Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 27.05.1896: Beten wir über die Seelen, die uns anvertraut sind

Nächsten Sonntag ist im Kolleg St. Bernhard Erstkommunionfeier. Die erste heilige Kommunion (Anm.: „in Frankreich damals meist mit der Firmung verbunden“), ist das wichtigste Ereignis im Leben eines Kindes. Um unsere Schüler darauf vorzubereiten, bedienen wir uns aller verfügbaren Mittel: Exerzitien, Predigten, etc. Darüber dürfen wir aber auch die inneren Mittel nicht vernachlässigen. Wir sind nämlich verpflichtet, viel für sie zu beten. Von Gott müssen wir das Wohl ihrer Seelen erbitten, das Wohl ihres gegenwärtigen wie ewigen Lebens. Die hl. Erstkommunion hat einen großen Einfluss auf ihr gesamtes Leben. Legt also euren ganzen Glauben, euren ganzen guten Willen, all euren Mut hinein, um diesen Kindern zu helfen, den lieben Gott gut zu empfangen und ihn dann in ihrem Herzen auch zu bewahren.

Wenn wir doch die Macht des Gebetes erfassten, das wir für die uns anvertrauten Seelen verrichten, für die wir irgendeine Verantwortung tragen! Würde der liebe Gott uns eine diesbezügliche Erleuchtung schenken, so empfänden wir ein ungeheures Bedürfnis zu beten, und dies Gebet hätte eine wunderbare Wirksamkeit. Das sollte euch eine Gewohnheit werden bei allem, was ihr unternehmt und womit ihr euch abgebt. Unsere Gute Meinung müssen wir bei allem, was wir tun, dahin richten: für die Seelen Licht und Gnade erwirken. Gott selbst und seine Vorsehung hat uns doch die Schüler unserer Kollegien geschickt und anvertraut, die jungen Burschen und Mädchen unserer Apostolatswerke. Bei uns wollen sie bekommen, was sie bei den Erziehern draußen nicht finden könnten. Wir müssen folglich bei der Morgenbetrachtung, bei der hl. Messe und Kommunion, ja den ganzen Tag über an sie denken. Wir sollten Gott bitten, sie selbst innerlich anzurühren, sie seine Gnade spüren zu lassen, sie erfahren zu lassen, wie gut er ist und welches Glück es einbringt, sich an ihn zu halten. Darum sollt ihr bitten, besonders während der Erstkommunion-Exerzitien.

Gewiss, die äußeren Mittel sind auch wichtig, denn zur Seele kommen wir nur über den Leib. Unsere Gedanken können auf die Menschen keinen Einfluss gewinnen, wenn sie nicht auch in Worten und Werken ihren Ausdruck finden. Äußere Mittel sind darum unerlässlich. Was aber dem äußeren Werk Leben und Wirkung verleiht, das ist das innere Mittel, das die Gnade herabzieht.

Das Gebet hat einen ungeheuren Einfluss auf jene, für die man in irgendeiner Weise Verantwortung trägt. Ich kannte in Troyes einen ausgezeichneten Laienchristen, den Schulleiter Herrn Chapello. Er erzählte mir, als er des Abends das Schlafengehen seiner Schüler beaufsichtigte, habe er zu sich gesagt: „Ich beaufsichtige hier diese Kinder. Verlangt der liebe Gott aber nicht mehr von mir? Erwartet er nur ein aufmerksames Überwachen? Übergab er mir die Kinder nicht, dass ich mehr für sie tue? Aufseher spielen allein genügt nicht, ich muss auch für sie beten. Und dies Gebet für sie wird meiner Aufsicht und sonstigen Arbeit bei ihnen Wirksamkeit verleihen. Mein Gebet für sie wird das beste Zeugnis für die Liebe und die Hingabe sein, die ich ihnen entgegenbringe. Ich will den lieben Gott jetzt bitten, dass sie gut studieren und gute Christen werden.“ Dann betete er leise den Rosenkranz, während er im Schlafsaal auf und ab ging.

Und das Gebet dieses Vorgesetzten brachte den Schülern viel Segen. „Ich habe mit meinen Schülern wirklich viel Freude erlebt“, fuhr er fort, „von dem Augenblick an, wo ich den Einfall hatte, für sie zu beten. Ich erreichte erstaunliche Dinge mit ihnen. Ich spürte, dass unter dem Einfluss des Gebetes in ihnen wirkliche und sichtbare Veränderungen vorgingen zum Guten hin.“

Da seht ihr, meine Freunde, was da ein Laie sagte und tat, welchen Glauben er zum Gebet hatte. Wir sollten dieselbe Gesinnung haben. Macht selbst die Erfahrung, wo immer ihr steht in welchen Verhältnissen auch immer ihr arbeitet, welche Aufgabe auch immer der Wille Gottes euch überträgt, ob bei Kindern, Menschen oder leblosen Dingen. Ihr werdet erfahren, wie das Gebet euer Urteil treffend, euren Verstand klar und euer das Gebet euer Urteil treffend, euren Verstand klar und euer Herz großmütig und selbstvergessen machen wird. Ihr werdet ganze Männer sein, vollendete Ordensleute, weil ihr dann nicht mehr allein dasteht, unerfahren, unwissend und ohnmächtig. Gott, den ihr herbeiruft, wird kommen und mit euch sein und mit euch zusammen eure Arbeit tun und sie fruchtbar und dauerhaft machen.

Das Gebet ist eine Erhebung der Seele zu Gott, wie der Katechismus lehrt. Warum ist Gott denn nicht intensiver mit uns zusammen? Warum gebrauchen wir Gott und seine Gnade nicht, um wirksamer ans Ziel zu kommen? Seid darum zutiefst überzeugt von der Notwendigkeit des Gebetes für die Seelen, die eurer Obsorge unterstehen. Es ist das einzige Mittel, um bei ihnen Erfolg zu haben und wirksam an ihrer Heiligung zu arbeiten. Betrachtet die Heiligen: ein hl. Franz v. Sales, ein hl. Vinzenz v. Paul verhielt sich nicht anders. Die ehrwürdige Mutter Maria Salesia, die ich für eine der größten Heiligen des Himmels halte, betete in dieser Form unablässig. Woher kam ihre Würde, die solche Ehrfurcht einflößte, woher ihre Schlagfertigkeit bei allen Fragen, die man ihr stellte, woher ihre sicheren Ratschläge? Sie kamen allein von Gott, der mit ihr war. Und er war bei ihr, weil diese gute und ehrwürdige Mutter ihn gerufen hatte und in seiner Gegenwart verharrte. Es kam somit von ihrem ununterbrochenen Gebet.

Machen auch wir das zu unserer Gewohnheit. Kommunizieren wir in dieser Meinung. Das, meine Freunde, muss unsere Basis sein, darin liegt die Stärke und Fruchtbarkeit unserer Sorge und Bemühungen um die Seelen. Das ist der Eckstein des Gebäudes, das ihr aufzurichten berufen seid. Es wird jeden von uns zu einem „Mann Gottes“ machen. Es begründet in euch das Leben und die erbarmende Macht Jesu Christi und lässt diese auch in eure Umgebung ausstrahlen.

Tun wir genau das, was unser Herr tat: seien wir wie er und mit ihm zusammen mit Gott in beständigem Gebet vereint, dann werden wir auch an seiner Allmacht über die Seelen teilnehmen. Er ist es, der dann durch uns in den Seelen handeln wird. Das ist das Fundament unseres Oblatenlebens: wir stehen in Lebenseinheit mit Gott und Gott teilt seine Gnade durch unsere Vermittlung den Seelen zu. Wir werden wirklich Werkzeuge und Organe des Erlösers.

Gewiss spricht der Heiland unmittelbar zum Herzen eines jeden. Aber er spricht auch zu den Augen und Ohren und den verschiedenen Sinnen und bedient sich unser in dieser Absicht. Über den Weg der Augen und Ohren will er zum Herzen seiner Kinder gelangen. Wie können wir nun diese Seelen innerlich rühren, die der Heiland an sich ziehen will? Etwa indem wir uns den Kopf zerbrechen, die Erinnerung an etwas Gelesenes zu benutzen? Damit erreichen wir gar nichts. Oder indem wir ihnen das Ergebnis irgendwelcher Sonderstudien vortragen? Auch das hilft nichts. Was von Gott ist, kann uns nur von ihm her kommen und darf nicht anderswo gesucht werden. Man muss es in Gott zu finden trachten und sich zu diesem Zweck mit ihm vereinigen. Wir wissen uns aber mit Gott verbunden im Gebet und in der Guten Meinung. Ist das schwierig? Nein, das ist nicht schwer. Gewöhnt euch einfach daran, nach eurem Direktorium zu leben. Sobald ihr diese Gewohnheit erworben habt, könnt ihr gar nicht mehr anders. Ist es doch das einzige Ziel des Direktoriums, euch in eurem Schaffen durch die Gute Meinung mit Gott zu verbinden. Bedient euch auch der Feste der Kirche, benutzt alle Umstände, in die ihr geraten könnt, um eure Gottesliebe und euren Seeleneifer anzustacheln, um euren Gebeten und euren Bitten zu Gunsten der euch anvertrauten Seelen ein ganz spezielles, ein lebhafteres und aktiveres Ziel zu geben.

Tut das, meine Freunde, auch im Anliegen der Erstkommunion eurer Kinder. Und noch einmal: eure Sorge um die Seelen, die Frucht dieses Dienstes an den Seelen, ja die Früchte all eurer Handlungen beruhen darauf.

Und dann, meine Freunde, dafür bekommt ihr auch einen Lohn. Ja, eine große Belohnung erwartet euch. Ihr erobert ja tatsächlich für Gott Seelen, und zwar viele Seelen. Ihr werdet sehen, wie viel Guts ihr ihnen vermittelt. Gott gibt auch Anteil an den Gnaden, die er diesen Seelen eingießt, für welche ihr arbeitet und Gnaden erwirkt. Darin liegt der wahre Lohn für eure Treue, eure Anstrengungen und Opfer begründet. Das wird euer Glück und das dieser Seelen bilden.

Macht euch also diese Einstellung, die ich euch da erläutere, ganz zu Eigen. So sollt ihr allezeit vorgehen, das ist euer Fundament. Damit erfüllt ihr die Absicht der hl. Kirche, wenn ihr treu dem Erlöser dahin nachgeht, wohin er euch vorangegangen. Noch einmal, legt euren ganzen Glauben, alle eure Anliegen, euer ganzes Sein in der Morgenbetrachtung, in der hl. Messe und Kommunion, im Breviergebet und bei der Arbeit Gott zu Füßen.

So wird Gott euer Anteil. So nutzt ihr die Verdienste der Erlösung, die Verdienste der göttlichen Liebe. Macht euch diese Gesinnung zu Eigen. Ich sage noch einmal: wir erwerben bereits jetzt einen allerhöchsten Lohn, wir finden darin die wahren Freuden der Seele. Gott gibt uns, und das in reichem Maße, alles zurück, was wir ihm schenken: das ist das Leben. Die Evangelien, der hl. Johannes sagen nichts anderes von Anfang bis Ende. Die Briefe des hl. Paulus lehren das gleiche. Hier liegt das Geheimnis der Heiligkeit, ihr Kern und Mark. Darin besteht das Himmelreich, das Reich Gottes. Das ist auch der geheimnisvolle Sinn aller Gleichnisse. Zerlegt nur jedes von ihnen und ihr findet dies. Zergliedert die ganze Lehre des Evangeliums, es ist nichts anderes. Das schließt alles ein. Beherzigt darum, was ich da sage, jeder lasse es Tat und Wirklichkeit werden in dieser ganzen Woche!

D.s.b.