Kapitel vom 15.03.1893: Das Gelübde der Armut.
Das Gelübde der Armut. Was die Professen durch persönlichen Fleiß oder im Hinblick auf die Kongregation erhalten, können sie sich nicht aneignen oder behalten. Sie müssen es zum Nutzen der ganzen Gemeinde abgeben.
Sind wir Lehrer, Präfekt oder Verwalter von irgendetwas, dann wird alles, was wir durch persönlichen Fleiß, durch unsere Arbeit und Intelligenz erwerben, Eigentum der Genossenschaft. Gewiss haben jene, die durch ihre Geschicklichkeit etwas verdienen, Anspruch auf alles Notwendige, auf Bücher und Handwerkszeuge. Aber der gesamte finanzielle Ertrag muss der Kommunität zufließen, weil der Ordensmann der Welt erstorben ist. In alten Zeiten wurde, wer Ordensgelübde abgelegt hatte, im Personenstandsregister als verstorben eingetragen und als verstorben eingetragen und auch als solcher betrachtet. Jetzt, wo das Bürgerliche Gesetz die Gelübde nicht mehr anerkennt, müssen die Gelübde dennoch ihre ganze Kraft behalten. Wir müssen uns somit als für die Welt tot erachten. Ein Toter besitzt kein Eigentum mehr.
„Die Professen können das bloße Eigentumsrecht ihrer Güter behalten.“
Ein Pater, dem ein Haus, ein Bauernhof oder sonst ein Gut gehört, kann das bloße Eigentumsrecht darüber behalten. Er kann es vor dem Gesetz auf seinem Namen weiterlaufen lassen, darf aber nicht deren Verwaltung weiterführen, noch über die Einkünfte daraus verfügen. Er ist Besitzer nur dem Namen nach, für staatsbürgerliche Urkunden und Formalitäten.
Halten wir uns also in all diesen Fragen an unser Gelübde der Armut. In vielen Ordensgemeinschaften wird dieses Gelübde trotz der staatlichen Gesetze mit der gleichen Strenge beobachtet wie ehedem. In anderen hingegen hat es infolge der Ungunst der Zeiten eine Einbuße erlitten. Aber jedes Mal, wenn eine Kommunität es in diesem Punkt fehlen lässt, hat sie den Segen Gottes nicht mehr. Prüfungen, Austritte, Züchtigungen, das ist das richtige Wort, kommen über die Gemeinde. Denn dann ist es vorbei mit der guten Ordnung und dem Zustand, in dem sie wünscht. Jeder von uns muss also auf Verwaltung, Nutznießung und Gebrauch seines Eigentums verzichten und sich so vollkommen wie möglich an sein Armutsgelübde halten.
„Sie müssen darum vor ihrer Profess durch amtlichen oder privaten Akt diese Verwaltung, Nutznießung und Gebrauch an eine beliebige Person oder, wenn sie wollen, an die Genossenschaft abtreten.“
Das heißt: beim Eintritt in den Orden kann man ein Gut, das einem gehört, seinen Eltern, einem Freund oder dem Institut überschreiben, und dazu ist eine amtliche Urkunde notwendig. Man kann auch bloß die Einkünfte seinen Verwandten abtreten und die Bedingung beifügen, dass dies nach Belieben widerrufen werden kann. Gemäß dieser beigefügten Klausel darf man dann später die an Verwandte abgetretenen Güter, oder vielmehr deren Einkünfte oder ihre Verwaltung, wieder zurücknehmen, jedoch nur mit Erlaubnis des Heiligen Stuhles.
Die oben genannten Grundsätze gelten auch für Güter, die uns durch Erbschaft im Verlauf unseres Ordenslebens zufallen können. So hat Rom entschieden, und was unsere Satzungen hierüber sagen, ist nicht unser Sondergut, sondern eine von Rom allen Kongregationen mit einfachen Gelübden gegebene Vorschrift.
„Alles Eigentum der Genossenschaft ist Gemeingut. Die Oberen teilen jedem Oblaten gemäß den Satzungen und nach ihren Bedürfnissen Nahrung, Kleidung, Bücher, Zellen, etc. zu.“
Das Gelübde der Armut zieht den Geist der Armut nach sich. Es handelt sich hier um eine ganz neue Gesinnung, die den Alten unbekannt war und erst von unserem Herrn Jesus Christus auf die Welt gebracht wurde. Selig die Armen. Diese Gesinnung, die Freude schenkt, auf materielle Dinge zu verzichten, hat eine sehr schöne Seite an sich: die Wohltaten des Himmels, die Gnaden und Erleuchtungen Gottes sind der Anteil der Armut. Wir sollen die Dinge als Gottes Eigentum betrachten, sollen sie gebrauchen, sie schonen, darauf verzichten, beständig kleine Opfer bringen. Zu diesen Opfern verpflichten wir uns ja durch ein Gelübde und haben dann jenes Verdienst, das auf jedem Gelübde und haben dann jenes Verdienst, das auf jedem Gelübde ruht. Nichts zeugt mehr vom wahren Ordensgeist als diese Liebe zur Armut.
„Der Oblate des hl. Franz v. Sales wird nichts ohne Wissen und Erlaubnis des Oberen zum Gebrauch haben und muss bereit sein, auf einen einfachen Wunsch des Oberen darauf zu verzichten und es einem anderen zu geben.“
Suchen wir keine überflüssigen und seltsamen Dinge zu besitzen, selbst wenn man uns kleine Geschenke mit Erlaubnis macht. Dies sollte aber nie die Grenze der Armut überschreiten. Alles halte sich in den Schranken der Einfachheit. Unsere Nahrung sei einfach und genügsam. Gibt es beim Essen Opfer zu bringen, dann wollen wir uns daran erinnern, dass wir nie vom Tisch aufstehen sollen, ohne uns – positiv oder negativ – abgetötet zu haben. Brauchen wir dagegen etwas für unsere Gesundheit, dann werden wir es in Einfalt und Vertrauen erbitten. Gut ist es auch, in unserer Kleidung, unserem Schuhwerk und Mobiliar die Armut zu spüren. Das ist der Anteil Gottes, wenn wir uns einschränken müssen und nicht alles haben, was wir gerne möchten. Immer sollten wir die Abtötung mit uns herumtragen. Streifen wir darum alles ab, was nur den Augen schmeichelt und den Sinnen Befriedigung verschafft.
Was das Abschließen unserer Möbel betrifft, so gilt das kaum für unsere Kollegien. Fremde und Hausangestellte bewegen sich ja darin. Das gilt vielmehr für die eigentliche Konfente, wo nur Patres und Brüder leben. Geben wir also gut acht auf unser Armutsgelübde. Nehmen wir gerne die kleinen Opfer in Kauf, die das Gemeinschaftsleben mit sich bringt. Das ist Blüte und Frucht am Baum der Armut, das ist unser Schatz. Diese Opfer verschaffen uns einen großen Vorrat an geistlichen Reichtümern und verleihen uns die Autorität, mit Gott zu sprechen und ihn anzurufen. Sie dienen zur Reinigung unserer Seele. Die Sünde verschafft uns ein sündhaftes Vergnügen, das uns von Gott ablenkt. Die Armut dagegen bringt uns ein Leid, das das von der Sünde verursachte Übel wieder gut macht.
Haben wir große Ehrfurcht vor der göttlichen Vorsehung, die uns täglich tausend kleine Prüfungen schickt. Durch sie werden wir heilige Ordensleute. Zwanzig Mal am Tag bieten sich Gelegenheit dazu. Nutzen wir sie, sie vermitteln uns da wahre Verständnis für den Sinn der klösterlichen Armut.
Was mich in der Heimsuchung immer wieder überrascht hat, war die Armut des ganzen Hauses wie auch der einzelnen Schwestern. In der Übung der Armut steckt eine verborgene Perle. Unser Wille beugt sich da dem des lieben Gottes und wir begegnen Gott! Selig die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich.
D.s.b.
