3. Die Gewissenserforschung
Meine Kinder, eure Exerzitien haben gut begonnen. Ich weiß, dass ihr sie fromm und gesammelt macht. Ich weiß, dass ihr während der Zeit des Stillschweigens innerlich gut auf die Gegenwart Gottes achtet. Die Mehrzahl von euch hat schon das kleine Heiligtum gefunden, von dem ich gestern gesprochen habe. Diesen Morgen will ich euch zeigen, wie man sein Gewissen erforscht, um gut zu beichten.
Wenn man zur Beichte geht, muss man seine Fehler recht bekennen. Wenn man sich ihrer nicht vollständig erinnert, müsst ihr Folgendes machen: Ihr habt ein Gebetbuch. Sucht die Seite, wo die Anleitung zur Beichte steht, lest sie aufmerksam und wendet euch dann eurem Herzen zu.
Eines Tages zog sich ein kleiner Junge von etwa 9 Jahren abseits in ein ganz kleines Zimmer zurück, wo ihn niemand sah, und weinte. Etwa, weil man ihn getadelt hat? Nein. Weil man nicht tun wollte, was er wünschte? Nein, nichts widersetzte sich seinem Willen. Weil er sich langweilte? Nein, er langweilte sich nie. Er tat es, weil er das Gewissen für seine erste Beichte vorbereitete. Dieses Kind war der hl. Aloisius von Gonzaga. Man fand ihn in dem kleinen Winkel, in den er sich zurückgezogen hatte, das Gesicht mit Tränen benetzt. Sein Gesicht zeigte Leichenblässe, hervorgerufen durch die Erinnerung an seine Sünden. Hatte er schwere Sünden begangen? Nein, er hat Gott noch nie schwer beleidigt. Die Sünden, die er begangen hatte, waren recht leicht, und er war noch sehr jung.
Dieses kleine Kind war einmal mit den Soldaten seines Vaters zusammen. Diese Leute gebrauchten grobe Ausdrücke, und er sagte sie ihnen nach, ohne deren Sinn zu verstehen. Aloisius von Gonzaga hatte auch Versuchungen wie alle kleinen Jungen. Eines Tages wollte er ein Feuerwerk machen. Dazu entwendete er bei den Soldaten seines Vaters Pulver, während sie nicht da waren. Das war kein schwerer Diebstahl, denn dieses Pulver gehörte seinem Vater. Aber der Gedanke, Gott beleidigt zu haben, schnitt ihm ins Herz und er weinte bitterlich.
Liebe Kinder, die ihr eure erste heilige Kommunion empfangen werdet, und ihr, die ihr sie noch in der Ferne seht, bittet Gott, dass ihr die Schwere erfüllt werdet beim Gedanken, Gott beleidigt zu haben. Dann macht in dieser Verfassung eure Gewissenserforschung. Eines rate ich euch ganz besonders: ihr habt Bücher, nehmt sie, lest die verschiedenen Artikel der Gewissenserforschung durch und seht, was ihr begangen habt. Es kommt vor, dass Kinder ihre Sünden aufschreiben, um sie vor ihrem Beichtvater abzulesen, damit sie keine vergessen. Das ist nicht immer notwendig. Hört zu.
Einem kleinen Jungen hatte man gesagt, er solle sich eines Buches bedienen, um sein Gewissen zu erforschen. Was tut er? Er schreibt eine Seite voll wörtlich ab, um sie seinem Beichtvater vorzulesen. Das sollt ihr nicht tun, liebe Kinder, sondern euch gut erforschen, um euch nur jener Sünden anzuklagen, die ihr begangen habt. Wenn man eine Liste seiner Sünden macht, darf man sie nicht verlieren, sondern muss sie nach der Beichte sogleich zerreißen.
Eines Tages übergab man mir eine Papierrolle. Es war das Beichtheft eines kleinen Mädchens. Maria Theresia hatte auf die erste Seite geschrieben: „Wer dieses Heft liest, begeht eine schwere Sünde.“ Deshalb brachte man es mir. Es ist erlaubt, es wie Maria Theresia zu machen. Man muss aber achtgeben, dass man sein Heft nicht verliert. Wenn ihr zum ersten Mal beichtet, könntet ihr eure Mama oder eure Lehrerin bitten, dass sie euch bei der Vorbereitung hilft. Ein kleines Mädchen bereitete sich auf die Beichte vor. Plötzlich sagte es zu seiner Mama: „Mutter, glaubst du, dass alle meine Sünde klein sind?“ – „Oh nein, man darf nicht glauben, dass sie klein sind, denn sie bereiten Gott stets Schmerz.“ Das kleine Mädchen ging zur Beichte, und als es fertig war, sagte es zum Priester: „Mama hat gesagt, dass ich schwere Sünden begangen habe, und ich meine, dass sie sich darin auskennt.“ – „Nein“, antwortete der Beichtvater, „deine Mama hat das bestimmt nicht so gesagt. Sie muss dir gesagt haben, dass deine Sünden, so klein sie sein mögen, Gott beleidigen.“
Ihr, liebe Kinder, die ihr im Hause Gottes und des hl. Franz v. Sales seid, ihr dürftet keine schweren Sünden begehen, man muss aber große Reue darüber haben, was Gott missfällt.
Wenn ihr euer Gewissen erforscht, sagt ihr manchmal: „Ich weiß nicht, ob ich diese Sünde begangen habe…“ Beunruhigt euch nicht. Sagt eurem Beichtvater nur: „Ich erinnere mich nicht, ob ich die oder die Sünde begangen habe.“ Das genügt. Bittet euren Beichtvater auch, euch über dies oder jenes zu fragen, was ihr nicht erklären könnt.
Wenn ihr die Blätter eures Buches über die Gewissenserforschung durchgelesen habt, dann öffnet das Buch eures Gewissens, denn es genügt nicht, die Mama oder seine Lehrerin zu fragen.
Vielleicht werdet ihr erstaunt sein über das, was ich euch nun sagen werde, liebe Kinder, aber hört gut zu. Jede von euch hat eine vorherrschende Sünde. Ich beschuldige niemand, doch unter euch gibt es einige, die, wenn sie nicht recht auf sich achtgeben, von Zeit zu Zeit eine kleine Lüge sagen, vor allem, um ihre Kameradinnen zum Lachen zu bringen, dann um sich zu entschuldigen, indem sie die anderen beschuldigen. Das ist abscheulich! Die Lüge hat Verästelungen aller Art, sie ist ein Unkraut. Man reißt eine Wurzel aus und glaubt, das sei alles. Aber da gibt es noch 25 andere. Man muss sich also seiner Sünden anklagen und sagen: „Ich neige zur Lüge, zur Falschheit.“ Falschheit, meine Kinder, d.h., falsch sein, d.h. sich nach außen nicht so zeigen, wie man im Inneren ist.
Bei anderen ist es der Hochmut. Niemand darf hochmütig sein wollen. Wer war der erste, der den Hochmut erfunden hat. Wisst ihr es? Wer ist es, der gesagt hat: „Gott ist wohl groß, aber ich will ihm niemals gehorchen?“ Das ist der, den wir Lucifer nennen, das ist der Teufel! Man ist hochmütig, wenn man glaubt, alles recht zu machen. Ein kleines Mädchen ist nicht sehr hochmütig. Wenn man aber 14 oder 15 Jahre wird, dann haben wir einen respektablen Willen…! Die Ratschläge einer Mutter, einer Lehrerin, müssen da zurückstehen. Man nimmt die Ratschläge einer Mutter, einer Lehrerin nicht gerne an oder betrachtet sie nur nach seinen eigenen Überlegungen. Man glaubt, groß genug zu sein, um selbst zu urteilen. Davon kommt der Eigensinn, unhöfliche, harte Worte gegen Diener, ein verletzendes, verächtliches Verhalten gegen Kameradinnen. Die zum Hochmut neigen, müssen sich darüber ernsthaft erforschen.
Schließlich gibt es noch solche, meine Kinder, die zur Sinnlichkeit neigen. Wenn man ein wenig nachlässig ist, wenn man seine Bequemlichkeit zu sehr liebt, ist man sinnlich. Man muss sich auch darüber erforschen, und sagen: Suche ich nicht stets meine Bequemlichkeit? Vielleicht möchte ich mich nie anstrengen? Kann ich die Leute, die mir dienen, gewöhnlich nicht leiden? Ertrage ich, was mir zuwider ist?
Mit einem Wort, jede muss sich im kleinen Buch ihres Gewissens erforschen. Meine Kinder, hier ist das letzte Buch, das man aufschlagen muss, das Buch der Gewohnheitssünden. Wenn man klein ist, kann man seine Mama befragen, aber wenn man groß ist, muss man dieses Buch der Gewohnheitssünden zu Rate ziehen. Ist die Gewissenserforschung abgeschlossen, dann muss man einen guten Akt der Reue machen, und man ist dann recht glücklich.
Ich habe diesen Morgen lange gesprochen, liebe Kinder, aber ich bin zufrieden, weil ich sehe, dass ihr aufmerksam hört, was ich sage. Ihr werdet also für eure Beichte das kleine Buch eures Gewissens zu Rate ziehen. Unser Herr segne euch, gebe euch allen die Gnade, euch gut auf die heilige Kommunion am kommenden Donnerstag vorzubereiten.
