Kapitel vom 13.10.1897: Geschichten über und von uns zu erzählen, ist verboten (?)
Wir wollen uns (am Ende der großen Ferien) wieder mit ganzem Mut an die Arbeit machen. Damit wir dabei nicht erliegen, dass unsere Bemühungen vielmehr Nutzen stiften und bei den Schülern Frucht tragen, müssen wir zwangsläufig gute Ordensleute werden. Sobald ihr ganze Ordensleute seid, geht alles gut.
Erlaubt mir eine wichtige Bemerkung: Manche haben eine merkwürdige Art und Weise, über diesen und jenen Geschichten zu erzählen… Ich weiß wohl, dass das kein schlimmes Laster ist. Man gehört zur selben Genossenschaft, man kümmert sich um sie, interessiert sich für sie und liebt sie… und spricht viel über sie und einige ihrer Mitglieder…Ich ermahne darum einige von euch, nicht mehr solche Geschichten zu erzählen. Über das, was in der Kongregation geschieht, soll man nicht sprechen: Über die Versetzung des einen oder anderen, über die eventuellen Gründe dieser Versetzung… Das ist absolut verboten, es erniedrigt uns. Meine Freunde, wahren wir etwas mehr Würde!
Wir, die wir durchs Weltpriesterseminar gegangen sind, konnten, ich weiß es wohl, uns diese schlechte Gewohnheit etwas aneignen. Denn im Seminar tut man das gern. Man beschäftigt sich mit der Versetzung der Lehrer, der Konfratres, über die Diözesanverwaltung… Doch unter Ordensleuten ist das unbedingt verboten. Der hl. Bernhard sagt: „Dummes Geschwätz im Mund eines Weltmenschen bleibt Geschwätz, im Munde eines Priesters und Ordensmannes wird es zur Gotteslästerung.“ Das heißt, es handelt sich hier um Worte, die skandalisieren, Worte, die über das Geziemende, Harmlose und Erlaubte hinausgehen. Nehmt darum in diesem Punkt untereinander die brüderliche Zurechtweisung vor. Weicht einer von euch nach dieser Seite ab, so fasst ihn am Ärmel und sagt zu ihm: Nach dieser Seite soll man nicht gehen!
Ich weiß wohl, dass nicht alle, Gott sei es gedankt, so handeln. Aber es sind welche da, die von Haus zu Haus das weitererzählen, was hier und dort geschieht. Ich verbiete es. Was in St. Bernhard geschieht, bleibe in St. Bernhard. Was anderswo vorgeht, bleibe dort. Wir sind keine Zeitungen, die die Aufgaben haben, das weiterzuerzählen. Das erniedrigt, es bleibt nicht verborgen, und ich kann euch den Eindruck nicht schildern, den solch ein Verhalten in der Gesellschaft, bei Leuten, die Lebensart besitzen und euch hören, hervorruft…
Was die religiösen Übungen betrifft, sollen wir sie pünktlich machen, sich nie von der Betrachtung, von der Besuchung des Allerheiligsten dispensieren, ohne spezielle Erlaubnis des Oberen. In den Häusern der Heimsuchung ist es Sitte, diese Art Erlaubnisse alle 14 Tage zu erneuern. Das ist eine sehr gute Übung der Abhängigkeit, die die Gnade Gottes herabzieht.
Es ist unbedingt verboten, in die Stadt zu gehen oder einen Spaziergang des Oberen zu machen. Diese Erlaubnis kann erteilt werden, wenn es sich um einen Ausflug aufs Land handelt. Die Stadt selbst soll kein Ausflugsziel sein, besonders jetzt nicht, wo wir in unserer Kleidung etwas Besonderes, wo wir eine (uns eigene) Uniform haben. Die Leute, denen wir begegnen, sind Priestern und Ordensleuten nicht immer gewogen. Man soll uns nur im Kolleg und in der Kirche sehen, dort, wo wir andere erbauen können. Wir wollen im Allgemeinen auch unsere Schuhe, Brillen, etc. nicht selber kaufen. Wenden wir uns an den Ökonomen P. Lambert. Er wird entsprechende Anweisungen geben. Seht nur, man legt sich da so kleine, leichtsinnige Allüren zu, die mit unserer Art gar nicht harmonieren. Das kann uns keinen Nutzen bringen. Unsere Aufgaben sind wahrlich ernst genug, dass wir unsere ganze Aufmerksamkeit und Energie darauf konzentrieren.
Ich wünsche sehr, dass unsere Ordensgemeinde sich gut präsentiere, dass wir Oblaten etwas Gediegenes vorstellen. Innerhalb des Hauses soll alles vom Oberen abhängen. P. Rolland wird die Programme aufstellen, wird alles überwachen, ihm müssen alle Fragen vorgelegt werden. Er hat das Amt inne und muss deshalb über alle Mittel verfügen, es auszuüben. Mit Hilfe eures Vertrauens, eurer Abhängigkeit und Unterwerfung könnt ihr alle in vollkommener Weise die Anforderungen des Unterrichtes und der Aufsicht erfüllen, die man von euch verlangt. Jeder halte seine Seele in Treue vor Gottes Angesicht, rein von allem, sei es im Sechsten Gebot wie in allen anderen, besonders im Gebot der Nächstenliebe und im Geist der gegenseitigen Hilfe.
Was diesen Geist der gegenseitigen Hilfe betrifft, muss man von einem bestimmten Prinzip ausgehen: Ihr seid soundso geartet. Eure Art zu sein, zu urteilen und vorzugehen, gefällt nicht allen, die euch umgeben. Ihr dürft euch darum auch nicht wundern, wenn ihr selbst auch nicht von der Art des anderen entzückt seid. Was ist da zu tun? Jeder muss im Anderen die gute Seite sehen. Denn immer hat er eine gute Seite. Davon muss man ausgehen, dann heißt es diese gute Seite sehen. Denn immer hat er eine gute Seite. Davon muss man ausgehen, dann heißt es diese gute Seite ausbauen und nicht einengen. Anderenfalls, wenn ihr euch nicht an diese gute Seite klammert und darin einnistet, werden eure Beziehungen zusammenschrumpfen und ihr werdet euch ganz und gar nicht mehr verstehen. Diese gute Seite heißt es ins Auge fassen, auf diesem Terrain sich festsetzen, sich ausdehnen in die Tiefe wie in die Höhe und darauf aufbauen…
Ein wahres Brachland gilt es da urbar machen. So wie wir in Afrika jenseits des Oranje ein Gebiet von 40 Quadratkilometern zur Verfügung haben. Auch dort gibt es einige Wasserstellen und Grünland, darüber hinaus ist das Nichts (Wüste). Ein treffendes Bild jener, mit denen wir zusammenleben. Das sei also immer die Verhaltensregel gegenüber unseren Mitbrüdern und Schülern. Davon müssen wir ausgehen: das zu lieben, was an Gutem in ihnen steckt, und es dann auszubauen suchen durch Vertrauen und Hingabe. Auf diesen Standpunkt müssen wir uns allezeit stellen, es ist der einzig richtige und wahre.
In unseren Beziehungen untereinander müssen wir gut das beachten, was in den Satzungen steht. Möchten unsere gegenseitigen Beziehungen nichts Hartes und Ungehobeltes an sich haben, was Mangel an guter Erziehung verriete. Gute Erziehung ist aber nichts anderes, als die praktische Anwendung der Prinzipien des christlichen Lebens.
Ich stelle fest, dass der Prozess der Guten Mutter wacker voranschreitet. P. Rollin schreibt mir, dass man zurzeit alle nötigen Schritte unternimmt, um die apostolischen Gerichtshöfe zusammenzustellen, die die Diözesangerichte ablösen sollen. Wir haben in der Guten Mutter eine Beschützerin. Alle staunen über das einmütige Urteil aller zugunsten der Guten Mutter. Das ist für uns ein Anlass, in unseren apostolischen Werken, die ja auch die ihrigen sind, sie mehr und mehr bekannt und beliebt zu machen. Geistliche weisen darauf hin, dass ihr Prozess, nachdem ihre Sache das gute Urteil Roms gefunden hat, ohne jede Unsicherheit gedeihen kann. Das ist für uns ein Plus. Der Hl. Vater selbst hat sich öffentlich und feierlich für sie ausgesprochen.
Wir müssen also, meine lieben Freunde, das eigentümliche Gepräge unserer Familie bewahren, müssen uns nach dem Vorbild, das uns vor Augen gestellt wurde, modellieren, im Äußeren wie im Inneren. Das ist für uns ein Grund, uns vor jedermann, besonders vor den Geistlichen, als echte Ordensleute, als gute Oblaten des hl. Franz v. Sales auszuweisen. Beten wir, dass der liebe Gott den guten Fortschritt des Prozesses der Guten Mutter fördere. Ich glaube, dass nichts fehlen wird, sowohl, was für die Seligsprechung im Punkte des heroischen Tugendgrades erfordert ist wie auch was die Heiligsprechung bezüglich der vorgeschriebenen Wunder angeht.
D.s.b.
