Kapitel vom 06.04.1892: Über die hl. Kommunion.
Die hl. Kommunion: „Die Ehre Gottes und die Vereinigung mit ihm sei die Hauptabsicht des Oblaten beim Empfang der hl. Kommunion.“
Die Vereinigung mit Gott ist die beherrschende Idee unseres Institutes. Mit Gott müssen wir zunächst durch seine Gnade und unsere Liebe verbunden sein, und diese Liebe und Vereinigung geschieht in all unserem Tun und Wollen. Wir vollbringen diese nicht aus eigenen Kräften, sondern gestützt auf ihn, der uns umso mehr Willenskraft verleiht, je mehr wir uns ihm nähern. Halten wir uns darum an all die Übungen, die hier aufgeführt werden. Denken wir bereits am Vorabend an die hl. Messe und die hl. Kommunion des nächsten Morgens. Legen wir uns nicht schlafen, ohne bei diesem Gedanken zu verweilen, und sobald wir erwachen, bringen wir unsere Seele in die richtige Verfassung für die hehre Handlung, die uns bevorsteht. Die Priester, die täglich kommunizieren, sollten die hl. Messe zum beständigen Gegenstand ihres inneren Gebetes (Betrachtung) machen, und dieses innere Gebet darf keine Unterbrechung erleiden. Gewiss haben wir auch andere Verrichtungen vorzunehmen, aber die Gedanken an Messe und Kommunion müssten alle übrigen Gedanken befruchten und beleben. Darum der ausgezeichnete Rat, seine Seele schon am Vorabend für die hl. Handlungen zu bereiten. Am Morgen können wir dann bei unserem Vorbereitungsgebet auf die hl. Messe den lieben Gott bitten, er möge uns eine größtmögliche Zahl jener unzähligen Gnaden schenken, die mit dem hl. Messopfer verbunden sind. Ist die nächste und unmittelbare Vorbereitung auf Messe und Kommunion unerlässlich, dann darf die entfernte auch nicht fehlen. Sie erwirbt uns viele Frucht und seelischen Gewinn. Beachtet doch, wie viel Franz v. Sales und Vinzenz v. Paul daraus profitiert haben! Letzterer hatte die Gewohnheit, sich auf jede hl. Messe mit der gleichen Sorgfalt vorzubereiten wie auf seine Primizmesse. Daran hielt er fest während seines ganzen Lebens. Diese Zurüstung auf die hl. Messe und Kommunion des nächsten Tages ist eine Praxis und eine Lehre unseres hl. Stifters, an die wir uns halten sollten. Nach dem hl. Franz v. Sales darf man sich nie dem Tisch des Herrn ohne entsprechende Vorbereitung nahen. Eine unvorbereitete Kommunion kann in der Tat ein nutzloser, wenn nicht schädlicher Akt sein. Es wäre ein Missbrauch der Gnade Gottes. Der liebe Gott zöge sich zurück. Ich weiß nur zu gut, dass heutzutage viele lautstark das Gegenteil verkünden: Kommuniziert, kommuniziert nur, je häufiger, desto besser! Glaubt an meine lange Erfahrung wie auch an die Lehre der Theologie: die häufige Kommunion ist gewiss eine vortreffliche Sache, die größte Wirkungen hervorzubringen vermag, aber unter der Bedingung, dass ihr eine ernste Vorbereitung vorausgeht. Der ehrwürdige M. Roger sagte uns im Seminar: Man soll oft kommunizieren, aber nach stets gründlicher Vorbereitung. Ihr könnt auch nur dann oft und viel essen, wenn ihr über einen kräftigen Magen verfügt. Sonst wird euch das viele Essen übel bekommen und krank machen. Unsere Seminarlehrer hielten uns an, uns umso heiliger dem Tisch des Herrn zu nahen, je häufiger wir es tun wollten. Wenn die Weihetage herannahten, kommunizierten wir im Priesterseminar jeden Tag, aber mit welcher Vorbereitung! Mit welch heiligem Eifer machten wir am Vorabend unsere Besuchung des Allerheiligsten und am Morgen unsere Betrachtung! Mit welch wacher Aufmerksamkeit wohnten wir da der hl. Messe bei! Und wie lange dehnten wir nach der Messe unsere Danksagung aus! Welch heilige Vorkehrungen trafen wir während des Tages, das große Ereignis am Morgen nicht zu vergessen und den Herrn tagsüber nicht allein zu lassen in unserem Herzen! Ich wiederhole darum: Ohne diese Vorsichtsmaßnahme kann die häufige Kommunion zu einer Gefahr werden. Ordensleute wie Laien dürfen wir Priester nicht zur häufigen Kommunion zulassen, falls die gebührende Einstimmung fehlt. Um zahlreiche Kommunionen zu erlauben, ist Rücksicht zu nehmen auf Schwierigkeiten und Versuchungen und die zu erwartenden Fortschritte. Die tägliche Kommunion ist sicher äußerst lobenswert, ist aber nur mit sehr großer Vorsicht zu empfehlen. Um schon alle acht Tage zu kommunizieren, verlangte unser hl. Gründer Freiheit von jeder Anhänglichkeit an schwere, ja sogar an lässliche Sünden, wie z.B. das Lügen, das Naschen, die üble Nachrede. Es ist gut, die Gläubigen für die häufige Kommunion geneigt zu machen, wir müssen ihnen aber auch die erforderlichen Vorbedingungen abverlangen, dass die Kommunion wirklich Nutzen stiftet und echte Akte der Ehrfurcht und Liebe gegenüber unserem Herrn darstellt.
Wir Priester, die wir während der Messe auch kommunizieren, müssen hier noch einen anderen Gesichtspunkt beachten: Die Gnade, den Leib des Herrn zu empfangen, beschränkt sich hier nicht nur auf den Priester, sondern auf die ganze hl. Kirche. Jedes Mal, wenn er eine hl. Messe feiert, erweist er Gott damit eine Huldigung, ehrt die Heiligen, erwirkt der Welt und aller Schöpfung Heil und wendet ihnen die Früchte der Erlösung und der göttlichen Liebe zu. Es ist also sehr wünschenswert, dass diese gewaltigen Wirkungen sooft wie möglich hervorgebracht werden. Freilich darf diese Erwägung den Priester nicht dazu verleiten, ohne gehörige Vorbereitung die Messe zu lesen und die Kommunion zu empfangen. Sie kann ihn aber in seinen Schwachheiten ermutigen und trösten und ihn insbesondere dazu aufrufen, sich bestmöglich zu disponieren, da er diese hl. Handlungen oft vornehmen soll und durch diese ausgezeichneten Akte Gottes Ehre vermehrt, die Seligen des Himmels erfreut, die Leiden der armen Seelen lindert und der ganzen hl. Kirche wertvollste Gnaden erwirkt. Denken wir bei den guten Gedanken des Vorabends, der Nacht, des Morgens wie des ganzen Tages an den Altar, auf dem wir dem himmlischen Vater seinen Sohn aufgeopfert haben oder aufopfern werden. Regen wir unsere Seele zu Akten der Anbetung, des Dankes und der Bitte um die notwendigen Gnaden an. Opfern wir uns Gott auf. Es ist das eine Gott höchst wohlgefällige geistliche Opfergabe, die wir ohne Unterlass erneuern sollten. Wie tut das unserer Seele gut! Zeigt mir einen Priester oder einen Ordensmann, der morgens seine Messe andächtig gelesen hat und tagsüber oft an dieses große Morgenereignis denkt, es gleichsam geistlicherweise erneuert, indem er sich selbst als geistiges Opfer darbringt – da habt ihr den vortrefflichen Priester gefunden, der reichste Früchte hervorbringt und bei sich wie bei den anderen Wundertaten vollbringt.
Darin bestand die große Andacht des ehrwürdigen Abbe Cardot, in der würdigen Feier des hl. Messopfers. Dadurch erbaute er alle Anwesenden in so ungewöhnlichem Maße, und während seines Tagewerkes erneuerte er die Intentionen, für die er seine Messe aufgeopfert hatte. Darin schöpfte er starke Kräfte und reiche Gnaden. Die hl. Messe bedeutete ihm in der Tat das beständige, nie versiegende Opfer. Wie viel Kraft schöpfen auch wir in ihm für die Versuchung, in unseren Schwächen und Mutlosigkeiten, wenn wir so Gott eng verbunden bleiben. Jeder Priester empfängt aus der Messe ungeheure Gnadenkräfte, deren Wirkung tief in sein Wesen hinab reicht und von Dauer ist. An uns ist es, diese zu bewahren, fortzusetzen, sie in uns immer wieder zu beleben, indem wir sie im Gedächtnis in uns wieder aufleben lassen und uns davon nähren während unseres Tagewerkes. Unser Herr kam am Morgen in unsere Hände und in unser Herz. Bitten wir ihn immer wieder, zu uns zurückzukommen: Komm, Herr Jesus! Welch mächtiges Mittel, uns zu heiligen und mit Gott zu vereinigen, und eines der sichersten Mittel, das übernatürliche Leben in uns zu unterhalten. Der hl. Alfons schreibt darüber zu Herzen gehende und überaus schöne Dinge: wenn er beleidigt wurde, nahm er dies im Namen unseres Herrn auf, den er am Morgen empfangen hatte. Auf dieselbe Weise stimmte er alle Prüfungen. Leiden und Widersprüchen zu. In seinen „Besuchungen des Allerheiligsten“ finden sich wunderbare Gebete geistlicher Kommunion, die wir gern gebrauchen sollten. Sagen wir immer wieder: „Komm Herr Jesus!“ Mit dieser Bitte schließt die ganze Hl. Schrift ab, es sollte das einzige und das letzte Wort auch unseres Lebens sein!
„Nach der hl. Kommunion stellt er sich unseren Herrn in seinem Herzen wie auf einem Thron sitzend vor…“
All diese Gedanken und Anmutungen, die uns der hl. Stifter hier an die Hand gibt, finden das Wohlgefallen Gottes. Herr, bleibe bei uns… Als unser Herr diese Bitte aus dem Mund der Emmausjünger vernahm, hat er sie erhört. Warum sollte er sie nicht erhören, wenn wir sie an ihn richten? Alle diese Stoßgebete sind von großer Schönheit und geschickt ausgewählt. Sie tragen eine besondere Gnade in sich, da sie Worte der Hl. Schrift sind. Das war übrigens die Praxis unseres hl. Stifters, und mit ihnen hat er sich geheiligt. Auch wir sollten tun, was er geübt und erprobt hat.
„Die Patres bestimmen nun, auf welche Meinung sie die hl. Messe lesen, für welche Personen und Bedürfnisse sie beten wollen. All das empfehlen sie dann Gott, dem Herrn…“
Fürs Memento der hl. Messe müssen wir unsere kleine Liste von Messintentionen bereit halten, damit wir uns so der Intentionen des Direktoriums bedienen können und nicht vergessen, was wir von Gott erbitten sollen. Allgemein gehaltene Gebete sind ja sehr schön, aber ein für ein besonderes Anliegen gesprochenes Gebet hat auch eine besondere Wirkung. Darum empfiehlt es auch die Liturgie und befürworten es die Ordensregeln. Gewiss misst die Kirche den allgemeinen Gebeten einen großen Wert bei. Sie will aber keineswegs, dass man deshalb das besondere Gebet vernachlässigt. Setzen wir darum auch dieses Kapitel von den Gebetsmeinungen bei der hl. Messe in die Praxis um.
In diesen Tagen treten wir in die hl. Karwoche ein und feiern dabei auch die Einsetzung der hl. Eucharistie. Gehen wir darum zur hl. Kommunion und feiern wir die hl. Messe mit neuem Eifer. So gewinnen wir Anteil an den Gnaden, die mit diesen hohen Festlichkeiten verknüpft sind. Am Gründonnerstag, dem Fest des heiligsten Sakramentes, werden wir einen starken Zuwachs an Glauben und Verehrung zur wirklichen Gegenwart unseres Herrn im Sakrament erfahren. Alle Andachten haben ihren Wert, die aber zum heiligsten Sakrament übertrifft sie alle. Denn sie ist der Inbegriff der ganzen Religion, ein ungemein wirksames Mittel unserer Heiligung. Sie ist ein müheloses und ganz göttliches Mittel, uns beständig und hochherzig mit Gott zu vereinigen.
