Kapitel vom 07.12.1898: Vorbereitung und Bedeutung der hl. Messe
Was ich euch jetzt sagen möchte, gilt unmittelbar nur für ein Viertel von euch. Dennoch ist es von unvergleichlichem Wert, wenn man die hl. Messe schon zu lesen lernt, bevor man dazu verpflichtet ist. Das ist umso notwendiger, als dieses Kapitel des Direktoriums sehr lang ist und nicht immer verstanden wird.
„Um würdig und fruchtbringend das hl. Messopfer zu feiern, sollen sich die Patres kurz vorher innerlich sammeln…“
Liest man die hl. Messe nicht unmittelbar nach der Betrachtung, soll man gesammelt in die Kapelle gehen, wie es das Direktorium empfiehlt. Schon frühmorgens müsste man ja schon mit der Vorbereitung darauf beginnen. Jetzt soll man die entsprechende Messintention ins Auge fassen und die Akte vornehmen, die dieser Artikel vorstellt. Da man sich schwerlich an alle im einzelnen erinnern kann, kann man das Direktorium zur Hand nehmen, und jeden dieser Akte, jedes der hier angegebenen Gebete der Reihe nach durchgehen, bald dieses, bald jenes. Man sollte sich aber nicht zwingen, jeden Tag jedes Gebet beten zu wollen. Man nimmt ja auch kein Buch zur Hand, wenn man sich mit einem Freund unterhalten will, sondern spricht aus der Fülle des Herzens. Das hat mehr Wert als selbst die gelehrtesten und heiligsten Gebetsformeln mechanisch herunterzusagen. Für einen Ordensmann wäre solch ein Akt ungenügend. Wählt also die eine oder andere dieser Gebetsformeln aus, um eure Seele in Stimmung zu versetzen und eure Aufmerksamkeit zu fesseln, und dann überlasst eurem Herzen die Zügel.
Die Vorbereitung auf die hl. Messe ist wesentliche Voraussetzung, um sie auch gut zu feiern. Fehlt diese Vorbereitung, ist unser Geist zerstreut, unser Wille unaufmerksam, wird man sie auch nicht gut feiern können. Das mag kein Gottesraub sein: dazu müsste einem ja der Stand der Gnade fehlen, man müsste eine schwere Sünde begehen oder die Rubriken verachten. Aber leider: viele schlafen, und darum entbehrt man des Eifers und unterscheidet nicht mehr den Leib und das Blut unseres Herrn…
Bereitet euch jetzt schon darauf vor, die hl. Messe einmal würdig zu feiern, indem ihr euer Herz für die hl. Kommunion gut bereitet. Sie ist die Sonne der geistlichen Übungen, wie der hl. Stifter sagt. Wie die Erde ohne Sonne unfruchtbar und wüst daliegt, so auch die Seele, die unempfänglich wäre für die Wohltaten des göttlichen Opfers. Im Priesterseminar sagte uns der Moralprofessor öfters: Wisst ihr, wann ihr eigentlich Priester werdet? Bei der Priesterweihe? Nein, schon jetzt! So wie euer Benehmen und eure Gesinnung heute beschaffen sind, so werden sie auch später sein. Wenn ihr durch eifriges Benehmen der hl. Messe eure Frömmigkeit und eure Treue vermehrt, werdet ihr auch später die hl. Messe richtig feiern. Und eure Treue wird Bestand haben, wenn ihr sie schon lange vorher solide begründet habt.
Wenn ihr wüsstet, wie wichtig das alles ist! Was ein Priester, ein Ordensmann vorstellt, der tief von dieser Gesinnung durchdrungen ist! In diesen Tagen noch fand ich wieder und las durch die Notizen Abbé Richard, eines heiligmäßigen Priesters. Besonders fiel mir sein Eifer auf, sich auf die hl. Messe vorzubereiten. Vom Beginn seiner Seminarzeit an hat er sich darin geübt.
Die hl. Messe ist unsere Stärke, unsere Rüstung, unser Leben. Der Priester ist der Mann der hl. Eucharistie. Er ruft Gott auf diese Erde herab. Jesus auf den Altar, kraft einer unerhörten Vollmacht, die nur ihm zuteil ist.
„Die Patres bestimmen dann, auf welche Meinung sie die hl. Messe lesen, für welche Personen und welche Bedürfnisse sie beten wollen…“
Gewöhnt euch jetzt schon an diese Praxis, wenn ihr der hl. Messe beiwohnt, und bestimmt die Intention, und bestimmt die Intention, für die ihr sie aufopfert: z.B. um diese spezielle Gnade zu erhalten, oder für eure Eltern, etc. Sprecht darüber mit dem lieben Gott. Denn auch ihr bringt ja das hl. Opfer dar, wie es die Gebete im Plural beweisen, sodass ihr, wenn ihr Jesu Handlungen folgt, nur eine Person mit ihm bildet…
Sodann folgt im Direktorium ein langes Kapitel, über welche Glaubensgeheimnisse man betrachten soll. Wenn ihr euch während der Vorbereitung gedrängt führt, einen Punkt aus dem Leben Jesu, z.B. das Geheimnis von Bethlehem, Kalvaria, Bethanien oder Genezareth besonders durchzubetrachten und zu ehren, dann folgt ruhig diesem inneren Zug. Habt ihr die nötige Zeit dazu, ist das ausgezeichnet. Im Allgemeinen aber ist das nicht recht praktisch für uns. Es erfordert zu viel freie Zeit, und unsere Zeit ist zu beschränkt, selbst für diese wichtige Handlung der Messe.
Auch während der Messe gibt der hl. Stifter nicht wenige Übungen an die Hand. Über dieses Kapitel wird er mir erlauben, nicht immer ganz seiner Meinung zu sein. Um nämlich alles zu tun, was er da empfiehlt, müsste man sich einem Übermaß an Bestimmungen unterwerfen, das ihm selbst vielleicht einen vorzeitigen Tod einbrachte. Was ich vorziehe, und als euer Gründer glaube ich dazu ein Recht zu haben, ist, dass man aufmerksam den Gebeten und Zeremonien der Kirche folge. Es gibt nichts Schöneres als die Liturgie, als den Inhalt des Breviers und des Missales. Damit kann man in reichem Maße seine Frömmigkeit und sein Herz nähren. Die Rubriken mit größter Ehrfurcht und Hingabe betrachten, die Gedanken der liturgischen Gebete tief in sich aufnehmen, ist eine ausgezeichnete Speise für unsere Seele. Seit vielen Jahren lese ich die hl. Messe: und doch kommt es nicht selten vor, dass ich auf ein Wort stoße, auf einen Gedanken, die ich glaubte, schon ganz und gar erfasst und durchdacht zu haben.
Nach 60 Jahren ist der Stoff also noch nicht erschöpft, wir besitzen da einen unergründlichen Schatz.
Die Heimsuchungsschwestern, die das Latein nicht verstanden, entbehrten diese Einsichten in die liturgischen Gebete. Dafür musste ihnen Ersatz geschaffen werden, indem man sie in deren Sinn einführte, und ihren Geist mit etwas beschäftigte. Ferner, wenn der hl. Stifter so vielerlei Übungen empfahl, geschah es auch aus dem Grund, weil man ihn als einen Neuerer verschrie, der eine allzu leichte und weite Frömmigkeit lehrte. Darum wollte er, so scheint es, die äußere Abtötung ersetzen durch eine bedingungslose Unterwerfung des Geistes und Willens. Heute besteht kein Anlass mehr, ihm derlei Vorwürfe zu machen. Darum können wir uns mit der Methode begnügen, die ich euch angebe. Und noch einmal: In diesen Zeremonien und Gebeten, die der Hl. Geist eingab und die Kirche vorstellt, findet ihr für eure Frömmigkeit ein überreiches Manna.
Herr Cardot zelebrierte die Messe auf höchst erbauliche Weise. Jede einzelne Zeremonie tränkte seine Seele mit Frömmigkeit… Betrachtet also die Glaubensgeheimnisse nur, wenn ihr die Zeit dafür habt, wenn ihr allein seid, auf der Reise, z.B., und ihr euch innerlich zu diesen Gegenständen hingezogen fühlt. Dann habt ihr da einen vortrefflichen Leitfaden.
„Tritt er zum Altar, stelle er sich den Herrn vor, wie er mit dem Kreuz beladen den Kalvarienberg hinanstieg.“
All das ist wohl zu bewahren.
„Wenn er zu Beginn der hl. Messe an den Stufen des Altars steht, richte er seinen Geist zu Gott und bringe nochmals in Vereinigung mit der unbegrenzten Liebe… dem Ewigen sein Opfer dar.“
Das ist sicherlich sehr gut. Ich selbst aber ziehe die Betrachtung meines „Introibo“ vor. Es enthält so rührende Gedanken, so tiefe und passende für alle Zustände der Seele. „Sende aus dein Licht… Warum bist du betrübt…“ Ja, wirklich, feiern wir die Messe doch mit der Messe!
„Beim Memento der Lebenden kann er unserem Herrn außer den obligaten noch andere Personen und Anliegen empfehlen…“
Wenn ihr daran denkt, ist es gut. Denkt ihr aber nicht daran, so strengt euch nicht an, dies zu tun.
„Bevor er bei der hl. Wandlung die Konsekrationsworte spricht, erneuere er die Meinung, und bete in Gedanken etwa: Mein Herr Jesus, würdige mich…“
Warum auch andere Gedanken pflegen als jene, die die hl. Liturgie bietet? Sie enthält großartige Wahrheiten. Seht nur: wir befinden uns in Gesellschaft unseres Herrn, sehen ihn, berühren ihn, nehmen seinen Platz ein, werden eins mit ihm, wie schön und groß ist das! Lassen wir also jeden dem Zug seiner Frömmigkeit folgen, bei jedem Wort ganz hingegeben. Schließlich ist es ja das Wort der hl. Kirche, das Wort Gottes, und dem ist nichts hinzuzufügen. Unnötig, die Engel und Heiligen zu suchen, wenn man den Heiland selbst hat…
„Beim Memento der Verstorbenen kann er außer den Seelen, für die er… zu beten verpflichtet ist, noch anderer armen Seelen gedenken…“
Danke, hl. Stifter, mir so viel Beschäftigung zu geben! Aber ist es nicht besser, mich mit dem Heiland zu identifizieren, diese ganz von Gott erfüllte Atmosphäre einzuatmen, mit unserem Herrn zu verschmelzen? Das ist die große Frömmigkeit des Priesters, da wird von der göttlichen Liebe überschwemmt.
Nie kann man die hl. Liturgie genug ausbeuten. Wenn ihr später selbst die hl. Messe lest, werdet ihr darin häufig Licht und ganz neue Einblicke in ein Wort, in eine Lehre finden. Das sollt ihr euch dann sorgfältig notieren und den Gläubigen zu ihrer Belehrung und Leitung mitteilen. Das wird ihnen enorm gut tun und sie aufs höchste interessieren. Man wird sich fragen: „Wo hat er das bloß her? Nie habe ich an diese Wahrheit gedacht, sie ist so lichtvoll und auferbauend.“ Allein schon die Stillgebete haben dem einstigen Generalvikar von Sens, dem jetzigen Erzbischof von Chambery Pichenot, Stoff für ein ganzes Buch geliefert, das ein vollständiges Lehrgebäude darstellt. Wie viel mehr Schätze werdet ihr erst entdecken wenn ihr Epistel, Evangelium und die übrigen Gebete dazu nehmt: zeige mir deine Wege, Herr, und deine Pfade lehre mich.
„Nach der hl. Messe bleibe er wenigstens noch eine Viertelstunde gesammelt. Er stelle sich den Heiland in seinem Herzen so lebhaft vor.“
Das habe ich lieber. Lassen wir uns von den Weisungen des Direktoriums anregen, aber noch mehr sollen wir unser Herz sprechen lassen. Das ist unsere Sache. Verbinden wir damit, wie man uns im Seminar riet, einige der schönen Gebete des hl. Thomas v. Aquin, wo jedes Wort ins Schwarze trifft und Poesie sich mit der exaktesten Theologie verbindet. Lasst euch ganz durchdringen von den Gedanken und Gefühlen, die sie euch vermitteln und greift im Laufe füllt es mit dem Duft lieblicher Gedanken, die euch des Morgens getröstet und erleuchtet haben.
D.s.b.
