Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 04.11.1896: Die Missionen und Apostolate

„Daher sollen sie sich aus ganzem Herzen bemühen… durch Missionen bei Irrgläubigen und Heiden… an der Heiligung des Nächsten mitzuwirken.“

Damit wir gute Missionare des hl. Franz v. Sales seien, muss unser Fundament fest gründen, muss man sich, wenn schon nicht lange, so doch ernstliche mit der Praxis des Direktoriums und der klösterlichen Tugend befasst haben, besonders mit den uns von Franz v. Sales empfohlenen: mit dem Gehorsam und der Liebe zur Armut. Das ist Zweck und Ziel sämtlicher Übungen des Noviziates wie des Gemeinschaftslebens. Da will man uns fest verankern in der Gewohnheit der Sammlung, des Wandels in der Gegenwart Gottes. Erst das macht es uns möglich, gute Ordensleute zu bleiben, wenn wir in die Ferne ziehen in ein zerstreuendes und arbeitsreiches Leben des Apostolates. Dafür müssen wir mit Mut gewappnet sein.

Das Leben eines Missionars ist sehr schön, ist aber auch sehr geprüft. Hat der Missionar nur eine kleine Missionsstation zu versehen, bleiben ihm viele unausgefüllte Augenblicke, erlebt er viel Mutlosigkeit und Heimsuchungen jeder Art. Darum ist es notwendig, dass er in sich selbst alles Nötige vorfindet zu seiner Ermutigung und Stärkung. Ein Oblate des hl. Franz v. Sales ist aber sehr wertvolle Hilfen und steht damit nicht mehr allein da. Und gerade darum wird euch die Beobachtung des Direktoriums so eindringlich empfohlen. Der Oblate braucht es überall, vorzugsweise aber in den Missionen.

In den Missionen heißt es also, die innere Regel, d.h. das Direktorium, zu beachten. Und dazu kommt dann die äußere Regel, der Gehorsam. Denn der Ordensmissionar sollte in größerer Abhängigkeit und Unterwerfung leben. Das bildet seine unabänderliche Lebensregel. Gewiss ist es statthaft, seinem Oberen in Ehrfurcht Überlegungen und sogar Einwände vorzubringen. Zu guter Letzt muss aber der Gehorsam die Oberhand und das letzte Wort haben. Für sein äußeres Leben braucht der Missionar ein ernsteres und bußstrenges Befolgen der Gelübde als der Nichtmissionar. Betreffs Armut bereitet die äußere Übung keine Schwierigkeit, Gelegenheiten, sie zu betätigen, finden sich so viel man will. Von dieser aufgezwungenen Armut gilt es aber zu profitieren, damit man zur inneren, übernatürlichen, zur wahrhaft klösterlichen Beobachtung der Armut gelangt.

Was die Keuschheit angeht, so ist der Teufel überall zur Stelle, ganz besonders aber in Afrika. Der hl. Augustinus, der mitunter recht originelle Gedanken entwickelt, sagt, Afrika sei von den Söhnen Chams bevölkert und darum verflucht. Und der Teufel habe dort einen außerordentlichen Einfluss. Der hl. Hieronymus nannte Afrika gar das Land des Teufels und erzählte diesbezüglich ganz außergewöhnliche Geschichten. Er spricht von einem Teufel, der sich als wildes Tier verkleide, durch die Wüsten laufe, um die Ordensgemeinden und Einsiedler aufzusuchen. Ich selbst glaube an die Worte der Heiligen Augustinus und Hieronymus. Der Teufel übt ohne Zweifel große Macht über dieses Land aus. Darum müssen sich unsere Missionare in Afrika in den Stand setzen, tapfer gegen den Satan zu kämpfen, gegen den Teufel aller Laster, vor allem gegen jenen, der zu Fleischessünden verführt. Dort treten diese Versuchungen heftiger auf als anderswo, die Bewährung in der Tugend ist schwieriger.

Da bedarf es einer großen Festigkeit im inneren Leben. In Afrika erwerben die Missionare aber auch größere Verdienste als anderswo. Darum lieben unsere dortigen Missionare, die so viel leiden müssen, ihre Lebensweise so sehr. Freiwillig würden sie nicht darauf verzichten. Ich glaube auch, dass die große Hungersnot, die dort weiter wütet, ein Werk Satans ist: Simon, Satan hat danach verlangt, euch wie Weizen zu sieben. Ich glaube sehr, dass dies auch das Los unserer Afrika-Missionen ist. Soll man sich vor diesem Teufel Afrikas fürchten? Ja und nein… Die Gute Mutter allerdings hielt dafür, man brauche keinerlei Angst vor dem Teufel zu haben. Das einzige Mittel, das ihm gegenüber anzuwenden sei, heiße: sich nicht um ihn kümmern. Dennoch gilt es, seine Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, um nicht in seine Schlingen zu geraten. Unsere Stärke finden wir da im Gehorsam und in der gewohnheitsmäßigen Übung aller Tugenden.

In den Ländern des Unglaubens sind die Eingeborenen eindeutig Götzendiener oder haben vielmehr überhaupt keine Religion. Das ist also Neuland, da ist man Herr der Lage.

In den Missionen und Niederlassungen in häretischen Ländern dagegen wie England z.B. braucht der Missionar vor allem Eifer im katholischen Glauben und Heiligkeit durch die salesianischen Tugenden. Er muss ganz Sanftmut und Liebe sein, um die Herzen unserer verirrten Brüder zu gewinnen. Da heißt es viel Mut und Güte mitbringen. Der hl. Franz v. Sales übte einen starken Einfluss auf England zu seinen Lebzeiten aus sowie durch die Veröffentlichung der Philothea, die dort eine weite Verbreitung fand.

Wenn in Griechenland etwas zu machen ist, dann auch nur durch die Tugenden und die Hilfsmittel des hl. Franz v. Sales… Der hl. Franz v. Sales ging vor wie unser Herr: er setzte seine Lehre auseinander, führte keine Streitgespräche, sondern trug ganz einfach die Wahrheit vor. Das war seine solide Methode, mit der er immer Erfolg hatte. Tun wir das Gleiche. Führen wir keine Wortgefechte, sondern predigen wir die Wahrheit in aller Klugheit, Sanftmut und Liebe.

Msgr. Mermillod sagte zu Bischof Marengo von Athen, der sich bei ihm nach Ordensleuten erkundigte, die er zulassen könnte: „Was Sie brauchen, sind Oblaten. Sie begreifen am besten die dortige Situation und beugen sich den Notwendigen des Landes.“ Bischof Mermillod urteilte gut für den Fall, dass die Oblaten treu in Geist und Lehre verharren, die ihnen übergeben wurden. Denn damit sind die des Erfolges sicher.

Was wir von den un- und irrgläubigen Ländern sagten, gilt auch für die Apostolatswerke, die sich in mehr oder weniger irrgläubigen Ländern befinden, wie das Deutsche Reich oder die Schweiz. Dort heißt es große Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, doch lässt sich da ungeheuer viel Gutes tun. Die Seelen dort haben noch etwas theoretischen Glauben, auch noch ein bisschen praktischen Glauben, doch gebricht es ihnen etwas an Herzensglauben. Kommunion, inneres Gebet, Zwiegespräch mit Gott: für die dringende Notwendigkeit dieser Dinge fehlt es ihnen an Verständnis. Verständliches Betrachten liegt ihnen noch ein bisschen… So ist es in Ländern mit gemischter Religion, wo man allzu lange die Luft des Irrglaubens einatmen musste. Darum verlangen die guten Priester dort, die die Bedürfnisse ihres Landes kennen, so dringend nach Oblaten. Sie begreifen, dass unser Geist ihnen guttut. Der Bischof von Basel sagte mir: Wann endlich wollen Sie mir Ihre Ordensleute schicken? Im Deutschen Reich wie auch in Großbritannien bittet man mich darum.

Wer kann denn mehr als jeder andere, wie es scheint, den Seelen helfen, diese Gnade von Gott zu erlangen: das ungeschmälerte Evangelium, das den Verstand, das Herz und das Leben ganz ausfüllt? Die Oblaten, weil sie unmittelbar auf dieses Ideal losgehen. Vielleicht, meine Freunde, könnt ihr das nicht ganz einsehen. Es fehlt euch noch die Erfahrung der Seelsorge.

Wenn ihr aber 60 Jahre alt seid, werdet ihr euch an das erinnern, was ich euch heute sage, werdet einsehen, wie genau es zutrifft und wie man durch dieses Hilfsmittel etwas Ganzes und Gutes schafft. Dieses komplette Gute wird das Ergebnis eurer Predigt- und Beichttätigkeit sein, eurer Apostolischen Werke und aller Seelsorgearbeiten. Denkt darum gut über diese Wahrheit nach.

In Griechenland geht es unseren Patres gut. Die Handelsschule vom Hl. Kreuz auf Naxos blüht auf. Die Schüler sind bereits zahlreicher als das Haus aufnehmen kann. P. Laurent bittet um Hilfskräfte. Der Bischof von Athen ist uns sehr gewogen. Auch im Piräus geht es mit der Schule St. Paul gut voran. Dasselbe gilt für Großbritannien. P. Isenring kümmert sich um Volksmissionen und um die Soldaten. Man hat ihn gern. Die kleine Schule von Walmer gedeiht. Dieser Tage besuchte mich eine Dame, die nach Rom pilgerte. Sie sagte mir, man erwarte von der Lehre des hl. Franz v. Sales einen tiefgehenden Einfluss auf Großbritannien. Gerade dieser Lehre bedürfe man dort dringend.

Ecuador befindet sich immer noch in Krieg und Revolution. P. David zog sich, um das Ende der Unruhen abzuwarten, noch Kolumbien zurück. Aber auch da durfte er nicht bleiben und zog weiter nach Montevideo. Die Oblatinnen sind geblieben und müssen von Almosen leben.

In Pella regnet es immer noch nicht. Lediglich in Springbock fiel etwas Regen und brachte der Gegend etwas Leben zurück. Doch das liegt 50 Meilen von Pella entfernt, wo eine große Hungersnot herrscht. Die Menschen dort leben alle in größter Not, wie mir P. Simon schreibt.