Wie soll ein Oblate des hl. Franz von Sales predigen?

      

6. Über die große Rolle des Predigens und was unbedingt gepredigt werden soll

Wollt ihr das Werk Gottes vollbringen, dann müsst ihr die Menschenseelen so anpacken, dass sie innerlich angeregt werden und wahrnehmen, dass ihr mit ihnen vordringt. Womit dringt man nun so weit vor, bis zum Herzen, bis zum Geiste? Nachdem wir gesehen haben, wie wir nicht predigen dürfen, lasst uns nunmehr sehen, wie wir predigen sollen. Haben wir gesagt, was man nicht predigen darf, wollen wir jetzt sagen, was man predigen soll.

1. Wir sollen die religiösen Wahrheiten predigen, aber recht einfach und verständlich, indem wir uns nach der Geisteshöhe und Fassungskraft der Zuhörer richten. Wir müssen vor allem von der einen Tatsache überzeugt sein, dass unsere Zuhörer, bei nur ganz seltenen Ausnahmen, unwissend sind. Man kann sagen, dass beinahe jede Art von Zuhörern in religiösen Dingen fast ganz unwissend ist. Auf 100 praktizierende Katholiken, glaube ich kaum, dass sich vier finden lassen, die euch den Inhalt ihres Glaubens kurz wiedergeben können. Sie zweifeln weder die Beweise der Religion an, noch den überwiegenden Teil der Religionslehre. Sie haben den Glauben eines Köhlers, der aber keine gesicherten, festen Grundlagen besitzt. Und das gilt allgemein, ich wiederhole es, in Frankreich ebenso gut wie sonst wo, einige wenige Diözesen ausgenommen, wie z.B. die von Langres, wo die Kinder den Religionsunterricht nach einem vorzüglich verfassten Katechismus mit hl. Eifer erhalten. Und eben dieser Katechismusunterricht ist die Quelle des Glaubensgeistes. Aber, abgesehen von diesen wenigen glücklichen Diözesen, findet man sehr schwer einen Katholiken, der in der Religion gebildet ist und darin etwas versteht. Ich könnte euch davon erschütternde Beispiele erzählen.

Ein recht frommer städtischer Beamter, im Übrigen ein guter Christ, sagte mir neulich: „Wenn ich im Sterben läge und kein Priester zu erreichen wäre, könnte ich da nicht bei meiner Frau beichten?“ Ein anderer ebenfalls frommer Beamter, Präsident des Zivilgerichtes in A., kam seine Schwester, Ordensfrau in einem Heimsuchungskloster besuchen. Ich begegnete ihm eines Morgens auf dem Wege zum Katechismusunterricht der Pensionärinnen: „Man sollte“, so sagte er, „nicht allein den Kindern, sondern auch den Erwachsenen Katechismusunterricht erteilen. Es ist entsetzlich, wenn man sieht, wie unwissend die Katholiken in Sachen ihrer Religion sind.“ Ich stimmte seiner Meinung vollständig bei. Die Unterhaltung zog sich einige Minuten in die Länge, als er bemerkte: „Was ich sagen wollte, ich finde in der Bibel so manche anfechtbare Stelle, die ganz im Widerspruch mit der Wissenschaft steht…“ – „Herr Präsident, kommen Sie in meinen Katechismusunterricht, ich will diesen Morgen gerade das Gegenteil von dem durchnehmen, was Sie mir da sagen.“ – Seid also überzeugt, meine Freunde, dass von einigen sehr seltenen Ausnahmen abgesehen, eure Zuhörer unwissend sind. Haltet sie nicht für Dummköpfe, sondern behandelt sie als Leute, die keinen Begriff von Theologie oder von der hl. Schrift oder selbst von der Religion besitzen.

Wenn ihr ihnen einen dogmatischen Vortrag haltet, dann könnt ihr im Voraus sicher sein, dass man euch überhaupt nicht verstehen wird, es sei denn, dass ihr über einen Gegenstand vortragt, der ganz in der Fassungskraft eurer Zuhörer liegt und ihr in recht verständlichem Ton zu ihnen sprecht. – Scheut euch nicht, in solchen Fällen auch etwas Katechismusunterricht hineinzubringen. Natürlich, es soll nicht in Form einer Katechismusstunde geschehen, aber die Grundzüge sollen dem Katechismus entnommen werden, die ihr immer wiederholen sollt und auf die ihr ohne Rücksicht immer wieder zurückkommen sollt. Haltet also eure Belehrung in einer wesentlich einfachen Art und stellt sie auf eine geschichtliche Grundlage. Kommt oft auf die großen Merkmale des Glaubens zurück. Die Schöpfung, den Sündenfall, die Patriarchen und Propheten und die Ankündigung des kommenden Messias, die Erlösung, die Leiden und die Siege der Kirche. Eure Zuhörer sollen gut wissen, was sie sind und welcher Gemeinschaft sie angehören, woher sie ihren Glauben erhalten haben, und was der Glaube sie lehrt. Wisst wohl, wenn ihr auf diese Weise predigt, wird man euch aufmerksam zuhören. Man weiß nicht mehr die ersten Grundwahrheiten der Religion. So mancher wird finden, dass das, was ihr sagt, ganz außergewöhnlich ist und jedermann wird eure Unterweisung sehr interessant finden.

2. Unsere Predigt soll anziehend, reich an Bildern und lebenswahr sein. Man spricht, um gehört zu werden: Darum muss man interessant sprechen, sonst wird man uns nicht zuhören. Arbeitet eure Predigt auch von diesem Gesichtspunkte aus, bevor ihr die Kanzel besteigt. Ferner dürft ihr nicht vergessen, dass aus eurem persönlichen Interesse für euren Vortrag nicht unbedingt folgen muss, dass sich auch dafür interessieren: Diese Bemerkung machte ich eines Tages einem Prediger und seitdem hat er es mir immer ein wenig nachgehalten. Ich sagte ihm damals: „Sie werden mit Ihrer Predigt recht zufrieden sein. Sie haben – gut gesprochen und für sie wird die Predigt ganz besonders interessant gewesen sein.“

3. Halten wir familiäre Ansprachen, aufrichtende Anreden und vor allem Homilien. Der Katechismus des Trienter Konzils enthält sehr praktische Pläne für Ansprachen. Die Ansprache in Form einer Schrifterklärung oder Homilie ist einfacher, allgemein verständlicher, belehrender und somit auch im Allgemeinen der regelrechten Predigt vorzuziehen. Die ersten Kirchenväter lebten in Verhältnissen, die den heutigen in vielen Punkten gleich sind. Sie lebten mitten unter Heiden und die Unwissenheit in religiösen Dingen, wie wir sie bei unseren Zeitgenossen antreffen, hätten wohl auch die damaligen Heiden zum Spott gereizt. Der Lektor las von der Kanzel einen Abschnitt aus der hl. Schrift, und der Bischof gab dann seine Erklärung dazu. Er belehrte das Volk in der Religion mit der Tat, mit den Kirchenvätern. Versteht es wohl, dass der homiletische Vortrag von der persönlichen Arbeit und von der Vorbereitung nicht dispensiert. Eine Homilie halten, heißt doch nicht, unvorbereitet, aus dem Stegreif reden. Man muss zuerst die Begebenheit oder das Wort des Evangeliums in sich aufnehmen. Seid euch dessen nur recht bewusst. Alsdann sucht in euren Aufzeichnungen und sonst wo das, was euch in der Erklärung behilflich sein kann, die ihr über die betreffende Stelle geben wollt. Zieht die Väter zu Rate, besonders den hl. Johannes Chrysostomos. Forscht auch, was der hl. Franz v. Sales darüber sagt. Ihr könnt auch in den Predigten nachschlagen, die ihr zur Hand habt. Sucht mit allem, was ihr auf diese Weise Interessantes gesammelt habt, zu einem einheitlichen Ganzen zu verarbeiten. Dann muss auch der homiletische Vortrag auf eigene Beine gebracht werden. Auch da ist Genugtuung, Logik, Gliederung von Nöten. Strebt nach Übersichtlichkeit in euren Sätzen, nur hütet euch dabei, zu sehr das innere Gerüst zur Schau zu stellen.

Die Homilie ist für den Prediger besonders vorteilhaft, ist er doch an die strengen Regeln der Kanzelberedsamkeit nicht so gebunden. Er ist freier in der Wahl seines Stoffes. Er findet im Evangelium selbst eine ganze Anzahl von Themen und Gedanken, die er entwickeln kann. Er kann bei den packendsten Gedanken stehen bleiben und sich nur auf diese beschränken. Außerdem stützt er sich auf das lebendige, wirksame und gnadenbringende Wort Gottes, diese Hilfe kommt besonders dem Prediger selbst zugute: er steht nicht mehr allein da, ist nicht selbst überlassen und arbeitet nicht mehr ausschließlich mit eigenen Kräften. Ja noch mehr, die Wahrheit, die unmittelbar aus dem Evangelium entspringt, ist für alle verständlich und kann von allen leichter erfasst werden. Man wird solchen Predigten mit desto größerer Aufmerksamkeit zuhören, als man heutzutage das Evangelium kaum mehr kennt. Was ihr da vortragen werdet, wird euch selbst möglicherweise ganz abgedroschen vorkommen, aber etwas Neues wird es für jene sein, die euch anhören werden. Die braven Leute, die eure Zuhörerschaft bilden, können vielleicht bis heute noch diese Stelle …nicht verstanden haben, oder haben sich überhaupt noch nie zu hören bekommen.

Ihr predigt über den verlorenen Sohn. Ich hörte den Hochwürdigen H. Combalot zwei Predigten über den verlorenen Sohn halten: sein Abschied und seine Rückkehr. Alle weinten und immer kamen neue Bekehrungen vor. Er selbst stellte mit Genugtuung fest: „Diese zwei Predigten haben mir mehr Seelen zugeführt als alles andere, was ich sonst gepredigt habe.“ Männer, Frauen, Kinder, alle waren tief bewegt. Ihr wollt ein anderes Mal über die göttliche Barmherzigkeit sprechen: es kann sein, dass ihr da und dort schöne Erwägungen, schöne Gedanken, schöne Texte darüber findet. Aber nichts wird diesem Bild aus dem Evangelium gleichkommen: wie der Vater seinen Sohn erwartet, wie er ihm seine Arme entgegenstreckt, wie er weint „super collum eius“. Predigt darüber und ihr werdet die Leute noch mächtiger packen und ihr seid daran, ein Redner zu werden.

Also haltet gerne homiletische Vorträge. Im Allgemeinen solltet ihr wenige Predigten halten. Es wird z.B. ein großes Fest, ein Patrozinium gefeiert, oder sonst eine außergewöhnliche Gelegenheit bietet sich, wo man euch bittet, eine Predigt zu übernehmen, dann mögt ihr eine regelrechte Predigt halten. Außer diesen Fällen wünsche ich nicht, dass ihr es tut. Oft hat die Predigt den Beigeschmack einer beinahe schlechten Handlung. Wer hört denn heute auf Predigten? Nötigt man euch einmal eine Predigt auf, dann erinnert euch nur daran, was wir gesagt haben. Eure unterweisende Darlegung und eure Begründung seien recht kurz, klar und allgemein verständlich für die Zuhörer. Und dann bringt vor allem Geschichten, Einzelzüge, Bilder, Leben…hinein. Trachtet eure Zuhörer zu packen.

Ihr werdet eingeladen, eine Predigt zu halten und ihr wollt euren Vortrag niederschreiben. Stellt euch die Frage: „Nun habe ich eine schöne Predigt aufgesetzt… wird man euch aber auch verstehen? Würde ich vor Priestern oder Ordensleuten oder vor fein gebildeten Personen predigen?“ – „Nein“ – „Und warum?“ – „Nein?“ – Weil die einfachen Gläubigen, die Arbeiter und Arbeiterinnen und Bauern, aus denen sich eure Zuhörerschaft zusammensetzt, nicht einmal Ausdrücke verstehen, die ich gebrauche. Es hat sie niemand gelehrt. Deshalb muss du, lieber Freund, dein Skript noch einmal zur Hand nehmen und alles noch einmal durcharbeiten und darauf ausgehen, dass du dieses Mal deine Ausarbeitung dem Bildungsgrade deiner Zuhörer angleichst. Es gab eine Zeit, wo man gerne über diesen oder jenen Gegenstadt Konferenzen hielt. Das kann ganz gut sein, wenn man eine ausgewählte Zuhörerschaft sich hat. Im Allgemeinen ist es aber für das christliche Volk von ganz geringem Nutzen, das es einer viel kräftigeren Kost bedarf.

4. Unsere Predigt muss sich unserer Zuhörerschaft anpassen, und deshalb soll sie wechseln je nach der Eigenart der Zuhörer. Man soll, wie bereits gesagt, so predigt, dass man von den anwesenden Gläubigen verstanden wird. Und man so ihnen gerade das sagen, was ihrem Bedürfnis entspricht, was sie brauchen: „quis quid?“ – darin liegt die ganze Kunst des Predigers!

Quis? – Beobachtet zuerst, aus welchen Kreisen sich eure Zuhörerschaft zusammensetzt, die vor euch steht. Was der einen Gattung von Zuhörern entsprechen, das wird einer anderen Art nicht entsprechen. Für jene Klasse von Leuten, an die man sich wendet, gibt es eine eigene Vortragsweise, und diese Weise muss man notwendigerweise beibehalten, will man seine Zuhörer gewinnen. Im Grunde genommen ist es immer ein und dieselbe Wahrheit, die man allen ohne Unterschied vorträgt, denn man soll nicht zu allen in denselben Ausdrücken, im selben Ton, in gleicher Art und Weise sprechen. Habt ihr Soldaten vor euch, dann könnt ihr zu ihnen nicht reden wie zu Dienstmädchen und vor jungen Mädchen werdet ihr nicht predigen wie vor Arbeitern. Seit längerer Zeit denke ich schon daran, und will es auch eines Tages ausführen, nämlich unsere jungen Patres eine Predigt von Bourdaloue studieren und dann die Gedanken und Ausdrücke seiner Predigt entsprechend dem jeweiligen Auditorium bearbeiten zu lassen, das man vor sich haben kann. Vor uns können Kinder stehen oder Schüler oder Jünglinge, Arbeiter, Mädchen, fromme Personen, Weltmenschen, Stadtpfarrkinder, Dorfleute, Ordensleute, u.a. Angenommen, ihr wollt über die Beichte predigen. Dann müsst ihr, nachdem ihr die Predigt von Bourdaloue über die Beichte innerlich verarbeitet habt, seine Gedanken in mindestens 6-7 Wendungen, wollt ihr die Lehre von Bourdaloue der Denkart jedes Einzelnen anpassen, wollt ihr, dass jeder etwas davon versteht und behält.

Es ist damit noch nicht abgetan, dass man für jedes beliebig Auditorium gemeingültige Predigten ausarbeitet, die ja doch zu keinem Herzen den Zugang öffnen, noch auch darum, mit mehr oder minder gesuchter Selbstgefälligkeit vorzutragen, von euren anwesenden Zuhörern nicht verstandene Redensarten, d.h. Wendungen, die in den Bänken verhallen, die ebenso wenig wie die Leute, die denselben Knien eurer Gerede begreifen können: also eine Art „tönende Schelle“ – das ist nur ein Zeitverlust für euch und für die Zuhörer.

Quid? – Eine Wahrheit ist es, ein Stück der christlichen Glaubenslehre, die vor euch versammelten Gläubigen, die dieser euch gegenüberstehenden Klasse von Menschen dargelegt werden muss. Es ist jenes Brot, das dieses Volk vor euch nicht hat, um das es euch bittet: „petierunt panem“. Es ist das Wort, auf das es bei euch wartet. Reicht es ihnen dar und eure Zuhörer werden es mit Heißhunger verzehren. Es wird euch aufmerksam anhören, es wird euch glauben, ihr werdet es packen und es wird euch folgen. So etwas lernt man besser durch Ausübung und durch Erfahrung als durch die Regeln. Darin war J. Chrysostomos wahrer Meister. Seht, wie er seinen Zuhörern das anbot, um was es bat, wonach es hungerte. Seht, wie er seine Zuhörer einzeln hernahm, sie anredete, ihnen Fragen stellte, sie aufmunterte, sie stärkte. So sollen auch wir mit Vorliebe handeln in unseren Ansprachen im engsten Kreis, in unseren Konferenzen und Katechesen. Sagt wenigstens jedes Mal, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet, euren Zuhörern ein lebenswarmes Wort, und hütet euch vor, für euch allein zu sprechen.

Meint ihr nun, dass diese Methode ganz leicht und nicht viel Arbeit und viel Mühe kostet? – Ich weilte eines Sonntags in Genf. Der Hochwürdige Herr Mermillod weilte bei der Pfarrmesse in der Liebfrauenkirche predigen. Die Zuhörerschaft setzte sich aus guten Pfarrkindern zusammen, allerdings waren es keine Leute von der hohen Gesellschaftsklasse, sondern Arbeiter und Arbeiterinnen, kleine Geschäftsleute, Hausangestellte, Leute aus bescheidenen Ständen. Die hohen Persönlichkeiten, die Leute der oberen Schicht gehen in die Spätmesse. „Heute spreche ich zu meinen Arbeiterinnen und Arbeiter“, sagte der Hochwürdige Herr. Er geht auf die Kanzel hält eine Homilie über das Evangelium des betreffenden Sonntags. Mir fiel die Einfachheit seines Ausdruckes, die Klarheit seiner Darlegung und sein väterlicher, vertraulicher Ton auf. Er beschloss die Ansprache mit einer zündenden Ermahnung. Alle haben sein Wort buchstäblich wie einen erfrischenden Trunk in sich aufgenommen. „Hochwürdiger Herr“, sagte ich ihm, „ich hörte Sie das letzte Mal in Paris in der St. Klothildenkirche predigen. Ihre Predigt ging über die Kirche. Gestatten Sie mir die Bemerkung, dass mich Ihre Ansprache von heute Morgen noch tiefer ergriffen hat.“ – „Meine Ansprache an die Arbeiterschaft in der Genfer Liebfrauenkirche war schwieriger“, so sagte er mir, „und hat mir mehr Arbeit gekostet als meine Predigt in der Kirche St. Clothildis.“

Quis – Quid? so sagte ich euch noch eben. „Quis?“ Vor wem steht ihr? „Quid?“ Worüber wollt ihr ihnen sprechen? Wonach verlangen ihre Seelen, was muss man ihnen sagen?

„Quis“? – Ihr habt Kinder als Zuhörer vor euch, also keine Jungen, Volksschüler. Da müsst ihr mit verstandesmäßigen Ableitungen und gelehrten Darlegungen möglichst sparsam umgehen und euch recht verständlich ausdrücken. Erzählt ihnen, um ihnen die vorgetragene Wahrheit tief einzuprägen, Einzelzüge aus der biblischen Geschichte, aus dem Leben der Heiligen, viele Geschichtchen und wenig Sittenlehre. Ihr sollt zu kleinen Mädchen sprechen, dann erzählet ihnen Lebenszüge weibliche Heiligen, vor allem hl. Altersgenossinnen, so werdet ihr ihre Aufmerksamkeit wach halten. Gebt euch die Mühe, dass die einen wie die anderen den Kernpunkt genau erfassen, den ihr ihnen vorlegen wollt.

„Quid“? – Worüber wollt ihr zu ihnen sprechen? Vom Gebet? Dann müsst ihr über das Gebet so sprechen, dass ihr gleich bei euren ersten Worten ihre unstete Aufmerksamkeit fesselt und dass sie unbedingt alles begriffen, was ihr ihnen sagen wollt und auch etwas davon behalten. Ihr werdet aus ihrem Benehmen und auch aus ihrem Blick schließen können, ob sie es erfasst haben, ob sie euch zuhören. Legt ihnen kurz und bündig die Gründe auseinander, warum man beten soll, und dann die Gebetsweise, wie man beten soll: man muss beten – und wie betet man? Die Gründe müsst ihr so darlegen, dass sie es verstehen, also Gründe, die sie anregen und packen, die sie einsehen und behalten können. Dann erklärt ihnen, wie man beten soll, indem ihr von ihrer Einbildungskraft ausgehend an ihren Verstand, dann an ihren Willen herantretet. Wenn ihr nur aus irgendeinem Predigtbuch abgeschriebene Sätze heruntersagt, dann ist es schade um die Zeit. Wenn ihr aber vor ihrem Augenlicht ausmalt: wie das Jesuskind betete, den hl. Bernhard im Gebete vor der seligen Jungfrau, den hl. Franz v. Sales mit seinen Mitschülern im Kolleg de la Roche oder sein Gebet vor Unserer Lieben Frau von der Befreiung der Versuchung, die er in Paris hatte, oder wenn ihr ihnen vor allem eine schöne, ergreifende Geschichte über das Gebet erzählt, glaubt ihr dann nicht, dass sie euch gerne anhören und dass so mancher sich daraufhin Mühe geben wird, besser zu beten? Kleinen Mädchen würdet ihr aus der Kinderzeit der Guten Mutter Maria Salesia erzählen – die kleine Heilige des Herrn Chappuis. Wie z.B. sie mit ihrem Bruder Franz nach Fribourg hinauf pilgerte oder wie sie zum ersten Mal der hl. Messe beiwohnt, oder ihre erste hl. Kommunion empfängt… In euren Ansprachen an Kinder müsst ihr auch in einem väterlichen, vertraulichen Tone sprechen. Vergesst nicht vor allem, dass der Wortschatz der Kinder über wenige Ausdrücke verfügt und dass sie besonders unfähig sind, allgemeine Ausdrücke zu verstehen. Aber auch vor der anderen Übertreibung müsst ihr euch hüten, nämlich aus dem Streben, sich verständlich und interessant zu machen, in gemeine unpassende Redewendungen zu verfallen. Das Wort Gottes muss immer im würdigen Tone und auch mit Ehrfurcht vorgetragen werden.

„Quis?“ – Habt ihr Jünglinge als Zuhörer, dann sagt ihnen etwas, was die Jugend interessieren kann, was ihr Herz hochschlagen lässt, was auf ihr kritisches Alter wohltuend einwirken kann. Sprecht zu ihnen von Tugenden, die ihnen am notwendigsten sind.

„Quid?“ – Ihr sollt ihnen vornehmlich jene Tugenden predigen, die wir nach dem ausdrücklichen Wunsch unserer Satzungen den jungen Leuten besonders empfehlen sollen: den Glauben. Der Glaube hat die Menschheit gerettet, er allein kann auch sie erlösen. Die Aufrichtigkeit gegenüber Gott, ihrer Familie, ihren und besonders sich selbst gegenüber. Die Achtung der Obrigkeit, in erster Linie vor der geistlichen und dann auch vor der weltlichen, solange sie innerhalb der von Gott ihr gezogenen Grenzen ihre Macht sich bewegt. Die Obrigkeit muss man immer achten. Die mit ihrer amtlichen Würde bekleideten Personen bleiben es nicht immer. Lehren wir die Jugend wenigstens innerhalb der Grenzen jener Macht zu bleiben, welche die Frucht einer guten Erziehung ist. Die Hingabe an die eigene Familie und an das Vaterland und der Mut sind gewiss edle und schöne Beweggründe, die ihnen zu Herzen gehen werden. Die Treue eigenen Verpflichtungen gegenüber, der ehrliche Sinn, den man heutzutage überall so sehr vermissen muss, die Ausdauer bei Prüfungen und das unverbrüchliche Festhalten an den Dogmen und Vorschriften unserer hl. Religion. Oder ihr wollt den Jünglingen über das Gebet predigen, sprecht zu ihnen von den Wirkungen des Gebetes und des Vereint-Seins mit Gott in zeitlichen Lebensbedürfnissen ebenso gut, wie in den Anliegen der Seele. Macht es ihnen recht klar, dass es unmöglich ist, selig zu werden, ohne das Gebet. Einer der nie gebetet hat, könnte niemals in den Himmel eingehen. Erklärt ihnen, dass das mündliche Gebet, mit dem sich viele Menschen alleine begnügen, ohne das Gebet des Geistes und des Herzens, ohne die Betrachtung, nie gut sein kann. Mag man sie wie immer nennen, in welcher Art auch immer betätigen, die Betrachtung, das Gebet des Herzens ist unbedingt notwendig. Ein Tagesanfang ohne Gott bedeutet auch einen Tagesabschluss ohne Gott. Weist die Jünglinge, wenn sie fromm sind, hin auf die Vorbereitung auf den Tag, die dem hl. Franz v. Sales in seiner frühen Jugend als Student zu Paris so geläufig war. Aber da müsst ihr mit Klugheit zu Werke gehen. Denn da die Betrachtung nicht mehr so eifrig gepflegt wird, und für den Anfang nicht das rechte Verständnis findet, darf man dabei nicht voreilig handeln, sondern die Seelen darin allmählich einführen. Trägt man das alles in einer klaren, bildreichen, packenden und lebhaften Sprache vor, mit Schwung und Feuer, dann werden die Jünglinge auch gespannt zuhören.

„Quis?“ – Ihr predigt vor jungen Mädchen.
„Quid?“ – Da bildet z.B. das Gebet den Gegenstand. Sagt diesen Mädchen, was sie tun müssten, um gut zu beten, wo die Mängel ihrer flüchtigen, zerstreuten, unbeständigen Gebete zu finden sind. Sagt ihnen auch, wie mächtig ihr Gebet sei. Sagt ihnen, einen welch ehrenvollen Posten sie ihrem Leben einräumen sollen. Sprecht zu ihnen von den einzelnen Gebeten, die sie im Laufe des Tages verrichten sollen. Zeigt ihnen, wie man die Morgenbetrachtung machen soll, indem man an der Seite des Heilandes sein Tagewerk durchgeht. Vergesst nicht, auch ihrer Einbildungskraft entgegenzukommen und auch zu ihrem Herzen zu reden, wenn ihr über diese Dinge redet. Fügt ein Wörtchen ein, das sie rühren kann, eine schöne Geschichte, und dann wird eure Ansprache schön und gut werden. Würdet ihr hingegen eine Predigt über das Gebet nach eurem Predigtbuche halten, dann werdet ihr mit demselben Erfolge von der Kanzel steigen, als hättet ihr oben auf der Sonne oder auf dem Monde gepredigt – unter Umständen gewiss noch weniger. Wenn das, was ihr vortragt, nicht nach ihrer Fassungskraft zugeschnitten ist oder sie nicht interessiert, werden sie gar nicht auf euch hören, sie werden von eurer Predigt höchstens den Umstand merken, dass sie so lange gedauert hat.

„Quis?“ – Ihr predigt vor einer Zuhörerschaft von Männern.
„Quid?“ – Wie viele praktische und nützliche Wahrheiten gibt es da zu sagen… die einfachsten Dinge aus unserem Glauben. Vor Männern müsst ihr klar reden, äußerst klar, logisch, kurz und bündig, nicht langatmig, noch mit reichen Wortergüssen. Jeder soll euch verstehen können und jeder soll unbedingt alles erfassen können.

„Quis?“ – Ihr predigt vor gebildeten Damen oder für Damen, die sich für gebildet ausgeben. Seid auch da recht klar, sprecht so, dass man euch verstehen kann, sonst hört man euch nicht zu. Wenn sich aber in eurer Ausführung ein etwas philosophierender Gedanke einschleicht, den die Mehrzahl nicht so recht verstehen kann, dann seid versichert: eure Zuhörer werden entzückt sein. Und was man für das Schönste halten wird, wird eben das sein, was man am wenigsten verstanden hat. Die Frauen sind nun einmal so erschaffen. Nur treibt mir mit dem Rezept, das ich hier gebe, keinen Missbrauch.

„Quis?“ – Ihr predigt in einem Heimsuchungskloster.
„Quid?“ – Ihr sollt Exerzitien halten, oder, was noch vorzuziehen ist, ihr haltet ihnen eine Reihe von Konferenzen über das religiöse Leben. Mögen es darum auch wirklich für die Heimsuchung zugeschnittene Konferenzen sein. Sucht darum eure Erleuchtung nicht etwa bei Rodriguez oder in den Predigten eines Paters so und so…, damit würdet ihr ganz schief fahren. Holt euch die Gedanken der Heimsuchung, der ja ganz genau die unsrigen sind, lasst euch die Konstitutionen der Heimsuchung und besonders das Direktorium als Leitfaden dienen. Predigt ihnen ihre hl. Stifter, die hl. Margareta, die ehrwürdige Mutter Maria Salesia. Sprecht sonst worüber ihr wollt, aber gebt jedem Gegenstand, den ihr behandelt, die der Heimsuchung eigentümliche Form. Predigt ihr vor barmherzigen Schwestern, dann nehmt den hl. Vinzenz v. Paul und predigt ihnen den Bruder Vincent.

„Quis?“ – Ihr sollt vor der versammelten Pfarrgemeinde predigen, vor Männern, Frauen und Kindern: da ist die Sache schon weit schwieriger als vor einer einheitlich zusammengesetzten Zuhörerschaft. Trachtet alsdann über Dinge zu reden, die allen Frommen und die jedermann interessieren können.
„Quid?“ – Nähmen wir an, es wäre Mission in einer Dorfpfarrei. Haltet nur ja keine feierlichen Predigten, wie ihr sie in einer Stadt oder einem Kloster halten würdet. Ein anderes Mal ist es in einer Stadtpfarrei, dann mögt ihr einen etwas geglätteten, gehobenen Ton einschlagen, aber trotz alledem müsst ihr auch da verständlich bleiben für jene, die euch zuhören. Die wichtigste Pflicht, die euch obliegt, ist, den Pfarrer über die Bedürfnisse seiner Schäflein zu befragen, d.h., sich zu erkundigen, wie er über seine Pfarrkinder spricht und urteilt. – Die Phantasie des Pfarrers kann man manchmal zu viel sehen. Aber an alledem, was er da sagt, ist sicherlich etwas Wahres daran, wenn es auch nur ein wenig klein wäre. Achtet darauf, was die Leute selbst euch sagen könnten, aber seid da klug und vorsichtig. Dann könnt ihr zusehen, was man einer solchen Zuhörerschaft bieten muss: Auch sollt ihr den Heiland um jene Geradheit des Urteils bitten, die den Zustand und die Verfassung der anwesenden Pfarrkinder richtig erfasst, denen ihr das Wort des Heiles zu bringen habt.

„Quid?“ – Was noch außerdem? Ihr sollt eine Festpredigt für das Patrozinium halten. Da sollt ihr nicht eine unbestimmte, allgemeine Predigt über diesen oder jenen Lehrsatz des Glaubens oder der Sittenlehrte hersagen. Dann dürft ihr nicht daran denken, z.B. eine Predigt über das Gebet zu halten. Wer würde euch da anhören, nachdem ihr Flachheiten und abgeleierte Sachen vorbringen würdet, die man überall hören kann. Predigt über den Heiligen. Predigt über das, was ihr in seinem Leben findet, was die guten Pfarrangehörigen auch praktisch brauchen können. Nehmt das Gesamtleben her oder behandelt einige einzelne, hervorstechende Punkte desselben. Oder, wenn ihr es vorzieht, könnt ihr den Geist des Heiligen, seine besonders auffallenden Tugenden, seine Großmut gegen Gott betrachten. Vergesst nicht immer eine sittliche Schlussfolgerung herauszuziehen. Neulich lud man einen meiner Mitschüler ein, in St. Pantaleon die Patroziniumspredigt zu halten. Mit großer Weitschweifigkeit erzählte er bis ins Einzelne das Leben des hl. Martyrers, ohne aber eine sittliche Nutzanwendung zu ziehen. Seine Predigt dauerte eine dreiviertel Stunde. Man folgte mit Aufmerksamkeit und mit größtem Interesse seinen Ausführungen. Aber welchen Vorteil hatte man davon?

„Quid?“ – Und dann, was noch? Ihr sollt für den zweiten Sonntag nach der Erscheinung eine Predigt halten. Soll ich da zu allererst ein Predigtbuch oder eine Predigerzeitschrift suchen, und da ganze Sätze und ganze Seiten abschreiben? Das wäre unsinnig. Euer eigenes Predigtwerk sollt ihr euren Zuhörern vorlegen, das wird euch und auch sie weniger ermüden. Würden auch 400 Personen eurer Predigt beiwohnen, so würden, falls ihr nur die paar Seiten eines Predigtbuches heruntersagen würdet, kaum zwei sich finden, die auch nur einen Gedanken behielten, von alledem, was ihr so sklavisch nachsprecht. Ich lasse also mein Predigtbuch liegen. Ich will über den Namen Jesu predigen und darüber wird mir mein Predigtwerk keinen großen Gedanken geben. Soll ich etwa die ganze Bibel, die gesamte Geschichte, die ganze Theologie hernehmen, wo nur irgendwie vom Namen Jesu gehandelt wird? Vorherigen Sonntag glaubte einer unserer Patres als Zeugen für die Wirksamkeit des hl. Namens Jesu Kaiser Napoleon I. anrufen zu müssen. Es war reichlich zu viel von all dem Zeug in seiner Predigt. Über den hl. Namen Jesu will ich doch predigen. Ich will zuerst darlegen, was ein Name überhaupt bedeuten soll. Die Wichtigkeit eines Namens, den Gott selbst auferlegt hat. Ich will dann dies alles auf den Namen Jesu anwenden. Ich will darauf die Wirksamkeit Macht desselben darlegen. Ich zeige, wie Heilige durch Anrufung dieses Namens die Heiligkeit erworben haben. Wie die Martyrer in ihm ihre Kraft fanden, um für Gott zu sterben. Wie darin Seelen in ihren Prüfungen und Versuchungen Nutzen und Trost fanden… Jedermann hört dabei zu, jeder versteht etwas, viele ziehen Nutzen daraus.

„Quid?“ – Ihr sollt über den Glauben predigen. Sollt ihr nun losziehen in langen Wortergüssen und Schönredereien über das Schwinden des Glaubens? Das waren so viele abgedroschene Wiederholungen dessen, was man überall hören kann, niemand wird darauf achten. Erklärt euren Zuhörern in möglichst verständlicher Weise, was der Glaube ist, dieser kleine Strahl vom Himmel, der unverständlicher Weise, was der Glaube ist, dieser kleine Strahl vom Himmel, der uns in jedem Ding Gott sehen lässt und jedes Ding in Gott, wie der hl. Franz v. Sales ausdrücklich sagt. Sagt ihnen, wie zur Erlangung des ewigen Heiles der Glaube unbedingt notwendig ist. Dann sollt ihr ihnen sagen. „Ihr müsst dieses und jenes glauben, aber ein bloßes Festhalten des Verstandes genügt da nicht. Euer Herz, euer Wille, eure Tat muss auch dabei sein. Man muss aus dem Glauben leben. Und wollt ihr im Glauben der hl. Messe beiwohnen, wollt ihr mit den Glauben arbeiten, dann müsst ihr es so machen…“ Das werden im Grunde die Gedanken sein, die ihr predigen sollt. Diesen Grundgedanken müsst ihr dann eine entsprechende Form geben, je nachdem es die Art eurer Zuhörerschaft verlangt. Ihr müsst ihn das in einer Form darbieten, die ihnen wohlgefällt, die sie interessiert und die sie begeistert.

„Quid?“ – Noch ein Thema: Ihr wollt über die hl. Messe predigen und auf diesen Gegenstand muss man oft zurückkommen. Man soll gerne über die hl. Messe predigen. Macht den Gläubigen die Erhabenheit der hl. Messe recht verständlich, zeigt ihnen, wie man die hl. Messe anhören soll. Schöpft die Gedanken dafür aus dem Direktorium und aus der Methode des hl. Franz v. Sales. Führt die Seelen zu den Stufen des Altares, dort werden sie klar sehen, dort wird Gott zu ihnen reden. „Aber“, werdet ihr mir erwidern, „dafür muss man besonders begabt sein, um so zu predigen, muss man ein sehr feines Urteil haben.“ Das stimmt. Dafür ist mehr erforderlich, als man, natürlich gesprochen, besitzen kann. Deshalb soll man sich nicht darauf beschränken, viel zu arbeiten, lange und mit Anstrengung, seine Vorträge vorzubereiten. Man muss immer eifrig beten, nicht nur unmittelbar, bevor man predigt, wie es der hl. Franz v. Sales verlangt, sondern von der Zeit an, wo wir unsere Predigten vorbereiten: „Herr, was soll ich sagen? Lege in mein Herz und auf meine Lippen die Worte, die die Seele erheben und die Herzen packen sollen. Nicht ich soll reden, sondern du. Es soll nicht die Rede des Menschen, sondern das Wort Gottes, das Evangelium sein!“