten, von euch gelöst zu sein, euch selbst weniger liebt, weniger an dem hängt, was euch betrifft, dass man sich mit euch beschäftigt, dass man dem, das in eurem Willen, in eurer Seele vor sich geht, Aufmerksamkeit schenkt, und ihr werdet unserem Herrn sagen: „Du wolltest nicht, dass man sich mit dir beschäftigte, du hast dich nicht selbst gesucht, gib mir, dich nachzuahmen und dich zu lieben.“
Meine Kinder, so sollen sich eure Seelen in der Betrachtung mit Gott unterhalten. Es wird für sie gut sein, denn es ist gut für die reine Seele, die ihn sucht, die sich nicht mehr mit sich beschäftigt; er gibt ihr alles, was sie will, er schenkt ihr seine Liebe! Er lässt sich von ihr sehen, nicht nur im Himmel, sondern schon auf Erden. Die reine Seele ähnelt Gott, sie ist nach seinem Bild gemacht und deshalb wird sie dem Lamm überallhin folgen, wohin es gehen wird, und das für die Ewigkeit. Das ist unsere Hoffnung, unsere Sicherheit.
Betrachtet diese Worte gut, meine Kinder, betrachtet sie in dem Sinn, den ich euch sage, und ihr werdet glücklich sein. Ihr werdet heute noch einen guten Exerzitientag verbringen, und ihr werdet die Freude des Paradieses genießen, was ich euch im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes wünsche. Amen.