Kapitel vom 07.12.1892: Über die Leidenschaft, alles gut zu tun.
Da wären wir ja mit der Erklärung unseres Direktoriums am Ende. Es trägt den Titel: „Geistliches Direktorium für die täglichen Handlungen.“ Ich halte es für gut, ein Kapitel beizufügen, das unser äußeres Verhalten regelt. Es genügt in der Tat nicht, das geistliche Direktorium für unser Innenleben mit Vollkommenheit zu üben. Diese Vollkommenheit sollte sich auch in unserem Äußeren widerspiegeln. Der hl. Stifter betont, die Ordensleute sollten alles leidenschaftlich gut tun. Leidenschaft muss also zu all unseren Handlungen dazukommen, das ist eine bedeutungsvolle Wahrheit. Leidenschaftlichkeit hat nicht nur für das Wohl der ganzen Kommunität Vorteile, sondern nützt auch jedem einzelnen in ungewöhnlichem Maße.
Nichts verbindet uns intensiver mit unserer Arbeit als wenn wir sie gut verrichten. Was wir mit Liebe tun, tun wir auch gut. Und wir beweisen, dass wir etwas gern tun gerade durch den Umstand, dass wir es gut verrichten. Wir sollen darum mit Liebe tun, was uns der Gehorsam aufträgt. Wir wollen unser ganzes Herz, unseren Verstand und unseren ganzen guten Willen hineinlegen. Gebrauchen wir dazu nicht nur die natürlichen Mittel und Fähigkeiten, die die Vorsehung uns gab. Setzen wir auch die Gnadenmittel ein. Und die Gnade wirkt umso stärker, je treuer wir in diesem Sinne arbeiten.
Die Gnade fügt in der Tat zu den natürlichen Fähigkeiten viel hinzu. Die Kinder, die die Gnade der Taufe empfangen und bewahrt haben, nehmen geistig leichter auf, lernen und verstehen besser. Es lässt sich nachweisen, wie sehr die Intelligenz bei den Völkern sinkt, bei denen die Taufe vernachlässigt wird. Gewiss belohnt Gott allezeit die Arbeit, die man erledigt, denn die Arbeit an sich ist etwas Gutes, sogar bei den Bösen. Die Arbeit an sich ist etwas Gutes, sogar bei den Bösen. Die Arbeit zieht immer materielle Gnaden herab. Verbindet sich mit dieser Kraft, die der Arbeit an sich schon innewohnt, die übernatürliche Gnade Gottes, dann wird alles besser und leichter. Und man kann dann sagen, dass – bei sonst gleichem Intelligenzniveau – jene, die mit der Taufgnade ausgestattet sind und die davon Gebrauch machen, bedeutend höhere Resultate erzielen.
Wenn wir es verstehen, unser ganzes Herz, unseren Willen und Eifer für einen Auftrag einzusetzen, erfährt das uns übertragene Amt einen Zuwachs an Gnadenkraft. Ohne jeden Zweifel werden dadurch unsere Fähigkeiten vermehrt. Die natürlichen Kräfte werden von den übernatürlichen erfasst und verstärkt, und wir leisten Besseres. Aus diesem Grund wird ein Ordensmann, der ein guter Ordensmann ist, allerorten großen Erfolg verzeichnen.
Man mag uns deshalb welches Amt auch immer anvertrauen, wir geben uns seinen Verpflichtungen mit ganzer Seele hin. Dann wird unser Leben von Glück und Seelenfrieden erzählen können. Denn nicht nur das übernatürliche Leben wird uns unterhalten werden, auch das intellektuelle und natürliche Leben wird davon profitieren. Erteilen wir unseren Unterricht in der Schule darum mit der ganzen Vollkommenheit, deren wir fähig sind. Es gibt kein anderes Mittel, ihn gut zu erteilen. Das Maß des Erfolges, den wir bei unseren Schülern erzielen werden, entspricht genau dem Maß des Herzens, das wir hineingelegt haben. Legen wir wenig Herz in unsere Arbeit, werden uns die Kinder auch wenig Aufmerksamkeit schenken und werden wenig von uns empfangen, und umgekehrt. Geben wir also wohl acht, dass wir alles so gut wie möglich tun und sagen. Jeder Abschnitt unseres Unterrichtes wie jede einzelne Amtshandling erfordert eine spezielle Vorbereitung.
Durchdenken wir alles so gut wir können. Habt ihr eine Aufsicht zu führen, so beschränkt euch nicht bloß auf äußere Dinge. Gebt euch vielmehr mit den Kindern ab, stellt sie unter den Schutz Gottes, empfehlt sie ihren Schutzengeln, und Gott und die hl. Engel werden euch zur Seite stehen. Vollbringen wir also alles gemäß dem Willen Gottes, dem Willen unserer Vorgesetzten und dem Willen der hl. Kirche, die ausdrücklich heilige Ordensleute wünscht, damit sie die Kinder zu Vollchristen erziehen und heranbilden! Geht in diesem Sinn auch dann vor, wenn ihr ein rein materielles Amt zu versehen habt, z.B. das des Ökonomen, etc. Ein Ordensmann, der die Weisungen des Gehorsams leidenschaftlich gut befolgt, wird mit Gottes Gnaden überhäuft. Neben den gewöhnlichen empfängt er noch Gnaden ganz spezieller Art.
Das wurde in auffallender Weise spürbar, als die Welt noch christlich war und viele Klöster die Christenheit bevölkerten. Wie segnete Gott die Unternehmungen seiner Ordensleute, seiner Kinder. Alles trug den Stempel seiner Inspiration. Seht nur, wie die alten Abteien gezeichnet waren von Heiligkeit und einem Gottesgeist, den man zu anderen Zeiten vergeblich suchen würde. Was man in der Architektur leistete, übertrifft bei weitem unsere heutigen Versuche. Vergleicht nur die Kathedrale von Troyes mit einer modernen (neugotischen) Kirche, z.B. St. Clothilde. Vergeblich sucht man heutzutage jenes Gepräge von Religiosität und Genialität, das die christlichen Arbeiter früherer Jahrhunderte ihren Werken aufzudrücken wussten. Die Griechen besaßen ebenfalls jenes Gefühl für Schönheit. Ihre Säulen und Tempel bezeugen jene charakteristische Ebenmäßigkeit und Schönheit, zu der die Römer sich nicht mehr emporschwangen. Sie bleiben weit zurück hinter der Religiosität und der Innerlichkeit, den unsere mittelalterlichen Baudenkmäler bezeugen.
Doch auf mein Thema zurückzukommen, will ich zum Schluss noch einmal betonen, wie sehr jeder Ordensmann verpflichtet ist, sein ganzes Herz in das zu legen, was ihm zu tun obliegt, und es leidenschaftlich gut zu tun. Dies ist das einzige und unfehlbare Mittel, sein Tun mit Erfolg zu krönen.
D.s.b.
