Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 14.03.1894: Wenn wir gehorsam sind, ist der Wille Gottes uns gegenüber großzügig.

Wir müssen uns heute mit der Vorbereitung für das Generalkapitel befassen und die drei Mitglieder unserer Kommunität benennen, die daran teilnehmen sollen. Nur ein kurzes Wort will ich sagen, um euch aufzurufen, eines Geistes und eines Herzens auf die Intentionen der hl. Kirche einzugehen und euch tief von dem durchdringen zu lassen, was das Fest und die Geheimnisse des heutigen Tages unserer Betrachtung, Frömmigkeit und Nachahmung anbieten.

An diesen Tagen, die in Messe und Brevier die Erinnerungen an die Gedenktage der Passion unseres Herrn in uns wachrufen, muss es unser Herzensanliegen sein, mit dem Herrn zur Sühne und Wiedergutmachung unserer Sünden wie auch der Sünden aller anderen Menschen zu leiden. Wie Jesus wollen wir uns demütigen, schlagen und vernichten lassen und doch nicht aufhören zu flehen: Mein Gott, nicht mein Wille, sondern der deine! Gottes Wille über uns besteht aber in unserer Treue zum Direktorium, in der gewissenhaften Beobachtung der hl. Regel, im großmütigen Gehorsam gegenüber den Anordnungen des Oberen. Wir müssen unsere Seele hinführen zu dieser freiwilligen und vollständigen Annahme dessen, was Gott uns zu schicken beliebt.

Zunächst aber sind wir gehalten, in der absoluten Abhängigkeit vom Willen Gottes zu verharren. Sonst würden wir über keinerlei Einfluss auf die anderen verfügen, da man an andere nur vom Überfluss des eigenen Herzens abgeben kann. Vergessen wir das nie, und seien wir gleichzeitig nicht überrascht, wenn wir beim Nahen der großen Geheimnisse unserer hl. Religion (Karfreitag und Ostern) mehr geprüft, mehr auf die Probe gestellt, mehr zur Mutlosigkeit versucht und kraftloser werden, zu widerstehen. Gott lässt diesen inneren Kampf zu, um sich unseres Mutes und unserer Hochherzigkeit zu versichern. Setzt dieser Kampf mit dem Geist des Bösen uns aber der Gefahr aus zu erliegen, so stehen uns dafür umso reichere Gnadenkräfte zur Verfügung. Es ist in der Tat der Augenblick gekommen, wo uns der Geist Gottes in größtem Überfluss zuteilwird. Legen wir da einen großen Vorrat an Glauben, Vertrauen und Hingabe sowie an Liebe zu Gott an. Diese Gaben werden nicht verfehlen, unsere Schritte zu stärken und uns über alle Schwierigkeiten, Verdrießlichkeiten, Mutlosigkeiten, körperliche wie geistige Leiden triumphieren zu lassen. Vertrauen wir in erster Linie aber auf die Gnaden, die uns durch das Leiden unseres Herrn verdient wurden. Lassen wir von den Seelen im Fegefeuer zu. Wie viel Gnaden können wir doch erwerben für uns selbst wie für die Seelen aller Lebenden und Verstorbenen. Wenn wir uns mit Jesu Leiden vereinigen, wenn wir alles, was uns begegnet, was uns befohlen wir, was uns ein Opfer kostet, was unseren Geist und unser Herz und unsere Sinne abtötet, zu unserer eigenen Passion machen. Ich appelliere an eure Eigenschaft als Ordensleute und wiederhole: Liebt die Demütigung und das Leiden und seht in allem und überall den Willen Gottes. Ihm anhangen und ihn erfüllen, das ist die Vollkommenheit des Ordensstandes.

D.s.b.