2. Segensreiche Sendung der Kinder des hl. Franz v. Sales
Meine Kinder, als der hl. Bernhard noch ganz klein war, fragte ihn seine Mutter eines Tages: „Mein kleiner Bernhard, warum hast du heute deine Aufgabe so gemacht? Gewöhnlich ist sie nicht so gut gemacht.“ – „Oh, Mutter“, antwortet Bernhard, „deswegen, weil ich heute in das kleine Zimmer gegangen bin.“ – „In welches kleine Zimmer?“ – „Aber ich bin doch in das kleine Zimmer Gottes gegangen.“ – „Ist das kleine Zimmer Gottes nicht überall?“ – „Oh nein, ich spreche von dem, wo ich ihn um alles bitte, was ich will.“ – „Das ist ohne Zweifel die Kapelle?“ – „Ja, Mutter, e ist immer eine kleine Kapelle… es ist das Zimmer meines Herzens.“
Der Vater des hl. Bernhard war damals Bevollmächtigter der Herzöge von Burgund und hatte seine Residenz in Châtillon-sur-Seine. In diesem Haus gab es eine Kapelle. Ich habe sie vor kurzem besichtigt, meine Kinder. Ich kniete nieder betete für meine kleinen und großen Kinder von St. Bernhard von Troyes und auch für euch, meine kleinen Freundinnen. Ich habe den hl. Bernhard gebeten, euch etwas von seiner Liebe zu unserem Herrn zu geben, einige der inneren Freuden seines Herzens.
Der hl. Bernhard hatte von seiner Mutter gelernt, dass Gott gern in unseren Kirchen, in unseren Heiligtümern wohnt, um unsere Anbetung entgegenzunehmen. Er hatte aber auch gehört, dass Gott einen intimeren Tabernakel hat, denjenigen unseres Herzens, wo er mit der Seele, die ihn sucht, vertraulich spricht. „Wie liebt Gott dieses Heiligtum!“ sagte er. Ja, liebe Kinder, Gott wohnt gern in einem aufrichtigen Herzen.
Während der Exerzitien werdet ihr wohl zu unserem Herrn sagen, er möge in euer Herz kommen, wie es der hl. Bernhard als kleines Kind getan hat. Und wie müsst ihr euch nach den Exerzitien verhalten, wenn ihr Gott empfangen habt? Ich will es euch sagen, meine Kinder. Wenn ihr eine schwierige Aufgabe zu machen habt, wenn ihr fast keine Lust zu arbeiten habt, zieht euch in die Kammer eures Herzens zurück und sagt: „Mein Gott, ich habe keine rechte Lust zu arbeiten. Ich möchte diese Aufgabe lieber nicht mit der Fingerspitze anrühren, sie nicht aus einem Augenwinkel ansehen. Ich möchte nicht daran denken, sie ist mir zuwider. Aber wie der hl. Bernhard komme ich zu dir, guter Jesus. Schenke mir den Mut, die Schwierigkeiten zu überwinden.“
Liebe Kinder, ihr glaubt vielleicht, dass ein Mädchen nichts Besonderes zu tun hat, um die Sendung getreu zu erfüllen, die Gott ihm anvertraut hat. Ich denke keineswegs so. Hört gut zu, was ich euch sagen werde.
Ich kannte ein Kind, das eine große Sendung zu erfüllen hatte. Jetzt ist sie Zögling der Heimsuchung von Troyes und hieß Maria. Als ich zum ersten Male ihre Beichte hörte, sah ich in ihr eine so große Gewissenhaftigkeit, einen so großen Glauben, dass ich sogleich dachte, Gott habe sie zu einer großen Sendung berufen. Ich habe mich nicht getäuscht. Ihr werdet es sehen. Ich richtete an Gott die Bitte: „Mein Gott, ich weiß nicht, ob es wahr ist, was ich denke. Aber mir scheint, dass dieses Kind berufen ist, große Dinge zu tun. Wenn ich mich nicht täusche, dann gib, dass mir alle Gnaden gewährt werden, die ich durch seine Vermittlung erbitte.“ Ich sagte also zu Maria: „Du wirst in diesen Tagen auf meine Meinung beten.“ Und sie betete. Ich habe zur heiligen Jungfrau und zu den Heiligen um viele Gnaden gebetet, und ich bin nicht immer erhört worden. Wenn ich aber Maria beten ließ, wurde mir jedes Mal gewährt, um was ich gebeten hatte.
Dieses Kind gehörte zu einer guten Familie, aber sein Vater hatte sich in falsche Ideen verrannt und erfüllte keine der religiösen Pflichten. Für Maria war es ein großer Schmerz zu denken, dass ihr Vater kein Christ war. Eines Tages sagte sie: „Mein Gott, ich biete dir das Opfer meines Lebens an für die Bekehrung meines Vaters.“ Nach einiger Zeit befiel sie ein Brustleiden, das sie aufrieb. Als es ihr einmal sehr schlecht ging, und ihre letzte Stunde nahe schien, war ihr Vater da und weinte an ihrem Bett. „Vater“, sagte sie, „ich kann nicht zufrieden sterben, wenn ich dich nicht mit Gott versöhnt weiß.“ – „Du verlangst da etwas sehr Schwieriges von mir. Du weißt nicht, wie weit ich gegangen bin!“ Plötzlich ergreift Maria mit ihrer mageren Hand die Hand ihres Vaters und sagt unter Tränen: „Sei unbesorgt, Vater, Gott ist so gut, dass er dir verzeihen wird.“ – „Gut, du sollst zufrieden sein, mein Kind. Ich gehe. In einer halben Stunde werde ich zurückkommen und ich werde mit Gott ausgesöhnt sein.“ Tatsächlich kam der Vater eine halbe Stunde später zurück und war bekehrt. Dem Tod nahe, sagte Maria: „Da ich jetzt die Erde verlasse, wird der Himmel mein Erbteil sein. Bitte, verwende daher das Vermögen, das du mir gegeben hättest, um arme Waisenkinder christlich und in der Liebe Gottes erziehen zu lassen.“
Ich nenne euch nur das Beispiel Marias, aber ich kenne noch andere, die ich euch nicht erzähle, denn sie sind so ergreifend, dass ich weinen müsste, wenn ich sie erzählte.
Meine Kinder, ihr seht, dass euer Leben in der Familie viel bedeutet. Der Himmel bedient sich gern der Vermittlung von Mädchen. Als die heilige Jungfrau auf dem Berg von Lasalette erschien, wem zeigte sie sich? Einem Mädchen. Und jüngst erschien sie auch in Lourdes einem Mädchen, um eine große Zahl von Seelen von Krankheiten zu heilen, die noch schlimmer sind als die des Leibes. Wenn in einer Familie Frieden herrscht, wem ist das oft zuzuschreiben? Dem Gebet eines Kindes.
Seht eine kleine Blume, die in einer Felsspalte wächst. Ihr meint, dass sie unnütz ist? Oh nein, manchmal kann man daraus großen Nutzen ziehen. Ebenso kann ein kleines Kind eine große Sendung zu erfüllen haben.
Begreift gut, wie wichtig ihr in der Familie seid, liebe Kinder. Und damit Gott euch erhört, müsst ihr es machen wie der kleine Bernhard, ihr müsst in den Tabernakel eures Herzens hinabsteigen. Dann sollt ihr sagen: „Mein Gott, komm in mein Herz, denn du hast gesagt, dass es deine Wonne ist, bei den Menschenkindern zu wohnen.“ Wenn ihr versucht werdet, ungehorsam zu sein, – denn es kostet etwas, Ideen zu gehorchen, die nicht die unseren sind, – dann denkt an Gott, der euch sagen wird: „Lerne von mir, dass ich sanft und demütig von Herzen bin.“ Wenn ihr aus diesem kleinen Tabernakel kommt, werdet ihr sehen, dass Gott euch bei allem hilft, was euch schwer fällt. Wenn ihr eure Aufgabe schlecht gemacht habt, dann werdet nicht mutlos, meine Kinder, oh nein. Denkt an die Sendung, die ihr zu erfüllen habt. Wenn ihr ehrfürchtig gegen euren Vater und eure Mutter seid, wird Jesus gern in euch wohnen und euer Gebet erhören. Wendet euch also in jeder Lage an unseren Herrn und sagt: „Mein Jesus, was muss ich tun? Sprich, dein kleines Kind hört auf dich.“
Meine Kinder, ich fasse in wenigen Worten zusammen, was ich euch gesagt habe. Gott hat große Absichten mit euch, er will, dass ihr in eure Seele viel aufnehmt. Ihr habt eine große Sendung für alle. Ich habe die Beobachtung gemacht, dass der hl. Franz v. Sales die Kinder, die er um sich, um seine Fahne sammelt, immer auf besondere Weise beschützt. Er betet unablässig für sie und erlangt viel für sie. Heute werdet ihr den Entschluss fassen, nichts zu tun, ohne Gott um Rat zu bitten. Nicht wahr, ihr werdet ihm sagen: „Rede, Herr, denn dein kleines Kind hört auf dich.“ So werdet ihr es machen, liebe Kinder, in der Erwartung, dass wir alle in den Himmel kommen. Dort werden wir dich schauen, Jesus, dort werden wir dich preisen.
