Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 31.03.1897: Die ernsthaften Vorbereitungen auf die Weihen

Ich empfehle in eure Gebete alle Patres, die am Samstag Weihen empfangen. Meine Freunde, ich wünsche sehr, dass ihr alle versteht, worum es bei der Priesterweihe geht. Alle, die geweiht werden möchten, mögen sich lange Zeit und ernstlich darauf vorbereiten, ist es, das Pontifikale, das „Handbuch der Weihekandidaten“ durchzulesen und durchzubetrachten. Ich erinnere mich, wie man uns im kleinen Seminar, wo man wahrlich nicht sehr fromm ist, die Gebete und Zeremonien der Priesterweihe durchlesen und besprechen ließ. Das sollte für uns eine intime Vorbereitung auf die hl. Priesterweihe wie auch auf die anderen Weihen sein. Verstehen wir das wohl. In der hl. Kirche kommt alles auf den Glauben, das Gebet und die Gottvereinigung an. Die Weihe ist nicht eine einfache Zeremonie, eine pure Einführung in ein Amt, sondern eine tiefinnere Verwandlung, eine Neuschöpfung, die sich in uns auf Grund einer Vorzugsgnade vollzieht und für die man seine Seele gründlich empfangsbereit machen muss. Darum wird es gut sein, wenn wir alle unser „Handbuch der Weihekandidaten“ haben oder es jedenfalls jederzeit zur Hand haben können. Das möge man durchlesen und vor allem durchbetrachten. Es sei uns wie ein zweites Direktorium.

Nach meiner langen Erfahrung, ich berufe mich ja gern auf meine alte Erfahrung, und ich glaube, dazu wohl ein bisschen Recht zu haben, kenne ich keine guten Priester, die sich auf ihre Weihe nicht in dieser Weise vorbereitet haben. Sie verschafften der Kirche den Trost, heilige Priester zu besitzen. Während die anderen, die so auf gut Glück durch die Weihen gingen, wenig Gutes geleistet haben.

Meine Freunde, der Ordensstand ist sicher ein heiliger Stand. Das Priestertum aber ist zweifellos das Erhabenste, das es auf der Welt gibt. Denn der Priester ist die Fortsetzung Jesu Christi, ein zweiter Christus. Wenn ihr die Messe lest, dann sagt ihr nicht: Das ist der Leib Jesu Christi, sondern: das ist mein Leib, das ist mein Blut. Wenn ihr die Messe feiert, so sollt ihr euch der Worte der Guten Mutter erinnern: „Ich habe ja einen Erlöser. Was ich aus Zerstreutheit oder Schwäche nicht gut mache, das ersetzt der Heiland und macht es wieder heil.“ Denken wir bei der Messfeier daran, dass unser Herr selbst die Messe liest. Wir sind nichts als seine Werkzeuge.

Welche Vorbereitung erfordert also solch eine Würde, solch eine Gnade! Zwischen den einzelnen Weihen liegt im Allgemeinen ein ziemlich großer zeitlicher Zwischenraum. Die Kirche folgt darin bestimmten Gesetzen. Früher erteilte man im kleinen Seminar von Troyes die Tonsur schon am Ende der 5. Klasse des Gymnasiums, die Niederen Weihe am Ende des 1. Jahres im Großen Seminar (des ersten philosophischen Jahres). Subdiakon wurde man am Ende des zweiten und in den folgenden Jahren empfing man das Diakonat und die Priesterweihe. Diese Zwischenphasen sind also eine sehr wertvolle Zeit. Man hat alle Muße, über die Weihen nachzudenken und abzuschätzen, was man da empfangen wird. Man bereitet sich mit aller Sorgfalt vor. Diese Vorbereitung auf die hl. Weihen ist, um es noch einmal zu sagen, von sehr großer Wichtigkeit.

Das formt den innerlichen Menschen. Der Priester ist keine Maschine. Was einen zum Priester macht, ist nicht die Soutane, mit der man bekleidet ist, sondern die Ähnlichkeit mit dem, den er darstellt, mit unserem Herrn Jesus Christus.

Wir wollen darum innig für unsere Weihekandidaten beten. Ich kenne keinen guten Priester, der nicht sein kleines Merkbuch über die Weihen hätte, angefangen bei der Tonsur. Darin haben sie aufgeschrieben, was sie innerlich angesprochen hat. Und genau das formt den guten Priester, der seine Würde und seine Pflichten ernst erfasst. Was wäret ihr sonst? Ein äußerer Schein, ein Gespenst.

Es wird also gut sein, wenn im Noviziat jedermann sich auf die Weihe vorbereitet, die er empfangen soll. Was wird die Folge sein? Eine feste Überzeugung wird sich in euch bilden und in euren Seelen festsetzen. Dann kommt noch eine überfließende Gnade dazu, und die wird wirksam werden. Seht nur, welche Feierlichkeit die Kirche in den Zeremonien der Priesterweihe entfaltet. Ist das für sie nicht der wichtigste Akt ihrer Jurisdiktion? Vom Ordensstand müsste hin zur Priesterwürde jede nur mögliche Vorbereitung beigebracht werden. Bedenkt, dass man im Seminar zwangsläufig mehr Schwierigkeiten für diese Vorbereitung hat, weil den Seminaristen die Noviziatsausbildung fehlt und sie keine Gelübdepraxis haben. Man versteht dort auch nicht immer genügend den Gehorsam, die Armut. Vielleicht denkt man ein bisschen zu viel an gute Posten, Rang und Würden und ein ehrenhaftes Einkommen. Kommt man aber vom Ordensstand zum Priestertum, dann muss es ganz anders sein: Man muss dann im innersten Seelengrund bereit sein, ein neuer, mit göttlichen Vollmachten ausgestatteter Mensch zu werden, ein Minorist, ein Subdiakon, ein Diakon, ein Priester, ein zweiter Christus. Und zwischen den einzelnen Weihen bereitet man sich gründlich für diese neue Veränderung und Würde vor. Betrachtet nur die Priesterweihe: welch mächtiges Geschehen, das Himmel und Erde umfasst! Es ist das Größte, Schönste und Notwendigste auf Erden, der geöffnete Himmel, … eine Angelegenheit der Ewigkeit! …

Beten wir also viel für unsere Weihekandidaten. Ich wünsche, dass die Priester bei der hl. Messe ein besonderes Memento für sie einlegen und die übrigen eine hl. Kommunion in dieser Meinung aufopfern. Am Tag der Priesterweihe möge man ganz besonders mit ihnen und für sie beten. Das Gebet ist unerlässlich, um besondere Gnaden zu erlangen, die jene weit übertreffen, die Gott gewöhnlich der großen Masse der Gläubigen zuteilt. Wenn das Gebet bei solchen Anlässen nicht notwendig wäre, dann hätte unser Herr uns nicht das Beispiel dafür gegeben: er hätte nicht eine ganze Nacht im Gebet auf dem Berg verbracht, hätte sich nicht in die Einsamkeit, „er ganz allein“, zurückgezogen.

Meine lieben Freunde, beherzigen wir tief diese Wahrheiten. Möge unser Lebenswandel ernst und würdig sein. Möge er nicht dem von Lausbuben, Schülern oder auch Lehrern gleichen, die alles auf die leichte Schulter nehmen. Auf dieser ernsten Vorbereitung für die hl. Weihen beruht die Zukunft der Kongregation.

Ich empfehle euren Gebeten die Seelenruhe des P. Paul Rougelot, dessen Tod wir in dieser Woche durch Telegramm erfuhren. In seinem letzte, einem sehr schönen Brief, der verdient, dass man ihn in die „Annales“ setzt, legte er mir Rechenschaft über sein Leben, seine Seelsorge ab, immer unterwegs zu Pferd, freudig alle Mühen und Hunger ertragend, um die armen Katholiken zu trösten und zu unterrichten. Er versicherte mir, dieses Leben gefalle ihm und er fühle sich bei ausgezeichneter Gesundheit. Und heute ist er tot. Ob durch einen Unglücksfall, den Typhus, der in diesem Land heftig wütet, ich weiß es nicht.

Ich empfehle euch ebenfalls P. Boney, der in diesem Augenblick sehr krank ist. Das sind für die Kongregation sehr schwere Heimsuchungen, die es zu ertragen gilt. Die Prüfung demütigt und beweist uns, was wir sind und wie sehr wir der Hilfe Gottes bedürfen.

Wir stehen in der Fastenzeit. Es wird darum gut sein, einige unserer Abtötungen für unsere Toten, Kranken und Weihekandidaten aufzuopfern. Und Abtötungen lassen sich ja ohne Mühe finden. Das war das große Geheimnis der Guten Mutter: nicht wir müssen die Bußmittel finden, sondern Gott liefert sie uns. Denn den Hilfsmitteln unserer eigenen Wahl geht immer etwas ab, nicht aber denen, die Gott uns schickt. Verstehen wir das wohl, meine Freunde. Versuchen wir, während der Fastenzeit dies in die Praxis umzusetzen.

D.s.b.