Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 06.03.1895: Alle unsere Handlungen stehen unter dem Zeichen des Kreuzes

Der hl. Franz v. Sales lehrt, die Gute Meinung bestehe darin, dass man Gott um seine Gnade bitte und alle Mühe und Abtötung annehme, die sich uns dabei darbieten.

Die Erfahrung hat mir bewiesen, dass dieses Leben nach dem Direktorium von allen christlichen und klösterlichen Lebensformen am schwierigsten zu realisieren ist. Der liebe Gott, ist der Vater unserer Seelen, und es liegt im Plan der Vorsehung, uns den Himmel mit Hilfe verschiedenartiger Mittel erringen zu lassen. In seiner göttlichen Barmherzigkeit hat er alles Nötige bereitgestellt, um in jeder Berufung dorthin zu gelangen.

Das Leben eines guten Oblaten kommt den bußstrengen Lebensweisen anderer gleich. Damit müssen wir uns abfinden, wenn anders wir gute Oblaten werden wollen. Da wir bei jeder guten Meinung Gott um seine Gnade bitten sollen und so vorbereiten, alle fälligen Mühen und Abtötungen zu ertragen, sind all unsere Handlungen gezeichnet mit dem Zeichen des Kreuzes. Sagen wir „Ja“ zu dieser Art von Leben, dann verdienen wir den Namen von Oblaten. Unsere Art zu leben schließt eine Lehre ein, die auf unser gesamtes Tun ausstrahlt. Es ist dies die echte Lehre des Christentums und unseres Herrn, der die Frohbotschaft verkündete. Unser Wille muss zu einer Summe von Bußakten entschlossen sein, und diese Summe teilt sich auf in viele kleine Geldstücke, mit denen man große Schätze anhäuft.

Dafür bedarf es aber eines hohen Mutes, eines Mutes, der vor keiner Selbstbeschneidung und Überwindung zurückweicht, und das nicht nur zehnmal am Tag, sondern ununterbrochen. Darin besteht unsere Heiligkeit. Alle Fasten und Kasteiungen anderer Orden dienen nur diesem einen Zweck: die Seele dahin zu führen, zu dieser Gleichförmigkeit unseres Willens mit dem Willen Gottes. Nun ist es aber bedeutend leichter, diesen geistlichen Reichtum mit den Mitteln des hl. Franz v. Sales aufzuhäufen. Lediglich ist dazu größerer Mut erfordert. Da darf es nichts Gleichgültiges, Weichliches und Eigensüchtiges geben. Unser Herz muss zu jeder Empfindung des Großmutes fähig sein, muss jede Demütigung, jede göttliche Fügung annehmen.

Zeigen wir während dieser heiligen Fastenzeit solch hohen Mut. Denn wenn wir sie mutig angehen, werden wir gute, ja heilige Ordensleute werden. Auch in der Seelenführung dürfen wir dies nicht außer Acht lassen und müssen uns vor der falschen Vorstellung hüten, Gott sende seine Engel einer Seele, die ganz in Licht schwimmt. Darin besteht nämlich nicht die Heiligkeit, sondern in der Treue eines jeden Augenblicks und eines jeden unbedeutendes Dinges.

Auf unserem Weg werden die Gnaden Gottes nämlich nicht der frommen Einbildung zuteil, sondern der persönlichen Tat und Treue. Die Heiligkeit findet sich einzig im Handeln und nicht in der Phantasie. Jeder verstehe, dass das, was das Leben der Guten Mutter ausmacht und ausfüllt, sehr wahr ist. Die auf diesem Weg ein Mehr empfangen haben, sind jene, die am treuesten ihre Ordensdisziplinen hielten. Und das hat nichts mit Einbildung zu tun, sondern mit dem Tun.

Das Wort unseres Herrn lautet: Nicht wer zu mit sagt: „Herr, Herr, wird ins Himmelreich eingehen, sondern, wer den Willen meines Vaters tut…“

Wenn wir Betrachtung halten, ist das eine übernatürliche und verdienstliche Handlung. Wenn wir in Gottvereinigung unsere Arbeiten verrichten, haben wir etwas Übernatürliches vollbracht. Jeder Akt, in dieser Art vollbracht, ist geheiligt von der Gabe, die unser Wille dem lieben Gott damit anbietet. Denn nur mit Taten heiligt man sich.

Wir müssen zuerst praktizieren, bevor wir verstehen können. Aus diesem Grund bestehen der hl. Gründer und die Gute Mutter so eindringlich auf dem „guten Mut“. Ich wünsche, dass jeder dies verstehe. Machen wir unsere Lehrzeit in diesen Dingen. Dafür haben wir eine Fastenzeit. Da begegnen uns mehr Widersprüche, mehr Heimsuchungen. Fastenzeit ist immer eine schmerzvolle Zeit für Seelen, die sich Gott schenken wollen.

D.s.b.