Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 11.07.1894: Die richte Vorbereitung und rechtmäßige Feier der hl. Messe

Ein Wort nur über die zwei folgenden Artikel des Direktoriums: Wie man die hl. Messe hören und feiern muss. In diesen beiden Artikeln gibt uns der hl. Franz v. Sales eine Menge fromme Gedanken und Gebete. Jeder kann seine Wahl treffen und nehmen und nacheinander zu befolgen, indem man jedem eine besondere Absicht gewährt. Das würde ein wenig belasten. Ich weiß nicht, ob das angebracht wäre. Jeder befrage seine Kräfte, jeder nehme von diesem Schatz gemäß seiner Frömmigkeit. Er kann lassen, was ihn überlastet. Man kann an einem Tag diese Gebete nehmen und die anderen an einem anderen Tag beten. Dies gesagt, schauen wir in den Direktorium.

Bei der Feier der hl. Messe soll man die erste Sorge haben, die Rubriken, die im Messbuch selbst angeführt sind, gut zu beachten. Während der Vorbereitung soll man sich gut halten, ohne sich auf die Bank oder den Gebetsstuhl zu stützen, ohne sich zu beugen. Für die Feier selbst des hl. Opfers, wenn man sich genügend vorbereitet hat, muss man alle Sorgfalt aufwenden, um die hl. Messe gut zu lesen, ohne jedoch eine steife Haltung anzunehmen, ohne sich zu außergewöhnlichen Gesten hinreißen lassen. Alle diese Regeln, die die würdige und bescheidene Feier der hl. Messe betreffen, sind in den gebräuchlichen Abhandlungen der Feier des hl. Opfers in den Einzelheiten beschreiben. Man muss sie von Zeit zu Zeit lesen und sie befolgen. Haben wir keine zu engen und auch nicht zu weiten Gesten, sondern wahren wir immer eine große Würde, eine große Achtung.

Übertreiben wir weder an Schnelligkeit noch an Langsamkeit. Die eine entrüstet die Gläubigen, die andere langweilt sie. Im Allgemeinen muss man 25 bis 30 Minuten nehmen, um die Messe zu lesen. Weniger als 25 Minuten ist nicht angebracht, mehr als eine halbe Stunde ist zu viel. Beachten wir gut die Rubriken. Die verschiedenen Punkte, die sorgfältig zu beachten sind: die Kniebeuge bis zum Boden, das Kreuzzeichen mit einer doppelten, sehr geraden Linie machen. Man muss diesen Linien eine genügende Ausdehnung geben, damit sie den Kelch gut bedecken: weder zu viel noch ungenügend. Wenn man sagt: „Der Herr sei mit euch“, muss man die Arme mittelmäßig ausbreiten. Meine Freunde, schließt euch so jenen an, die die hl. Messe gut lesen. Das ist für das Äußerliche.

In die inneren Anordnungen müssen wir alles einbringen, was wir können. Die hl. Messe ist die Haupthandlung des Tages. Man muss in ihr Gott die Kongregation empfehlen, wir müssen beten, um unsere Beschäftigungen gut zu erfüllen. Wir müssen um das Licht und das Verstehen der Dinge bitten, die wir zu lernen oder die anderen zu lehren haben. Es ist die Quelle aller Gnaden der Berufung. Man muss sie mit großer Sammlung, einer aufrichtigen Frömmigkeit lesen. Wenn wir bemerken, dass wir zerstreut sind, suchen wir nach der Messe den Grund dafür. Wir werden sehen, dass es oft ist, weil wir vor Beginn der Messe unseren Geist mit Sorgen beschäftigt lassen, und dafür wird das Mittel sein, uns einige Minuten vor der Messe tief gesammelt zu beten, und wir werden die Sammlung die ganze Messe haben.

Die hl. Johanna Franziska v. Chantal fragte den hl. Franz v. Sales, ob er während der hl. Messe zerstreut sei. „Jedes Mal, wenn ich den Kopf zum Tabernakel gewendet habe“, antwortete der Heilige, „gewährt mir Gott die Gnade, nur mehr an in zu denken.“ Bitten wir unseren hl. Stifter, uns diese Gnade zu gewähren.

Was die Gedanken betrifft, die das Direktorium für die Messe im Besonderen gibt, kann man sich ihrer bedienen, wenn man an ihnen eine Hilfe findet, wenn aber die Gebete der Messe selbst, die Gegenwart unseres Herrn auf dem Altar genügen, um unseren Geist und unser Herz einzunehmen, braucht man sich nicht zu etwas anderem Zuflucht zu nehmen. Ich verpflichte euch, in die liturgischen Gebete einzudringen.

Habt einen großen Glauben an das hl. Opfer. Dort empfing die Gute Mutter ihre großen Gnaden von Gott. Der hl. Alfons v. Ligouri, der hl. Vinzenz v. Paul, unser hl. Stifter nährten ihre Heiligkeit in Fülle in der hl. Messe: sie war für sie ein direktes Gespräch mit Gott, eine innige Verbindung. Es war wie als Moses auf den Sinai stieg. Gott sprach zu ihm, sagte ihm, was er zu machen habe, und wie er es machen solle, wie er das Volk führen müsse. Bringen wir unsere ganze Seele, unser ganzes Herz. Bringt nie etwas in die Messe als die Gedanken der Messe, und bittet Gott, er möge euch mit seiner hl. Gegenwart umhüllen. Die Gebete und Zeremonien, die ihr in der hl. Messe macht, sind die Erneuerung und die Fortsetzung des Kreuzesopfers. Es ist die Fortsetzung der Erlösung der Seelen der Menschen und der unsrigen.

Ich verpflichte euch, mit einer tiefen Erniedrigung, in aller Demut zu zelebrieren. Eure Hände, zu oft beschmutzt von der Sünde, die euch gedient haben, die Sünde zu begehen, sagte der hl. Chrysostomos, werden den Leib des Heilandes berühren. Lasst euch gut von allen diesen Gedanken durchdringen. Möge die hl. Messe ein äußerst gesammelter Akt sein, indem ihr eure ganze Seele, euren ganzen Willen, euer ganzes Herz legen werdet. Wenn man bemerkt, dass der Geist abschweift, muss man sich sehr demütigen. Übrigens: Wenn wir die hl. Messe mit den Anlagen lesen, die das Direktorium von uns verlangt, werden die Zerstreuungen schwerer kommen, und es wird uns viel leichter fallen, unseren Gedanken aufmerksam bei den göttlichen Mysterien zu halten. Wenn man sich demütigt, wenn man sich zunichtemacht, fühlt sich der Geist nicht von der Unabhängigkeit mitgerissen, die Vorstellungskraft geht nicht nach rechts und nach links. Der Geist, der tief verdemütigt ist, der sich unwürdig fühlt, den Leib unseres Herrn berühren, unwürdig, ihn zu empfangen, unwürdig, in beiden Gestalten zu kommunizieren, bleibt in seiner Demut, und seine Demut bewahrt ihn in der göttlichen Gegenwart. Während der Messe müssen wir gut darauf achten, für die Personen zu beten, die uns um den Beistand unserer Gebete gebeten haben, vor allem für die, für die wir zelebrieren. Beschränken wir uns nicht darauf, sie im „Memento“ zu erwähnen. Verwenden wir liebevolle Gebete, bitten wir inständig. Während des Tages sollen wir uns angewöhnen, das hl. Opfer, das wir am Morgen dargebracht haben, nicht zu vergessen. Erinnern wir uns daran bei unserem Besuch des hl. Sakramentes, in unseren Gebeten. Sagen wir uns in jedem Augenblick des Tages, dass wir den lieben Gott bei uns haben.

Als ich meine Exerzitien in der Kartause von Bosserville machte, erzählte mir P. Retournat von einem jungen, sehr guten Priester, der infolge seiner Frömmigkeit zur Messe heilig wurde. „Der liebe Gott“, sagte er mir, „erweist mir viele Gnaden bei der hl. Messe, während er zelebriert, aber die Erinnerung an die Messe im Laufe des Tages teilt ihm noch mehr Gnaden mit als er beim Zelebrieren empfangen hatte. Er kehrt den ganzen Tag zum Altar zurück, um einen Rat dessen zu suchen, das er am Morgen hieß.“ Die hl. Messe ist nicht nur ein vorübergehender Akt, sie ist eine Atmosphäre, in der wir den ganzen Tag leben müssen, und die für uns gut sein wird, und die uns im göttlichen Licht schreiten lassen wird. Nehmen wir also unsere ganze Kraft, um die hl. Messe mit großer Demut zu lesen. Das ist die vollkommenste Anlage, die wir bringen können als diese Aufgabe unseres Körpers und unserer Seele. Bitten wir Gott um Verzeihung, erkennen wir uns als unwürdig, zu ihm zu kommen: diese Demut wird ihm sehr angenehm sein.

Machen wir uns schon diese Woche daran, meine lieben Freunde, sowohl die, die zelebrieren, als auch die, die noch nicht zelebrieren. Die Messe ist unsere große Handlung des Tages, sie ist „die Sonne der geistigen Übungen“, sagt der hl. Franz v. Sales. Seien wir dieser Beobachtung treu. Wenn wir wollen, dass uns etwas gelingt, müssen wir die Beobachtung einhalten, unsere Satzungen, unser Direktorium, nur um diesen Preis werden wir stark sein. Ohne Zweifel werden wir in Rom angenommen und mit großem Wohlwollen behandelt. Folglich aber sind wir durch dieses Wohlwollen verpflichtet, uns genau zu beobachten. Wir müssen uns gegen die Gewöhnung stellen, es ist notwendig, dass wir unser Ordensband enger ziehen.

Man wird euch bald das Ergebnis des Generalkapitels geben, das wir zu Ostern in St. Bernhard abgehalten haben. Ihr werdet die Empfehlungen sehen, die dort gemacht wurden, und die man gut beobachten wird müssen. Es gibt eine, die besonders wichtig ist, die, die den Sichtvermerk des Briefwechsels durch den Oberen betrifft. Ich bitte inständig P. Gilbert, keinen einzigen Brief hinausgehen zu lassen, ohne dass er durch seine Hände ging. Der Obere hat das Recht und oft die Pflicht, die Briefe zu öffnen. Er ist verpflichtet, den Briefwechsel zu überwachen. Das ist ein Hauptpunkt der Regel. Ein Ordensmann, der einen Brief außerhalb des Gehorsams schreibt, fehlt gegen den Gehorsam. Der Fehler kann schwer sein. Wenn er oft wiederholt wird, kann es ein Grund zum Ausschluss sein. Einige junge (Oblaten) gewöhnen sich zu sehr daran, als Seminaristen zu leben. Beachtet wohl, meine Freunde, dass ich nichts Schlechtes über die Seminaristen sage, aber zwischen dem Ordensleben und dem Seminarleben besteht eine riesige Entfernung, ist das Chaos.

Der Ordensmann hat eine ganz besondere Persönlichkeit. Wir verstehen das kaum noch, aber man versteht es noch in den katholischen Ländern, wo das Gesetz das Ordensleben beschützt. Das ist zu dem Punkt, dass der Ordensmann weder ein bürgerliches noch soziales Leben hat. Er kann weder ein Testament machen, noch erben, noch Besitz haben. Am Tag seiner feierlichen Profess starb er und wurde begraben. Der Ordensmann muss für die Welt tot sein. Das muss man verstehen, weil das etwas äußerst Ernstes ist. Es gibt diesen Punkt der Korrespondenz, den man beachten muss, es gibt deren noch andere.

Aber sich davor schrecken ist einfältig. Also seid ihr keine Ordensleute, ihr habt nicht, was man braucht. Versteht eure Verpflichtungen, und schaut sehr genau hin. Wir arbeiten, jeder von uns, auf unsere persönliche Rechnung. Wir finden, dass es störend ist, die Regel zu beobachten, aber es wäre noch störender, wenn wir an unserer Berufung fehlen würden, wenn wir elend sind auf der Erde, und wenn wir sterben, ohne dass uns verziehen wurde. Ihr seid Ordensleute, seid Männer und nicht Frauchen, die heute wollen und morgen nicht. Überlegt euch, meine Freunde, werdet euch klar, dass ein Ordensmann kein Mann ist wie ein anderer. Seine Würde, seine Kraft, seine Männlichkeit, sein Verstand sind darauf konzentriert. Der Ordensmann, der das nicht versteht, hat eine Lücke: er ist kein vollständiger Mensch.

Ich komme oft auf dasselbe zurück, weil es sehr notwendig ist. Ich empfehle die Beobachtung dessen, was ich da soeben jedem Oberen, dem Novizenmeister gesagt habe. Man möge schreiben, was ich gesagt habe. Wer dagegen einen Fehler begangen hat, soll es beichten, und der Beichtvater soll ihm eine gute Buße aufgeben. „Aber ich zeige meine Briefe nicht gerne her, das sind Familienangelegenheiten, schwierige, heikle Angelegenheiten.“  Aber, sagt ihr mir, ihr habt wohl einen Beichtvater, dem ihr eure Sünden sagt. Warum könnt ihr nicht das Vertrauen haben, eurem Oberen Dinge zu sagen, die heikel sind? Er wird zu euch eine ganz väterliche Zuneigung haben, umso väterlicher als ihr vertrauensvoll gewesen sein werdet. Er wird unverbrüchlich euer Geheimnis wahren, er ist streng dazu verpflichtet. Habt also keine Angst. Macht das, meine Freunde, ihr kennt jetzt das Mittel, um zum Ziel zu gelangen, das Geheimnis des Erfolgs. Seid treu in den kleinen Dingen, und der liebe Gott wird euch helfen, euch erleuchten. Die schwierigen Dinge wird er leicht machen.

D.s.b.

(Übersetzung: Adelinde Heidenreich)