6. Die heilige Eucharistie
Meine Kinder, vor langer Zeit, in den ersten Zeiten des Christentums, im 4. Jahrhundert, war der hl. Augustinus Bischof in Afrika. Eines Tages erging er sich am Strand des Meeres. Dort hielt er sich gern bei Sonnenaufgang und –untergang auf, denn der Anblick der Unermesslichkeit ließ ihn an Gott denken und über große Dinge nachsinnen. Plötzlich sah er ein kleines Kind, das am Meeresstrand spielte. Eben hatte Augustinus gesagt: „Mein Gott, ich möchte das Geheimnis der heiligsten Dreifaltigkeit begreifen!“ Er näherte sich dem kleinen Kind, das eine Muschel voll Wasser hielt und es in eine kleine Grube goss, die es in den Sand gegraben hatte. „Was machst du da?“ [fragte] der große Kirchenlehrer. „Oh, ich will alles Wasser des Meeres in diese Grube füllen, die ich gemacht habe“, antwortete das Kind. „Aber, mein armes Kind, du wirst es nie fertigbringen, alles Wasser des Meeres in diese kleine Grube zu füllen!“ Das Kind schaut den Bischof an und sagt: „Ich werde es viel eher fertigbringen, alles Wasser des Meeres in diese kleine Grube zu gießen, als du, das Geheimnis der Heiligsten Dreifaltigkeit zu begreifen.“ Das Kind verschwand. Es war ein Engel, der diese Gestalt angenommen hatte, um dem hl. Augustinus eine wichtige Lehre zu erteilen.
Nun, meine Kinder, so wie der hl. Augustinus das Geheimnis der Heiligsten Dreifaltigkeit nicht begreifen konnte, so fühle ich mich außerstande, euch zu erklären, wie sehr Gott euch liebt. Ja, liebe Kinder, wir können die Liebe Gottes zu uns nie begreifen, so wenig der menschliche Geist die Geheimnisse des Glaubens zu ergründen vermag. Ich möchte euch dennoch heute Abend etwas darüber sagen, was Gott getan hat, um uns seine Liebe zu beweisen, indem er sich uns im Sakrament der Eucharistie schenkte. Hört gut zu!
Die Israeliten in der Wüste litten Hunger und hatten nichts zu essen. Moses sagte ihnen: „Morgen werdet ihr die Allmacht Gottes sehen und was er tun wird, um euch zu ernähren.“ Am nächsten Morgen ging ein Kind vor Sonnenaufgang hinaus und sah die Erde bedeckt mit kleinen weißen Körnern: es nahm eines davon und sagte: „Mutter, was ist das?“ Die Mutter wusste es nicht. Nachdem das kleine Kind davon gegessen hatte, fand es, dass diese Substanz sehr gut war. Seine Mutter tat desgleichen und fand sie köstlich. Die Hebräer sammelten sie und nannten sie Manna.
Meine Kinder, nachdem ich euch vom Manna erzählt habe, das vom Himmel gefallen ist, will ich euch jetzt von einem kostbareren Manna berichten, vom Manna der Engel. Hört recht aufmerksam zu, meine Kinder, was ich euch sagen werde.
Eines Tages waren die Apostel um unseren Herrn versammelt, der sie seit einiger Zeit auf sein Fortgehen vorbereitete und sie waren traurig. Da sagte unser Herr: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird ewig leben. Wer mein Fleisch isst, und mein Blut trinkt, bleibt in mir, und ich bleibe in ihm.“ Und später, als er ihnen nach seiner Auferstehung in Galiläa erschien, sagte er ihnen noch: „Seht, ich bin bei euch bis zum Ende der Zeiten.“
Am Abend vor seinem Leiden, als alle Jünger um ihn versammelt waren, um den Brauch des Osterlammes zu feiern, nahm Jesus Brot, segnete, brach und verteilte es und sagte: „Nehmt und esst, das ist mein Leib.“ Dann nahm er den Kelch, in dem er Wein mit ein wenig Wasser gemischt hatte. Nachdem er ihn gesegnet hatte, reichte er ihn den Aposteln und sagte: „Trinkt alle daraus, das ist mein Blut.“ Alle Apostel aßen von dem Brot und tranken von dem Wein. Sie wurden erfüllt von lieblichen und heiligen Regungen, und so empfingen sie zum ersten Mal die heilige Kommunion.
Bevor unser Herr uns verließ, wollte er lebendig in uns sein in der heiligen Kommunion. Das Glück der Apostel wird morgen das eure sein, liebe kleine Freundinnen. Als ich in eurem Alter war, fragte ich mich: Wie geht das, dass alle an allen Orten gleichzeitig unseren Herrn empfangen, da es nur einen Gott gibt? Meine Kinder, das ist ein Wunder seiner Macht sowie seiner Güte. Das übersteigt das Fassungsvermögen unseres Verstandes. Da unser Herr uns versichert hat, dass er in seinem Sakrament wirklich gegenwärtig ist, müssen wir unser ganzes Glück darein setzen, fest an sein Wort zu glauben.
Unser Herr ist also tatsächlich im heiligen Sakrament des Altares, er ist wirklich da. So wie Jesus am Kreuz war, ebenso ist der lebendige Jesus in der Hostie. Und wenn wir ihn in guter und heiliger Verfassung empfangen, welches Glück, ihn um alles bitten zu können, was wir nötig haben! Liebe Kinder, sagt zu Jesus: „Lass nicht zu, dass unwirksam bleibe, um was ich dich bitte. Mein Gott, ich fühle, dass du da bist, dass du im Haus meiner Seele wohnst. Gewähre mir alles, was ich brauche, alles, um was meine Mutter für mich bittet.“ Bittet dann für eure Mutter, für all die Euren, für alle, die euch teuer sind. Oh, wie wünschte ich, ihr möchtet recht begreifen, was Jesus im Sakrament seiner Liebe ist! Sammelt alle Glut eurer Seele, und wenn der Priester die heilige Hostie erhebt, dann betet unseren Herrn an und sagt: „Oh Jesus, meine Seele betet dich an! Mit den Augen des Glaubens sehe ich dich hier gegenwärtig. Gewähre mir alles, was ich brauche. Sag nur ein Wort, und alles wird mir geschenkt, denn du vermagst alles.“
Dann, liebe Kinder, sooft ihr in die Kirche kommt, betet Jesus Christus im Tabernakel an. Er ist da, als wäre es für euch allein. Oh, wie liebe ich ein Mädchen beim Eintreten in die Kapelle recht gesammelt niederkniet und einige Worte findet, um sie Jesus zu sagen. Es wird vollkommen. Und wie glücklich wird es später sein, seinen kleinen Platz in der Kapelle wiederzufinden!
Ein Mädchen, ein Kind von 12 Jahren, namens Agnes – man verehrt in Rom ihr Grab in der Kirche, die ihm geweiht ist – hatte das Glück, in diesem zarten Alter für ihren Gott zu sterben. Ihre Lebensbeschreibung berichtet, als die Henker ihr Fesseln anlegen wollten, fand man keine, die klein genug waren. Ihre Hände schlüpften durch. Der Richter [fragte sie]: „Bist du Christin?“ – „Ja.“ – „Was tun die Christen?“ – Sie gab da keine Antwort. – „Aber ich habe schließlich die Macht töten zu lassen… Sage dich von Jesus Christus los!“ – „Du weißt also nicht“, sagte sie, „dass Er mich wiedergeboren hat im Wasser der Taufe: wenn ich die Kraft habe, heute zu sprechen, weil Er in mir wohnt. Wenn ich in diesem Augenblick erröte, dann wisse, dass nicht ich erröte, sondern dass das Blut Jesu Christi meine Wangen rötet, weil ich von seiner Liebe lebe.“
Oh, wie viel Schönes gibt es Gott zu sagen! Wenn ich nicht fürchtete, euch zu ermüden, liebe Kinder, würde ich euch noch von einem Bauernmädchen erzählen, das ich kannte.
Sie war in einem der ärmsten Dörfer der Champagne geboren. Diese Gegend wurde zum Spott „blühendes Land“ genannt. Man sah nur Disteln, die entlang der Straßen wuchsen. Nun, dieses Dorf besaß eine Blume, die schöner war als die Blumen der Erde, ein Kind, die Tochter armer Arbeiter. Sie trieb die Truthühner des Hühnerhofes auf die Felder. Man hatte sie gelehrt, das Kreuzzeichen zu machen, und wenn sie an einem Kreuz vorbeiging, machte sie es stets und sagte: „Mein Gott, lass mich recht begreifen, was das Kreuzzeichen bedeutet!“ Gott offenbarte es ihr. Er erwies dieser kleinen Seele sehr große Gnaden. Sie erzählte mir, was Gott ihr gesagt hat. Es war schöner als das, was ich in den Büchern der kirchlichen Wissenschaft gelesen habe. Mit neun Jahren empfing sie die Erstkommunion. Sooft sie in die Kirche ihres Dorfes vorüberging, grüßte sie unseren Herrn, der dort gegenwärtig war, und sagte ihm: „Ich bin recht klein, aber ich will dich lieben wie die Engel des Himmels.“ Ich habe nie etwas gefunden, was dem vergleichbar wäre, was Gott zu Elisabeth in ihrer Kindheit gesagt hat. Meine Kinder, ich bin ganz sicher, dass unser Herr für jene etwas Großes tun wird, die ihn bitten, ihnen zu sagen, was Er ist.
Elisabeth hat nie geheiratet. Ihr Vater sagte ihr: „Sei unbesorgt. Du bist nicht wie deine Brüder und deine Schwestern. Ich werde dir immer dein kleines Zimmer im Haus freihalten. Hier sollst du für mich beten, wenn ich gestorben bin, und für deine Brüder, die vielleicht nicht viel beten werden.“ Gott hat Elisabeth tatsächlich stets erhört. Sie ist inzwischen gestorben, aber in der Gegend wird sie sehr verehrt. Man ruft sie an wie eine Heilige. Betet ebenfalls, und Jesus wird eure Gebete erhören, liebe kleine Freundinnen. Er wird euch kosten lassen, wie gut und liebevoll er zu einer Seele ist, die ihn in der Einfalt ihres Herzens sucht. Damit schließe ich, meine Kinder. Glaubt fest, dass unser Herr im Sakrament des Altares ist, denn er hat gesagt: „Ich bin da.“ Und wenn ihr ihn empfangen habt, dann bittet ihn vor allem, dass ihr ihn recht liebt. Eine Seele, die Gott um diese Gnade bittet, erhört er.
Die Erstkommunion ist der Ausgangspunkt des ganzen Lebens. Fleht unseren Herrn an, der in euer Herz kommt, dass er sich euch recht offenbare. Wenn ihr froh seid, dann sagt ihm eure Freuden. Wenn ihr in Angst seid, sagt ihm eure Befürchtungen. Wenn er euch heimsucht im Augenblick des Schmerzes, dann sagt: „Sprich, Herr, ich habe niemanden, der mich trösten könnte. Du bist der Gott meiner ersten heiligen Kommunion. Sprich wieder.“ Liebe Kinder, fasst heute den Entschluss, unseren Herrn recht zu lieben. Auch er wird euch sehr lieben und er wird euch im Überfluss die Gnaden der Zeit schenken und die der Ewigkeit, wo ihr ihn grenzenlos und für immer werdet lieben können.
