Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 23.11.1898: Die hl. Messe

Die beste Vorbereitung auf das Priestertum ist das andächtige Beiwohnen der hl. Messe. Hat man ihr beigewohnt, dann weiß man sie auch gut zu lesen, und um ihr gut beizuwohnen, müssen wir unseren ganzen Willen und unser ganzes Herz zusammennehmen, so wie wir es zu Füßen des Kreuzes in Gesellschaft der sel. Jungfrau und des hl. Johannes getan hätten, indem wir die gleiche Sammlung, Aufmerksamkeit und Liebe mitbrächten. Das ist die Grundvoraussetzung, um ein guter Priester zu werden. Im hl. Messopfer liegt das Geheimnis des Priestertums: der Geist des Sich-Hinopferns und des Gebetes. Wenn wir versuchen, das zu begreifen, was unser Herr auf Kalvaria getan und geopfert hat, dann erkennen wir auch, was wir dem Mitmenschen zu tun und zu schenken haben.
Um aus diesen Gnaden Nutzen zu ziehen, müssen wir uns darauf vorbereiten. Dann wird uns auch die Zeit, die wir darauf, selbst kniend, verwenden, nicht zu lang vorkommen. Denn diese Zeit hat unser Herr an seinen lebenden Wunden hängend damit zugebracht, auf uns zu warten. Lebendig verbrennen ist ein schrecklicher Tod. Aber er ist kurz und nimmt schnell jedes Gefühl weg. Am Kreuze hängen bedeutet ein beständiges Auseinanderreißen, das ohne Unterbrechung den Schmerz anfacht. Wenn wir diese Gedanken in uns einlassen, wird es selbst in unserem Äußeren spürbar werden: Unsere Zuhörer werden die Gegenwart Gottes in uns wahrnehmen und werden gerne zu unserer hl. Messe kommen.

„Nach dem Sanctus denke man mit großer Demut und Ehrerbietung an die Wohltat des Leidens und Sterbens unseres Heilands…“

Wenn einem nicht alle diese Gedanken im Einzelnen ins Gedächtnis kommen, wie sie dieser Artikel uns nahelegt, so ist es gut, das Direktorium zur Hand zu nehmen und jede dieser Anmutungen zu erwecken.

„Erhebt der Priester bei der Wandlung den Leib des Herrn, bete man ihn mit großer Herzenszerknirschung an, opfere ihn in Vereinigung…“

„Zerknirschung“: das ist der rechte Augenblick, vom Herrn das große Verzeihen zu erbitten, indem wir uns besonders beim Gedanken an unsere schwersten und beschämendsten Sünden verdemütigen, jetzt, wo unser Herr uns so nahe ist und wir uns in seiner Gegenwart begegnen. Dann erwecken wir einen Akt der Hingabe unser selbst. „Quant et luy“ – ein alter Ausdruck, der einer Erklärung bedarf: er bedeutet nämlich: „zusammen mit ihm, so wie er und in derselben Weise wie er.“ Hat er doch seinen Leib, seine Seele, ja seine ganze Seele hingeopfert, und in seiner Nachfolge sollten auch wir ohne Vorbehalt hinopfern. Sind wir von diesen Gedanken wirklich zutiefst durchdrungen, werden sich die Folgen davon in unserem ganzen Leben bemerkbar machen. Denn das ist keine Lappalie. Mutter Chantal fragte den Heiligen eines Tages, ob er bei der hl. Messe Zerstreuung habe. Meine Mutter, war seine Antwort, unser Herr erwies mir die Gnade, dass ich nur noch auf die Gebete der hl. Messe achte, sobald ich das Antlitz zum hl. Altar gewandt habe.

Auch die Gute Mutter empfing bei der hl. Messe die stärksten und reichsten Erleuchtungen. Da bat sie den Herrn, er möge mir seine besonderen Absichten mitteilen. Nachher fragte sie mich dann: Was hat er ihnen kundgetan? Nichts, gab ich manchmal zur Antwort. Dann zog sie sich traurig zurück…

Viele solche Vorkommnisse finden sich in ihrer Lebensbeschreibung. Und es sind deren noch mehr. Einmal ging es um eine Postulantin, die man nicht behalten wollte. Ohne sie zu kennen, fühlte ich deutlich die Eingebung, sie solle wieder fortgehen. Das ist doch lächerlich, sagte ich zu mir selbst. Dennoch teile ich es der Guten Mutter mit. Das ist genau die Antwort, um die ich gebeten hatte, sagte diese darauf. Und die Postulantin ging wieder fort. Ein andermal war es Marie Mongin, die man fürchtete, entlassen zu müssen, weil sie schwer krank war. Als ich ihr die hl. Kommunion reichte, spürte ich in mir die Gewissheit, sie sei geheilt. „Meine Mutter, Sie können sie behalten, sie ist gerettet.“ Marie Mongin wurde eine gute Ordensfrau.

Wohnt bei hl. Messe in Gesellschaft eurer hl. Patrone und Schutzengel bei, und haltet das nicht für eine unbedeutende Sache. Im Gegenteil, das beweist gerade ein weites Herz und eine große Seele. Ein hl. Kirchenlehrer sagte: was eine Seele groß macht, ist nicht, dass sie sich zu großen Höhen erschwingt, sondern auch und vor allem, dass sie tief hinabsteigen kann. Damit vollbringen wir kleine Dinge und lernen, uns für die großen zu bereiten.
In diesem Zusammenhang empfehle ich euch, sorgsam achtzuhaben auf die Sondergnade, die jedem von uns vorbehalten ist und uns vor allem beim hl. Messopfer mitgeteilt wird. Es kommt z.B. auf dem Grund der Seele ein Gedanke, eine Empfindung, eine Erleuchtung. Darauf sollten wir ständig zurückgreifen und dieses Flämmchen unterhalten und schüren. Es dient uns als Ausgangspunkt, als Anstoß, und diese erste Anregung heißt es dann entfalten. Die Gnade hat in der Tat oft fast unmerkliche Anfänge. Der hl. Bernhard vergleicht sie oft mit der Wolke des Elias. Seit drei Jahren war kein Regen mehr gefallen, der Himmel war wie aus Erz. Da begibt sich der Prophet ins Gebet. In der Ferne sieht er plötzlich eine winzige Wolke, klein wie die Spur eines Fußes. Herr, betet er, gib, dass diese Fußspur sogar auf die umgebenden Länder sich ausdehne. Und Gott erhört sein Gebet und erfrischt das weite Land. Die Gnade gleicht diesem Wölkchen. Sie nimmt sich ganz unscheinbar aus. Schenkt man ihr aber seine Aufmerksamkeit, so gelangt man zu wunderbaren Resultaten. Anderenfalls bliebe der Himmel aus Erz.

Die hl. Kommunion: Immer sollten wir, wenn wir der hl. Messe beiwohnen, wenigstens die geistliche Kommunion empfangen. Nehmt als eins der besten Gebete hierfür das des hl. Alfons in seinen „Besuchungen des hl. Sakramentes“. Wir sollten alle dieses Büchlein besitzen. Dieses Gebet geht geradewegs zum Herzen Gottes. Staunt nur, wie der hl. Alfons hier uns auffordert, alle kleinsten Teilchen von Gnaden zu sammeln, die uns dem Heiland näherbringen können. Das ist ein sicheres Zeichen von Auserwählung.

Ich machte des Öfteren meine Exerzitien in der Großen Kartause, die als Novizenmeister den Pater Retournat, einen heiligmäßigen Mann, hatte. Als ich eines Tages seine Zelle betrat, begegnete ich einem jungen Geistlichen aus Nancy. „Da haben Sie einen echten Heiligen vor sich“, sagte mir der Pater, „und welchem Umstand verdankt? Seiner Treue, jeden Augenblick der Gnade unseres Herrn zu entsprechen. Geht er an einer Kirche vorüber, dann fühlt er die wirkliche Gegenwart des Herrn im Tabernakel. Er empfängt einen tiefen Eindruck davon. Und wie brachte er es dahin? Indem er der hl. Messe andächtig beiwohnte. Er hat auch die Gabe, seinen Eifer den anderen mitzuteilen. In seiner Gemeinde wirkt er auf diese ungeheuer viel Gutes.“

Auch die Redemptoristen haben dieses Charakteristikum, die Söhne des hl. Alfons v. Ligouri. Darum sind sie überall so gut angeschrieben und tun außerordentlich viel Gutes. Tut es ihnen gleich. Auch bei uns sollte unser lieber Herr umhegt, angebetet und mehr als überall geliebt werden. Bezeigt ihm eure Anhänglichkeit vor allem im Sakrament der göttliche Liebe.

Der Segen: Der priesterliche Segen sollte mit großer Ehrfurcht empfangen werden. Ihr erinnert euch des Vorfalls im Leben der Guten Mutter, als sie zusammen mit dem Heiland den Segen des P. Theodor empfing. Eine liturgisch sehr bemerkenswerte Zeremonie ist folgende: Nach der hl. Wandlung ist das erste, was der Heiland da auf dem Altar zugegen tut, dass er den Segen des Priesters empfängt (Anm.: „Das war die Messordnung vor dem II. Vatikanischen Konzil.“). Denn wenn der Priester sagt: „die reine, heilige und makellose Opfergabe“, macht er dreimal das Kreuzzeichen über die hl. Hostie. Der Segen des Priesters ist also etwas ganz Großes, und wir sollten uns glücklich schätzen, ihn vor dem Verlassen der Kirche zu empfangen.

D.s.b.