Kapitel vom 28.07.1897: Wie man wirklich gut von der Ferienzeit profitiert
Die Gegenwart des P. Rollin ist für uns wertvoll, da wir das Noviziat neu aufstellen wollen. P. Rollin wird, ohne sich zu überanstrengen, den Novizen hin und wieder eine kleine Konferenz halten über die Art, wie man ein guter Novize wird und wie man sich die Gewohnheiten und den Geist der Kongregation zu Eigen macht.
Es ist nicht leicht, den Geist der Kongregation zu übernehmen. Wer die Verantwortung für das Noviziat übertragen bekam, möge bedenken, dass man das Noviziat nicht ihm anvertraut hat, sondern der hl. Regel, dem Geist der Genossenschaft und der Guten Mutter. Die Ordensgemeinde kann ihre Verantwortung für das Noviziat nur unter dieser Bedingung an den Novizenmeister abtreten. Der Novizenmeister muss von seinen persönlichen Beobachtungen und Ansichten Abstand nehmen, um die Gedanken der Guten Mutter und des hl. Franz v. Sales anzunehmen. Am Anfang soll ihm die Leitung P. Rollin zur Verfügung stehen, der vom Geist der Guten Mutter tief durchdrungen ist. Er soll gewissenhaft den Weisungen folgen, die ihm P. Rollin gibt. Ich bestehe darauf, dass der neuernannte Novizenmeister sich bei P. Rollin alles Notwendige hole und für sein Verhalten und dass er sich den Geist der Kongregation ganz und bedingungslos zu Eigen mache. Denn ohne das könnte er sein Amt nicht ausfüllen.
An die Adresse der Professen möchte ich sagen, dass die im Kolleg beschäftigten Patres an folgenden (gemeinsamen) Übungen festhalten müssen: Morgenbetrachtung, hl. Messe, Besuchung des Allerheiligsten, Stunden für die Mahlzeiten und Abendgebet. Ich glaube, es wäre nicht menschenfreundlich, von ihnen während der Ferien noch andere Übungen zu verlangen, wie z.B. die Teilnahme am (gemeinsamen) Offizium, etc. Da es sich aber um allgemeine Maßnahmen handelt, möchte ich euch alle befragen (Anm.: „P. Brisson befragt uns alle mit den Augen, d.h. face-to-face.“). Man möge sich also danach richten. Niemand gehe in die Stadt oder mache einen Spaziergang ohne die Erlaubnis des P. Rollin, und in seiner Abwesenheit des P. Lambert, der während der Ferien noch hier ist. Er wache über die Einhaltung der Tagesordnung und gebe die nötigen Erlaubnisse.
(Die Novizen treten ein): Während der Exerzitien habe ich vor, den P. Pernin zu bitten, einige Vorträge zu halten und uns dabei seine Auffassungen mitzuteilen über die Art von Seelsorge, die wir nach außen hin zu betreiben haben bei den Weltleuten wie auch gegenüber den (Ordens-)Gemeinschaften.
Ich wiederhole, was ich gestern beim Gottesdienst in der Heimsuchung gesagt habe und was mir der Redner während der diesjährigen Preisverteilung (am Jahresschluss) mitgeteilt hat: Gewiss erhält sich die katholische Religion durch sich selbst. Die Kirche nahm auf Kalvaria ihren Anfang, wo nur vier Personen zugegen waren. Und selbst wenn die Zahl der Kirchendiener und ihrer Jünger abnehmen sollte, sie bliebe immer die Kirche. Dennoch ist es unsere Pflicht, alle menschlichen Hilfsmittel zu ergreifen, damit die Kirche Wurzel fasse und sich ausbreite. Das große Mittel hierfür ist, sich auf die lebenskräftigen, aktiven und arbeitsamen Völker zu stürzen. Seht nur Großbritannien an: Es ist eine Großmacht. Wäre es katholisch gewesen, so wären zwei Drittel der Erde ebenfalls katholisch gewesen… Schweden, Norwegen und Dänemark sind Mächte, die daran gehen, ihren Platz vor aller Welt anzutreten. Die Gesundheit dieser Menschen ist stark und widerstandsfähig. Es sind eben nordische Menschen, und der Norden war es, der die Welt besiegt hat. Hätten wir dort eine Mission, wie vortrefflich wäre das! Ebenso in Großbritannien… Die Briten, die man bekehren würde, wären praktische und solide Menschen, die in ihren Wirkungsbereichen stärkeren Einfluss ausüben würden als irgendein anderer…
Wir müssen darum unseren Stützpunkt bei lebenskräftigen Völkern suchen. Herr Klein sagte mir: Was man dorthin schicken muss, sind nicht Prediger, Menschen, die kommen und gehen, sondern Männer wie ihr, die über eine Lehre verfügen, die dort Wurzel schlagen, ausharren und das durchhalten. Das seid ihr Oblaten mit eurem Geist, ihr könnt das verwirklichen.
Seine Rede war sehr schön, voll von einer wunderbaren Philosophie. Man muss also den Menschen das nahebringen, was sie verstehen können. Man muss sie auf dem Weg voranführen, auf dem sie bereits einen Fuß stehen haben. Wir müssen ganz praktische Theologen sein, die den Menschen, „aufs Maul schauen“, zu denen sie reden sollen. Die mit den Menschen zu sprechen verstehen, die noch Lebenskraft und Energie in sich haben.
Ein Wort über die Ferien:
Verbringen wir gute Ferien, indem wir uns zwei- oder drei Barrieren aufstellen, über die wir uns nicht hinwegsetzen wollen. Profitieren wir von dieser Zeit der Freiheit, indem wir ganz unser Direktorium praktizieren. Wüsstet ihr nur, wie vorteilhaft es ist, exakt und treu nach dem Direktorium zu leben, wie frei und unabhängig das macht. Die Sage erzählt: Jedes Mal, wenn Antäas in seinem Kampf gegen Herkules den Erdboden berührte, wuchsen ihm neue Kräfte. Auch uns wachsen sie, sobald wir Gott durch das Direktorium berühren. Praktiziert es also gut! Es macht euch äußerst stark, großmütig und glücklich. Jede Aufgabe wird euch dann leichter.
Während der Ferien soll man sich entspannen, das ist wahr. Wir sollen aber auch etwas tun. Alle Lehrpatres, die für die Schule bestimmt werden, mögen sich daran machen, ihren Unterrichtsstoff vorzubereiten. Warum auch nicht? Diese Vorbereitung, die ihr schriftlich vornehmt, wird euch sehr nützen. Im Augenblick wo ihr dann Unterricht erteilt, stoßt ihr wieder darauf, ihr lest eure Vorbereitung wieder durch. Neue Ideen gesellen sich dazu und machen euren Unterricht spannend. Eure Schüler werden euch interessiert zuhören und eure Worte behalten. Ein Unterricht sollte ja nicht grobschlächtig sein. Zu irgendeiner Frage aus Geschichte, Geographie, Mathematik, Literatur, Grammatik, etc. Müsst ihr eine interessante Bemerkung hinzufügen können, z.B. über die Herkunft des Wortes, einen Einfall, einen Geistesblitz, eine Anekdote, einen Vergleich. Dann wird euch jedermann gern zuhören und es im Gedächtnis behalten.
Im Kleinen Seminar verstand es Herr Abbé Josse, der uns als Lehrer von der Sexta bis zur Unterprima begleitete, von der Sexta und Quinta an ungemein zu fesseln. Wir hatten z.B. eine Übersetzung zu machen. Er nahm eines unserer Schulhefte zur Hand, las daraus vor, griff die einzelnen Ausdrücke heraus, lobte, tadelte und verbesserte vor der ganzen Klasse. So ließ er alle an der Übersetzung des einzelnen teilnehmen. Alle hörten aufmerksam zu, weil es sie interessierte. Was war die Folge? Von den 16 Schülern unserer Klasse wurden 15 vortreffliche Priester, der sechzehnte aber Gesandter. Die Klasse nach uns dagegen, obwohl sie Schüler aufwies, die uns intellektuell und begabungsmäßig sicher überlegen waren, brachte es nur zu zwei oder drei Geistlichen. Das lag vor allem an den Lehrern.
Während der großen Ferien bereite also jeder seinen Unterrichtsstoff vor. Und das geschehe in Verbindung mit dem Direktorium. Darüber hinaus wollen wir hin und wieder einen schönen und angenehmen Spaziergang machen.
Findet ihr an dieser oder jener Lektüre, an diesem oder jenem Studium Geschmack, dann nehmt ihr euch auch die nötige Zeit dafür. So macht ihr euer Leben glücklich, glücklich für euren Geist, für euer Herz wie für euren Glauben. Ja, solch ein frommes und gleichzeitig ernstes und vollkommen religiöses Leben wollen wir führen!
Ich habe den Wunsch, das Rauchen vollständig zu verbieten. Herren und Damen sagen mir: „Ihre jungen Oblaten sind aber famose Raucher, besonders der und der Lehrpater…“ In Ländern, wo das Rauchen Tradition ist, mag es schwer sein, darauf zu verzichten. Bei uns ist es nötig, ohne Rauchen fertig zu werden. Anderenfalls sind wir bald alle Raucher und werden kleine Unteroffiziere heranzüchten wie in der Kaserne.
Das mag manchen schwerfallen, ich weiß es. Es ist eine Abtötung, die wir dem lieben Gott aufopfern wollen.
D.s.b.
