Kapitel vom 13.01.1892: Über die Erholung und Rekreation
Die Erholung. „Geht der Oblate zur Erholung, bittet er Gott um die Gnade, nichts zu sagen oder zu tun, was nicht zu seiner Ehre wäre.“
Vor der Rekreation sollen wir unserem Willen die rechte Richtung geben und uns wappnen gegen die Schwächen, zu denen unser Naturell neigt. Fühlt man sich nicht zur Unterhaltung aufgelegt, sondern möchte sich mit sich selbst beschäftigten, dann fasse man einen Vorsatz, der dem Geist der hl. Regel mehr entspricht. Hat man den Fehler, dem Mitbruder zur Abtötung zu gereichen oder immer von sich selbst zu reden, dann denke man noch schnell an diese Untugend und bemühe sich, zur Erholung ein natürliches und freundliches Antlitz mitzubringen, das niemand abstößt oder ärgert.
„Im Geist des Gehorsams gibt er sich natürlich und ungezwungen der Erholung hin, spricht aber aus Frömmigkeit gern von guten Dingen.“
Unsere Unterhaltung sollte eine christliche und religiöse Note tragen, durchsetzt von erbaulichen Zügen, die gleicherweise der Erholung wie der Ermunterung im Guten dienen. Das mag nicht ganz leicht sein. Lebt man in einer Gemeinschaft eng zusammen, dann hat man vielleicht Hemmungen, etwas zu sagen, was an eine Predigt oder an eine auswendig gelernte Lektion erinnert. Mit etwas Geschick und Frömmigkeit wird es uns aber doch glücken, das Gespräch auf unterhaltsame und auch erbauliche Themen zu lenken, die den Partner auf gute Gedanken bringen. Es lag unserem hl. Stifter sicher fern, dass wir in jeder Freizeit eine Art Ansprache halten. Er wünscht lediglich, wir sollten gern auch von guten Dingen sprechen. Unsere Unterhaltung sollte nicht ausschließlich aus Scherz und Leichtsinn bestehen. Sprechen wir doch mitunter von unseren Studien, unseren Beschäftigungen, von allem, was die anderen interessieren könnte. Eine so verbrachte Rekreation hat den doppelten Vorteil, dass wir der hl. Regel gerecht werden, andererseits aber auch eine Fertigkeit darin bekommen, mit Weltleuten eine fließende Unterhaltung zu führen. So gewöhnen wir uns eine kluge, vernünftige, einwandfreie und religiös geprägte Konversation. Haben wir mit Weltmenschen zu tun, mit denen wir nicht gerade rein religiös Themen besprechen können, so wollen wir doch dafür Sorge tragen, dass wir auch einige religiöse Gedanken einflechten und dass unsere Unterhaltung im ganzen gesehen einen ordentlichen und geziemenden Eindruck hinterlässt. Besonders die jungen Oblaten mögen sich das gesagt sein lassen. Sie mögen Ernst, Bescheidenheit und Maß zur Schau tragen, wünscht das Tridentinum von den Klerikern. Wie viel mehr von den Ordensleuten. Damit will ich nicht sagen, unser Ernst sei übertrieben und arte in Griesgrämigkeit aus. Das lag ganz und gar nicht in der Absicht des hl. Gründers. Er liebte selber die Fröhlichkeit im Umgang mit dem Nächsten und verschmähte es nicht, gelegentlich auch kleine Schalkheiten zu sagen.
„Er denke zu Beginn der Erholung noch kurz an diese Unart.“
Der hl. Stifter verbietet es nicht, dass man maßvoll lache und mitunter auch laut rede. Er liebt nur kein schallendes Gelächter noch auch den beständig lauten Ton, der zugleich die Bescheidenheit wie die Liebe verletzt. Die Art und Weise, die Freizeit mit klugen und religiös geprägten Gesprächen zu würzen, bringt uns viele Gnaden ein. Eine Erholung in solchem Geist verbracht, hat nichts Schockierendes und nichts aus dem Rahmen Fallendes an sich. Alles trägt hier den Stempel des Guten und Geziemenden an sich. Man erfüllt dabei den Willen Gottes und die hl. Regel, und obwohl sich alles in ganz einfachem und natürlichem Rahmen abspielt, hat man dennoch etwas getan, was den Himmel verdient. Man hat ebenso vollkommen gehandelt als hätte man eine sehr gute Betrachtung gemacht oder ein ganz inniges Gebet gesprochen. Unsere Heiligkeit drückt sich ja nicht in dem aus, was wir denken, uns einbilden und sagen, sondern in dem, was wir tun, in unseren Werken. Eine so verbrachte Erholungszeit ist ein Akt vollkommener Liebe, der den Himmel verdient. Handeln wir also in diesem Geist. Es ist der Geist der Kirche und die Doktrin der Wahrheit. Diese Art zu urteilen und vorzugehen sollte unser ganzes Tun und Lassen prägen: es ist unser Sondergut. Es gibt nichts Gleichgültiges in unseren Handlungen, nichts Unbedeutendes.
Als ich Theologie studierte, wurde die Frage heftig debattiert: Gibt es indifferente Handlungen? Man bejahte damals die Frage. Franz v. Sales dagegen sagt für die Praxis nein: Zu unserer Heiligung muss alles ohne Ausnahme beitragen. Der Mensch muss sich in Gott bewegen wie der Fisch im Wasser. Während der Freizeit sollten wir uns folglich in Gott entspannen, so wie man in Gott auch beten und leiden soll.
„Der Oblate, der an der Reihe ist, erinnere von Zeit zu Zeit an die Gegenwart Gottes.“
Es wäre schön, dies wenigstens einmal zu tun, so wie wir auch zum Abschluss der Rekreation etwas sagen sollen, was zum Guten ermuntert. Gewiss begehen wir keinen Fehler, wenn wir dies aus Vergesslichkeit unterlassen, doch das Gegenteil ist besser.
„Die Bitten um Erlaubnis nimmt der Obere für gewöhnlich nach der Mittagserholung entgegen. Der Oblate überlege darum im Voraus, was er braucht.“
All diese verschiedenen Anweisungen bezwecken, dass wir alles, was wir mit den Mitbrüdern zu regeln haben, möglichst am Schluss der Freizeit erledigen, damit wir während des Stillschweigens nicht mehr zu sprechen brauchen. Sorgfältig sollten wir darum alle Anlässe für Zerstreuungen und lange Gespräche vermeiden. Über die Erholungszeit haben die Lehrer des geistlichen Lebens viel Grundsätzliches gesagt: gerade da erkenne man den guten Ordensmann, weil er hier seiner Natur und seinen Schwächen am ehesten freien Lauf lässt oder aber die meisten Tugenden übt. Ich möchte besonders darum bitten, dass man sich in der Freizeit herzlich gebe. Eine natürliche, einfache und herzliche Unterhaltung bereitet sich jedermann sehr große Freude. Bricht zufällig ein Streit aus, dann werden wir uns bemühen, mit etwas Geschick darüber hinwegzuhelfen, ohne dass man jemand verletzt oder sich selbst beleidigt zeigt. Die Liebe, die wir bei dieser Gelegenheit entfalten, sollte überhaupt nicht bemerkt werden. Dem man sie erweist, dem sollte sie gar nicht auffallen.
Bitten wir unseren hl. Stifter um seinen Segen für die Erholung. Wir schöpfen nämlich für unsere Beziehungen zur Außenwelt ungeheure Vorteile gerade aus der Entspannung im Kreise der Mitbrüder. Zufriedenheit, Liebe und Heiterkeit strahlen wir dann in unsere Umwelt aus. Unsere ganze Persönlichkeit wird Einfachheit und Güte atmen, niemand wird etwas auszusetzen finden. Die Bösartigen können uns nichts übel nehmen. Immer werden wir das Ziel erreichen, das wir uns gesteckt haben.
Ich möchte mit einer Empfehlung der Armut schließen. Gehen wir sparsam mit Gas um (Anm.: „Die Zimmer [d.h. die einzelnen Zellen des Klosters] wurden zum damaligen Zeitpunkt mit Gas geheizt, was ziemlich teuer war.“) und meiden wir hier wie überall jede unnötige Ausgabe. Verbrennt nur, so viel notwendig ist. Tragt sorgsam im Herzen diesen Geist der Sparsamkeit, der Schonung und Bewahrung in allem! Tut es aus übernatürlichen Motiven, für Gott und aus Hochschätzung der hl. Armut. Pflegt und schont die Dinge der materiellen Schöpfung, um Gott Vater durch sie zu verherrlichen, der sie zu unserem Gebrauch geschaffen hat. Bedient euch ihrer auf die Art, die seinem Willen und seiner Anordnung entspricht. Diese Sparsamkeit und Sorgsamkeit ist, im Licht der Übernatur betrachtet, eine ausgezeichnete Sache. „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Hl. Geistes“ beten wir so oft. Diesen drei Personen eignet aber in gleichem Maße die Gottheit. Ihnen steht darum auch in gleicher Weise unsere Verehrung zu.
Wiederum empfehle ich den Gebeten der Kommunität unsere Missionare und Jugendwerke. Möge Gott uns seinen Hl. Geist senden, dass dort all gut vorangehe und insbesondere unsere Missionare jederzeit die nötige Kraft und die Ergebung aufbringen, ihre zahlreichen Prüfungen zu bestehen. Am Oranje haben unsere Missionare sich noch nicht am jenseitigen Ufer des Flusses niederlassen können, weil der Generalkapitän unter dem Einfluss der kalvinischen Prediger steht. Er hielt dem P. Simon eine langatmige Strafpredigt darüber, was die Annalen der Propagandakongregation über ihn veröffentlicht hatten. Das zwar nicht sehr furchteinflößend. Jedenfalls tun die Protestanten, durch die Freimaurer verstärkt, ihr Möglichstes, um den Vormarsch unserer Missionare zu stoppen.
Aus Rom erhielt ich zum Jahreswechsel sehr freundliche Briefe vom Kardinalvikar, vom Präfekten der Propaganda, von den Kardinälen Mermillod und Mazella. Letzterer scheint uns noch mehr als alle anderen wohlgesinnt zu sein. Sie alle empfehle ich dem Gebet der Kommunität. Wenn wir für unsere Freunde und Wohltäter beten, dann wollen wir nicht unterlassen, sie auch in unsere Opfer und Arbeiten einzuschließen. Auch in Ecuador haben sich unsere Patres über Mangel an Mühsalen nicht zu beklagen. Aber sie schrecken vor nichts zurück. Beten wir für sie und mit ihnen.
D.s.b.
