Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 27.06.1894: Die Buße ist unsere erste Verpflichtung

Im letzten Kapitel habe ich lebhaft die Notwendigkeit dargelegt, in der wir waren, wahre Ordensleute zu sein. Heute werde ich euch nur noch einmal bekräftigen, was ich euch das letzte Mal gesagt habe. Es ist eine oftmalige Rückkehr zu demselben Punkt. Ihr wisst, dass der hl. Johannes am Ende seines Lebens nichts tat als zu wiederholen: „Kindlein, liebet einander.“ Und ich wiederhole euch ohne Unterlass: „Seid, was ihr sein sollt.“ Wenn der Ordensmann nichts hat, was ihn von gewöhnlichen Männern unterscheidet, wenn er nur noch dem Namen nach Ordensmann ist, wenn seine Gewohnheiten, seine Handlungsweisen denen von jedermann ähneln, wozu ist es ist es denn (?) gut, sich Ordensmann zu nennen? Wozu dient es? Dringt tief ein, meine lieben Freunde, versteht sie gut, dass der Ordensmann immer und in allem Ordensmann ist. Er ist an eine ganze Reihe von ständigen Pflichten und Verpflichtungen jedem Augenblick gebunden und festgehalten.

Vor allem der Oblate des hl. Franz v. Sales hat hier herunten nichts anderes zu machen, als allen Vorschriften seines Ordenslebens treu zu sein. Tatsächlich hat er keine anderen Abtötungen, keine andere Buße als die Vorschriften seiner Regel und des Gehorsams. Wenn es euch gelingt, diese Lehre vollkommen zu verstehen, und sie umzusetzen, werdet ihr glücklich sein, wenn ihr einmal auf diesem Pfad seid. Es wird kein königlicher Pfad sein, nichts wird über euch kommen, um sie aufzuhalten oder abzulenken, nichts wird euch veranlassen können, zurückzuweichen weder die Leidenschaft noch die Welt noch der Dämon.

Heißt das, dass der Ordensmann eine strenge Miene, ein geschraubtes Benehmen haben soll? Nicht um alles in der Welt. Der hl. Franz v. Sales schreibt uns Abtötungsübungen vor, die wir allein sehen und fühlen wollen Abtötungsübungen? Ich weiß wohl, dass dieses Wort hart für die Natur ist. Die erste Erziehung ist nicht mehr da, um uns ihr Verständnis zu geben. In der Familie lehrt man die Kinder nicht mehr den Verzicht, die Abtötung. Sie wissen nicht, was das ist. Das christliche Leben gibt es kaum noch, dieses schöne christliche Leben, das die großen Heiligen macht, die großen Menschen, die das Paradies bevölkert haben. Wir müssen gegen diese erste Erziehung eintreten, gegen die lasterhafte Atmosphäre, die wir atmen, gegen die Beispiele, die wir vor Augen haben. Aber da man Ordensmann sein will, muss man dennoch daran denken, Abtötungsübungen zu machen.

Der Ordensmann muss nicht nur seinen Pflichten als Christ treu sein, sondern er muss mehr machen. Er soll bußfertig sein, er braucht Buße. Genau dafür wurde er Ordensmann. Sein Gewissen muss zart sein, er muss sich die kleinste Sünde vorwerfen, und für seine Sünden und die Sünden der anderen Buße tun. Schaut doch in die Welt um uns herum, in die Familien, die glauben und behaupten, noch christlich zu sein. Man gewöhnt sich an die Sünde, sie kostet nichts. Selbst die Todsünde erschreckt nicht mehr. Man verliert die Gnade Gottes ohne Schmerz, fasst ohne daran zu denken. Da wir weit entfernt sind von der evangelischen Lehre, weit entfernt von dem, was die Heiligen dachten.

Wer wird der wahre Jünger unseres Herrn sein, wenn es nicht der Ordensmann ist und leider (!) einzig der Ordensmann. Lassen wir diese Überlegungen in die Rechnung einfließen. Tun wir Buße, und bitten wir Gott für unsere Sünden und die Sünden der anderen um Verzeihung. Schauen wir in der Vorbereitung des Morgens und im Gebet, was wir dem lieben Gott während des Tages schenken können, was uns etwas kosten wird. Es ist das, was uns was kosten wird, denken wir daran, was genau das Mittel sein wird, die Fehler, die wir begangen haben, auszulöschen. Wir sehen einen Akt vor, der etwas kostet: dieser Akt wird die Wiedergutmachung so vieler schuldhafter Akte für uns und für die anderen sein. Wir nehmen eine Demütigung im Vorhinein an: es wird die Wiedergutmachung sein für so viele Sünden des Stolzes, der Eitelkeit, der Sünde der Eigenliebe.

Diese Wiedergutmachung ist eine wesentliche Verpflichtung unseres Ordenslebens. Wir müssen uns alle auf diesen Weg machen, außerhalb dessen es nicht derselbe Weg wäre. Glaubt wohl, meine Freunde, wenn ihr das macht, werdet ihr ein fruchtbares, nützliches, wahrhaft glückliches Leben bauen. Es ist das Glück, das wir so in der Vereinigung mit Gott, in der Erfüllung seines Willens für uns, finden werden, in der Leichtigkeit auch, die wir finden werden, um an unser Ende (?) zu kommen. Lassen wir uns nicht ablenken von diesen großen, grundlegenden Gedanken. Man kann sich in der Welt um uns herum nicht aufhalten. Es ist nicht weniger wahr, dass es der einzige Weg ist, um zum Himmel zu gehen. Wenn wir das gut bedenken, werden wir stark und großmütig sein. Die Gute Mutter sagte oft, dass wir unsere Schritte in die Fußstapfen des Heilandes setzen sollen. Der Weg ist mühsam, es ist der von Kalvaria. Das ist die Straße, der wir folgen sollen. Und es liegt, meine Freunde, in dieser Verleumdung, in dieser Handlungsweise eine große Ermutigung, eine große Stütze, Wenn man treu ist, kann man mit einer ganz außergewöhnlichen Hilfe von Gott rechnen. Er wird Wunder wirken zu Gunsten der Seelen, die auf diesem Weg gehen.

Und die Straße ist auch nicht so schwer, wie sie scheint, wenn man sich gut darauf vorbereitet hat, und wenn man sich den ganzen Tag lang die Gedanken des Direktoriums bewahrt. Wenn der Heiland abwesend ist, langweilt und ermüdet jede Arbeit den Ausdruck des Gesichtes, die Gesten. Vielleicht gestattet Gott auch dem Dämon manchmal in den Grund der Herzen einzudringen. Das ist ein göttliches Geheimnis, wir kennen es nicht. Wir wissen wenigstens, und das ist sicher, dass die äußeren Anzeichen es dem Dämon Kenntnis über unser Inneres geben können, die zu nutzen er nicht verfehlt, um die Seele in Versuchung zu führen, um sie in die Mutlosigkeit zu stoßen, wenn sie die Übung ihres Direktoriums vernachlässigt, wenn sie anstatt den geraden und richtigen Weg zu gehen, den Weg daneben nimmt. Sie wird dort den Stein des Anstoßes und des Skandals finden, sie wird in dem Schlamm versinken, wo sie den Mut verlieren, atemlos werden wird, und sie wird große Mühe haben, sich herauszuziehen. Wenn man mit dem Heiland geht auf dem Weg des Willens Gottes, hat man die Tröstungen und Hilfen seiner Gegenwart, bleibt man ein guter Ordensmann.

Sie ist wunderbar, die Aussage unseres hl. Stifters. Er nimmt unser Inneres, unseren Gedanken, er lenkt sie mit der Zuneigung unseres Herzens zu Gott, und all unser Sein, alle unsere Handlungen gehen, sanft, friedlich, unaufhörlich zu Gott. Das ist im Grunde genommen ein leichtes Mittel, zu Gott zu gehen. Fassen wir unsere Vorsätze in dieser Hinsicht.

Sprechen wir nun von etwas anderem, meine Freunde. Ich weiß, dass wir am Ende dieses Schuljahres Ruhe brauchen. Ihr seid jung. Ich habe euch deshalb gern. Ich verachte die Alten… Nicht diejenigen, die ein hohes Alter haben, sondern diejenigen, die auf alt machen. In dieser Hinsicht ist niemand Alter unter uns. P. Latour ist die Jugend, die Jugend in Person! Ich werde eine heikle Frage berühren. Wenn man jung ist, reist man gerne: jedes Jahr nimmt man gerne, wenn es möglich ist, einen kurzen Urlaub. Das ist sehr natürlich und ich ärgere mich nicht über diesen Wunsch, wenn er gut im Orden und im Gehorsam ist.

Erinnern wir uns aber zuerst daran, was das erste Generalkapitel von Foicy festgelegt hat, dass es bei uns keine eigentlichen Ferien- oder Vergnügungsreisen gibt. Unsere Reisen können nur Reisen der Nächstenliebe sein, z.B. die schwache Gesundheit von Verwandten, oder notwendige Reisen wegen dringender Angelegenheiten oder wegen der schlechten Gesundheit des Ordensmannes, oder schließlich dienstliche Reisen, wenn man von seinen Oberen geschickt wird, um zu predigen, Beichte zu hören, etc. Als allgemeine Regel können nur Professen der ewigen Gelübde diese Erlaubnis erhalten. Soweit es möglich ist, ist es wünschenswert, dass nicht die Kongregation, sondern diejenigen, denen die Reiste nützt, für die Kosten aufkommen.

„Aber diejenigen, die während des Urlaubs reisen, sind sehr glücklich! Ich bin nicht in diesen Bedingungen: ich habe keinen ernsten Grund vorzubringen. Ich habe vor allem keine Quellen am Horizont, um die Kosten zu bezahlen.“ Ihr könnt wohl, während des Urlaubs, ohne eigentliche Reisen zu machen, leicht Zeit finden für kleine Zerstreuungen: eine kleine Wallfahrt, ein etwas längerer Spaziergang, und als letzte Analyse, wenn das ein wenig kostet, tröstet man sich mit dem Gedanken, dass man so das Mittel in der Hand hat, dem lieben Gott etwas anzubieten. Es ist nicht notwendig, so viel zu reisen, um glücklich zu sein.

Da war ein alter Domherr, Herr Renouvier – er trug eine Perücke aus Quecke. Ich traf ihn, als er die Heimsuchung verließ: „Sind Sie verrückt?“ fragt er mich aus nächster Nähe. – „Ich glaube nicht.“ – „Wenn Sie es nicht sind, sind es viele andere in diesem Haus…“ – „In diesem Haus?“ – „Ja, man müsste sie hinausschicken, Ihre Heimsuchungsschwestern, sie auf Reisen schicken. Sonst wird man verrückt. Schauen Sie! Ich bin 79 ½ Jahre alt und ich bin nie hinausgekommen. Das ist in der Familie. Ich habe einen Bruder, denn ich jedes Jahr schreibe, er möge mich besuchen kommen: ‚Komm, wenn du willst!‘ Er kommt nicht. Er führt ein ehrenwertes Leben, er geht nie weg, ich auch nicht.“

Meine Freunde, diejenigen, die nicht weggehen können, sollen ihre Absichtsrichtung darüber machen. Wir müssen wohl ein wenig übernatürlich werden. Wir werden dieses Opfer den lieben Gott schenken: das wird etwas sein. Ich will nicht reden wie Herr Renouvier, aber 40 Jahre lang war ich in der Heimsuchung, ich habe nur selten notwendige Reisen gemacht. Meine Freunde haben mich eingeladen. Ich fühlte, dass Reisen angenehmer wär als vor den Gittern des Klosters angenagelt zu bleiben. Ich brachte das Opfer, und ich blieb und gab es dem lieben Gott für die Heiligung der Seelen, die zu mir beichten kamen, damit es gut gehe. Ich dachte, dass es zu etwas dient. Und das diente wirklich, ich fühlte es. Das Opfer des Priesters vereinigte sich mit dem Opfer unseres Herrn Jesus Christus, setzte es fort, wie der hl. Paulus sagt: „Ich vollende in meinem Fleisch, was den Heimsuchungen Christi fehlt.“ (Kol 1,24). Wenn man jung ist, versteht man diese Dinge kaum. Selbst wenn man alt ist, hat man Mühe, sie anzunehmen. Wenn wir erreichen könnten, unseren Geist so zu formen, wäre es sehr gut.

Als ich mit der Guten Mutter im Sprechzimmer war, erzählte sie mir viel und ich hätte liebe den hl. Thomas studiert. „Seien Sie sicher“, sagte sie mir, „das, was Sie jetzt machen, nicht weniger nützlich ist, es ist viel besser, Sie werden sehen.“ Tatsächlich, meine Freunde, wem verdanke ich die Grundlagen, die ich den Oblaten und Oblatinnen zu geben versuche? Der Guten Mutter. Den hl. Thomas zu studieren, war mir angenehmer, aber war es der Wille Gottes und folglich das Heil meiner Seele? Dringt da ein, meine Freunde, seid jedes Mal zufrieden, was ihr Gott geben müsst. Da liegt der Reichtum, die Kraft. Bringt euch während dieser Urlaube eure Wünsche zum Schweigen, wenn sie nicht in Ordnung ist. „Aus tiefstem Herzen biete ich dir dieses Opfer an.“ (Psalm 54,8). Dieses Opfer wird Gott sehr angenehm sein. Ich sage euch sehr übernatürliche Dinge. Dort soll unser tägliches Brot sein. Möge jeder am Ende des Urlaubes seine Garbe bringen, eine Garbe aus üppigen, zusammengebundenen Ähren. Der liebe Gott wird euch gut empfangen: probiert es aus!

D.s.b.

(Übersetzung: Adelinde Heidenreich)