Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 26.02.1896: Über die individuelle Methode des Predigens

Es gibt ein Buch, das nicht genug bekannt ist. Es wird, glaube ich, nicht von vielen Menschen oder Kongregationen gebraucht, und das ist bedauerlich. Ich meine den „Traktat von der Unterscheidung der Geister“ von Kardinal Bona. Ich habe es seinerzeit gelesen. Auch der hl. Ignatius hat denselben Gegenstand behandelt. Diesen Grundbegriffen von der Unterscheidung der Geister kommt eine große Bedeutung zu. Hört gut zu:

Es gibt zwei Arten, um zum Nächsten zu gehen: die eine wendet sich an eine gewisse Zahl versammelter Menschen, die andere spricht eine Person im Besonderen an, um sie weiterzuführen. Gibt es aber wirklich zwei Methoden? Ich bin der Herr und Meister, ich habe Autorität, sagt die erste Methode, die natürlichste. So bringt man das Talent zur Geltung, das Gott uns gegeben hat. Von da geht man aus: vom Gebrauch seiner Würde und seiner Fähigkeit. Man drängt sich auf, zwingt dazu, dass man uns anhöre und uns gehorche.

Diese Methode ist nicht die unsere. Warum nicht? Weil es auch nicht die Methode unseres Herrn war. So sehen wir den Heiland nicht im Evangelium sprechen und handeln. Nie tritt er als Herr und Meister auf. In seinen Beziehungen zu den Aposteln und zu den Volksscharen wählt er nicht dieses Mittel. Es gibt nämlich noch eine andere Methode, die der Überzeugung. Da warten wir nicht, bis die Seelen zu uns kommen, sondern gehen ihnen entgegen. Wir schauen sie an und studieren sie aus der Nähe. Wir trachten, die Stelle zu finden, an der wir sie fassen können. Wir ergreifen und entführen sie mit Hilfe des Henkels, den sie selbst uns darreichen.

So hielt es auch unser Herr. Er lehrte die Wahrheit, bot sie aber, um sie durchdringender zu machen, unter dem Mantel des Gleichnisses dar. Er reichte das Dogma, die Doktrin, ein schwieriges Gebot unter dem durchsichtigen und anmutigen Schleier einer Allegorie, eines Vergleiches, einer Erzählung dar. Dem Gewissen der Menschen tat er damit keine Gewalt an. Er zwang niemand, ihm zu glauben und zu folgen. Die Volksscharen sahen und verstanden ihn nicht auf den ersten Anhieb. Erst mit der Zeit und mit Geduld ging schließlich das Senfkorn auf und wurde zu einem mächtigen Baum.

Das ist also die bessere Methode, da sie die unseres Herrn ist. Um die Seelen zu gewinnen, ist es vielleicht gar nicht so schlecht, sich selbst vorzudrängen, es ist vielleicht sogar gut. Wenigstens das Ziel, das man sich da vorstellt, ist gut. Damit kann man sich Jünger gewinnen, ganz ergebene Jünger, die auf einen schwören, Menschen, die viel Lärm machen, aber wenig leisten… Wählen wir lieber die evangelische Methode! Unser Herr geht zu den Menschen und wartet nicht, bis diese von selbst kommen. Er nimmt sie so wie sie sind und entsprechend ihrem Verständnis. Er trägt in sich die Fülle, erniedrigt sich aber, um sie auf ihrem jeweiligen Standort zu fassen.

Wir brauchen also die Gabe, die Situationen, Personen und Geister unterscheiden zu können. Suchen wir uns klar zu werden über die innere Verfassung unserer Zuhörer, und das, weil wir sie lieben und ihr Bestes wollen. Mühen wir uns, einen Ausgangspunkt zu finden, um sie zu gewinnen. Wir benötigen eine gemeinsame Plattform der Verständigung mit ihnen, müssen von Grundsätzen ausgehen, die auch sie anerkennen. Sucht diese im Licht des Gebetes und der Nächstenliebe, die ihr für diese armen Menschen im Herzen tragt. Setzt an den Anfang also nicht den Streit, sondern das gute Einvernehmen. Seid zunächst derselben Meinung wie sie, da wo eure Grundsätze sich mit den ihren vereinbaren lassen. Dann werdet ihr sie mit der Gnade Gottes unmerklich für eure Grundsätze gewinnen. Darin sollten unser Talent, unsere Gabe und unsere Aktionsmittel bestehen. Mit dieser Methode könnt ihr jedermann gewinnen. Das tat auch unser Herr. Schlagt nur die Evangelien auf.

So gingen auch die Heiligen vor, die großen Heiligen. Denn es gibt es ja Heilige jeden Kalibers, große und kleine. Vielleicht haben die kleinen mitunter anders gehandelt. Die Großen jedenfalls hielten es so, wie ich eben ausgeführt habe: jene, die unserem Herrn am meisten glichen, die in ihrem Handel und Wandel das Bild des Herrn am besten wach riefen.

Wenn wir so tun, haben wir alle Sicherheit, den rechten Weg zu gehen. Unsere Persönlichkeit wird dann nicht ausgelöscht, im Gegenteil. Wir führen, wie der hl. Paulus sagt, keine Luftstreiche. Vielmehr sind wir sicher, dass der Schlag, den wir führen, die Worte, die wir sagen, nicht ohnmächtig bleiben. Die Seelen führen wir so zu Gott, wenn wir sie dort nehmen, wo sie sind.

Davon müssen wir ausgehen, liebe Freunde. Unser Herr verhielt sich ganz verschieden, wenn er zu seinen Jüngern sprach oder wenn er sich an die Volksscharen richtete. Seine Jünger belehrte er stets mit Milde. Mitunter freilich konnte er sehr hart tadeln. Dann sagte er ihnen, sie seien Dummköpfe. In kleinem Kreis darf man sich das erlauben. Wandte er sich aber an die Volksscharen, bediente er sich vor allem der Gleichnisse. Im Allgemeinen griff er die Pharisäer und Gesetzeslehrer nicht direkt an mit ihren Lastern. Denn diese wurden wütend, sobald sie merkten, dass er es auf sie abgesehen hatte. Wie also setzte er sich zur Wehr? Mit Gleichnissen. Wenn er sah, dass die Scharen hungerten, gab er ihnen zuerst Brot. Waren sie satt, so sprach er über die Pflichten eines jeden. Sie waren arm: Selig, die Armen… Sie standen unter der Herrschaft der Römer, waren also unfrei: Selig die Verfolgung leiden… Sie wurden von Übeltätern, durch schlechte Priester gequält: Selig, die Sanftmütigen…

Das war seine Methode. Was nun sollen wir tun? Den lieben Gott um die Unterscheidung der Geister bitten und alle entsprechend dieser Unterscheidung handeln. Ich werde noch einmal darauf zurückkommen.

Wir wollen in einer Pfarrei predigen. Das erste, was wir da zu tun haben, ist, den Pfarrer aufsuchen und ihn nach seiner Meinung über seine Pfarrkinder fragen, wie er sie beurteilt. Gewiss, der Pfarrer hat manchmal Illusionen. Aber in allem, was er sagt, steckt etwas Wahres, und diese Nuance gilt es zu erfahren. Hört euch ferner an, was die Leute, die ihr trefft, euch zu sagen haben, natürlich mit Diskretion und Zurückhaltung, und dann überlegt, was ihr diesem Publikum vortragen könnt. Bittet den Heiland um ein umsichtiges Urteil, das genau den Seelenzustand und die gegenwärtige Verfassung der Pfarrkinder trifft, denen ihr das Wort des Heils bringen sollt.

Darum gerade versagen so viele Pfarrer, Beichtväter, Seelenführer und Fastenprediger so jämmerlich. Sie zielen 25 Meter über die Köpfe hinweg und treffen niemand. Als ich noch im Großen Seminar war, hielt ein gewisser M. Maire im Dom die Fastenpredigten. Ich habe seinen Namen behalten. Er hatte seine persönlichen Qualitäten, dieser M. Maire, aber er frönte merkwürdigen Predigtsitten. Mit einem Paket von 20-25 Vorträgen war er nach Troyes gekommen. Mit diesem Paket bestieg er die Kanzel und schrie, ja kläffte darauf los, der Ausdruck ist nicht übertrieben, und bot seine Ware feil, so wie er sie mitgebracht hatte, ohne sich im geringsten um die Disposition, die Bedürfnisse und den Seelenzustand seiner Zuhörer vor ihm zu kümmern, ohne irgendeine unmittelbare Anwendung seiner Lehre auf die Menschen vor ihm zu machen. Was kann schon bei solchen Fastenpredigten Gutes herauskommen, meine Freunde? Wenn man so die Autorität seines Wortes, sein Paket von 20 Predigten den anderen aufdrängt! Man verliert bloß seine Zeit und die seiner Zuhörer. Und wenn der liebe Gott in seiner unendlichen Barmherzigkeit dennoch ein bisschen Gutes aus solch einem Fastenzyklus entstehen lässt, dann muss er so viel vom Seinigen dazutun, dass hier die Gnade wirklich ganz allein wirkt.

Ich fasse meinen Gedanken zusammen: Die Oblaten sollten immer mit dem Blick auf das zu erreichende Ziel, auf das Resultat, das sie anstreben, arbeiten, und nicht nach ihrem persönlichen Gefühl und ihrer eigenen Art zu urteilen vorgehen. Ihr sollt den Seelen nicht sagen: Kommt nur her, ich warte auf euch! Tut vielmehr den ersten Schritt ihnen entgegen. Ihr sollt euch erst klar werden, wo sie stehen in ihrem tiefen Elend. Ihr sollt sie vom Boden aufheben, sie erwärmen und retten. Dafür tut aber die Unterscheidung der Geister not. Sie offenbart uns die innere Verfassung, die Urteilsweise, den Seelenzustand und Charakter der Personen, mit denen wir zu tun haben.

Und davon gehen wir dann aus, um sie zu Gott zu führen, um sie zu der Stelle zu bringen, wo sie hingehören, um aus ihnen das all herauszuholen ist. Das verlangt ein gesundes Urteil und viel Überlegung, und das setzt Gebet voraus. Der hl. Franz v. Sales rief die Engel der Städte und Pfarreien zu Hilfe, in denen er predigen wollte, oder die Engel der Seelen, die er beichthören wollte.

Wer in diesem Geist arbeitet, betreibt ernste Seelsorge. Wir sind keine Abenteurer, keine billigen Verkäufer. Wir wählen immer das Sichere. Überlegt also gut, legt euch gründlich Rechenschaft ab, studiert euer Gelände, und vor allem: betet viel.

Noch einmal: Handeln wir wie unser Herr gehandelt hat. Er wusste zu unterscheiden, mit wem ich sprach, kannte die verschiedenen Geisteshaltungen seiner Zuhörer und handelte dementsprechend. Den rechthaberischen und aufgeblasenen Pharisäern gibt er Rätsel auf zu lösen, „damit sie verstehend doch nicht einsehen.“ Sie sollten die verborgene Wahrheit selber suchen. Für die braven Leute des flachen Landes benutzt er eine andere Methode: hier gebraucht er Vergleiche, leicht fassliche und klare, die ihrer Fassungskraft entsprechen: Ein Sämann ging aus, den Samen zu säen… Für die Fischer am Ufer des Sees Genezareth wählt er seine Bilder bei den Fischen und Netzen. Dort ruft er auch seine Apostel zu seiner Nachfolge: Kommt, ich will euch zu Menschenfischern machen. Alles stellt er in seinen Dienst, selbst die einfachsten und gebräuchlichsten Dinge, um die Geister zu übernatürlichen Wahrheiten zu erheben. Die Samariterin, diese arme, wasserschöpfende Frau, bittet er zunächst um Wasser, um dann von der Gabe Gottes zu ihr zu sprechen: „Wenn du die Gabe Gottes känntest.“ Er spricht von der Quelle der Gnade, die ins ewige Leben hinüber sprudelt. Doch diese intimen und mystischen Gedanken äußert er fast wie im Geheimen, in der Einsamkeit. Solcherlei wirft er nicht dem Volk vor, das dafür kein Verständnis hätte. Auch nicht den Pharisäern, den Heuchlern, die aufgeschrien hätten. Auch vor den Sadduzäern hält er es geheim, vor diesen Zweiflern, die nur gespottet hätten. Dieser demütigen Frau aber trägt er solch hochgeistliche und erhabene Dinge vor. Auch zu Petrus, Jakobus und Johannes tut er dies am Tag der Verklärung auf Tabor, und warum? Weil ihnen an diesem Tag nach der Vision das Verständnis dafür aufgegangen war. So sprach er aber nicht zu den übrigen Aposteln und verbot auch, dass man es ihnen sage: „Erzählt niemandem diese Erscheinung…“

Die Unterscheidung der Geister, meine Freunde, muss also unsere Angelegenheit sein, ihr müssen wir unser besonders Studium widmen.

Die Jugenderziehung, der Unterricht, die Klassendisziplin sind sehr nütztliche Dinge, um uns diese Unterscheidung der Geister zu lehren. Bei den Jesuiten erteilt man lange Jahre Unterricht, vor allem im Hinblick auf dieses Ziel. So lernen die jungen Patres, indem sie die Jungen unterrichten und ihre Schüler studieren, wie sie gute Seelenführer werden können. Studieren darum auch wir gründlich unser Gelände und hören nicht auf, bevor wir nicht volle Sicherheit erlangt haben.

Beobachtet in der Welt draußen die Männer des Geistes, jene, die viel Talent und Wissen haben und Bewunderer gewinnen wollen, wie sie in den Versammlungen, den Unterhaltungen und Diskussionen nicht sofort das Höchste wagen. Davor hüten sie sich wohl. Zuerst wollen sie das Terrain und die Menschen sondieren. Sie hören zu und reden kaum. Ganz unmerklich mischen sie sich in die Unterhaltung, lenken und leiten diese, wohin immer sie wollen. Wenn sie dann auf ihrem Gebiet angelangt sind, bei den Themen, die sie verstehen, und studiert haben, wenn sie ihre Ideen und ihre Kenntnisse entfalten können, stürzen sie nach vorn und gehen daraus mit allen Ehren des Siegers hervor.

Auch die Oblaten sollten, auf dem geistlichen und ganz übernatürlichen Gebiet, sich in ähnlichen Gewohnheiten der Klugheit, der Intelligenz und heiligen Geschicklichkeit ausbilden, um für Gott Seelen zu gewinnen.

Richtet euch ganz nach eurer Zuhörerschaft und den Seelen, die da vor euch sind. Ihr begebt euch z.B. in eine Gemeinschaft der Heimsuchung. Ihr kennt ihre Regeln und Satzungen. Danach hat die Kirche der Oberin die Leitung der Schwestern übertragen. Redet und handelt also dementsprechend und maßt euch nicht an, die Schwestern leiten zu wollen oder der Autorität der Oberin Abbruch zu tun. Oder ihr hört die „Schwestern der christlichen Liebe“ Beichte, haltet ihnen einen Vortrag. Das ist dann etwas anderes, denn sie sind viel unabhängiger. Predigt ihnen nicht so sehr die feinen Nuancen des Gehorsams, als vielmehr die großen allgemeinen Tugenden des Ordenslebens, die Hingabe an Gott und an die Seelen. Ihr Ordensgeist ist viel weiter. Predigt jedem das Seinige, aber ihr selbst sollt nicht eure eigenen Ideen anderen aufdrängen. Um so zu handeln, bedarf es bedeutend mehr Fähigkeit und Urteil als jener braucht, der nur sich selbst vordrängt.

Jedes Wesen hat seinen eigenen Willen. Es ist also kein Weltwunder, bei jeder Gelegenheit diesen eigenen Willen bestätigen zu wollen. Als ein Wunder hingegen darf es bezeichnet werden, wenn man jene Mittel wählt, die den Willen der anderen anziehen und überzeugen.

Ihr seid Lehrer oder Aufseher. Achtet auf die Art und Weise, wie ihr jeden eurer Schüler erreichen und fassen könnt. Sucht seine empfindliche Stelle zu entdecken, denn jeder Schüler hat seinen eigenen Charakter. Ihr habt Autorität? Ja, aber es kommt darauf an, die Mittel und Wege zu finden, sie richtig einzusetzen. Anderenfalls werdet ihr die Waffen strecken müssen und ihr verliert eure ganze Autorität, auf die ihr so stolz seid.

Betet oft das Gebet, das nach Salomon der hl. Franz v. Sales so gern gebetet hat: Herr, gib mir die Weisheit, die Deinem Rat zur Seite steht. Segne alle Arbeiten, die ich ausführe, alle Ratschläge, die ich gebe.

Ich empfehle dem Gebet der Kommunität unsere Patres in Afrika, die in diesem Augenblick schwer durch eine Hungersnot heimgesucht werden, bedingt durch eine vorausgehende sehr große Trockenheit und Hitze. Von ihrem Viehbestand haben sie viel eingebüßt: acht ihrer Pferde haben sie verloren. Die Menschen verlassen das Land, um anderswo etwas Gras und Wasser zu finden. Unsere Patres dringend um unser Gebet. Wir wollen also den lieben Gott um Regen für sie anflehen.

In Ecuador werden unsere Patres und Schwestern noch nicht belästigt. Die Schwestern haben bisher in den Augen der Revolutionäre Gnade gefunden, und man bezeigt ihnen sogar etwas Vertrauen. General Alfaro ließ den Schwestern von Zicalpa ausrichten, er wolle mit seinem Generalstab bei ihnen zu Mittag speisen. Der Bote schärfte ihnen dabei ein: „Ihr müsst laut rufen: ‚Es lebe Alfaro‘“ – „Wir sind aber Ausländer“, erwiderten die Schwestern, „und wissen kaum, was dies alles zu bedeuten hat. Aber wir werden euch das bestmögliche Essen herrichten.“ – „Vor allem vergesst nicht, zu rufen, sobald er eintrifft!“ – Alfaro kommt mit seinen Offizieren, und die Schwestern schreien nicht. Dafür war der Tisch reichlich gedeckt. „Ei was, die Schwestern verstehen in Sachen Politik überhaupt nichts.“ Alfaro dankt ihnen dafür, dass sie die Verwundeten pflegen. Die Bevölkerung ist ihnen allzeit wohlgesonnen.

Von P. Rollin, unserem derzeitigen Prokurator in Rom, erhielt ich mehrere erfreuliche Briefe. Er schickte mir den Plan einer Gründung in Perugia, eines Jungarbeiterinnenwerks der Oblatinnen nach Art der hiesigen Werke. Das wird vom Papst sehr gern gesehen und wird von ihm gesegnet. Er wünscht die Errichtung solcher Werke, und ich selbst wünsche herzlich ihr Gelingen.

In einer Versammlung von Kardinälen, schreibt mir P. Rollin weiter, hat der Kardinalpräfekt der Propaganda, unser höchster Vorgesetzter, gesagt, die Oblaten des hl. Franz v. Sales seien gute Ordensleute, sie befolgen treu ihre Regel. Er schätzt sie hoch, weil sie sehr demütig und der Autorität des Hl. Vaters ganz unterworfen seien. Das sagte er in einer großen Versammlung von Kardinälen. Ich sehe wohl, dass der liebe Gott und seine Vorsehung uns überall zur Seite steht. An uns liegt es, dem Entgegenkommen der göttlichen Vorsehung treu zu entsprechen.

Der Präfekt der Propaganda ist uns also höchst gewogen, und sein erster Sekretär desgleichen. Er tut alles für uns, was er kann, beim Hl. Vater wie bei den Kardinälen, um uns zu nützen.

Die Gute Mutter hat uns Verheißungen hinterlassen, meine Freunde. Im Augenblick ihres Hinscheidens sagte sie zu mir: „Das wird sehr schön sein… Man wird den Heiland von neuem über diese Erde schreiten sehen…“ Setzen wir also unsere Schritte genau in seine Fußstapfen. An euch ist es, meine Freunde, die Verheißungen der Guten Mutter zu verwirklichen. An euch, die Mittel anzuwenden und euch diese meine Worte tief in den Geist einzugraben. Wenn ihr meine Ratschläge befolgt, werdet ihr den Segen Gottes haben. Die Ordensgemeinschaft wird gedeihen und tiefe Wurzeln schlagen. Sie wird sich weit ausdehnen und auf dem „Weg“ voranschreiten. Sie wird Früchte reichsten Segens hervorbringen.

Was ich euch da sage, habe ich während 40, während 45 Jahre meines Lebens gesehen und gehört. Täglich war ich Zeuge davon. Ich versichere und bestätige euch die Wirklichkeit dieser Vorkommnisse. In Heimsuchungskloster von Troyes konnte man die Früchte davon beobachten. Die Heimsuchung war wahrhaft ein Reliquienschrein, in dem die Gute Mutter 40 Jahre lang lebte. Nie erlebte ich es, dass eine Schwester einen Gedanken hegte, der im Widerspruch zum Denken der Oberin stand, niemals! … Freilich war die Gute Mutter eine große Heilige. Ihr habt ihr Leben gelesen. Und von diesem Leben kann man nichts wegnehmen, nicht ein Jota. Im Gegenteil, es wären vielleicht noch mehrere Dinge hinzuzufügen, es wäre das noch zu verstärken, was ich geschrieben habe.

Seht, das ist euer Erbe, meine Freunde, ein sehr kostbares Erbe. Euch gehört es, euch allein. Ihr müsst es hüten und zur Geltung bringen.

D.s.b.