Kapitel vom 02.12.1891: Über die Feier der hl. Messe
Es ist eine vortreffliche Gewohnheit, von Zeit zu Zeit die Rubriken des Missale durchzulesen, um festzustellen, ob man nicht dagegen verstößt: gegen die Vorschriften der Verneigungen, der Haltung der Hände, gegen die Art, das Kreuzzeichen zu machen. Beobachtet die Rubriken gewissenhaft, ohne deshalb eure hl. Messe schleppend zu gestalten. Jedenfalls sollte man von uns nie sagen können: Jeder von ihnen liest die Messe anders.
Kann man etwa vom Soldatenstand behaupten, jeder mache es anders? Wenn ein Oblate die hl. Messe liest, sollte etwas von unserem Geist sichtbar werden, etwas Einfaches und Gediegenes, fern aller Ziererei und Eitelkeit. Macht schöne Kreuzzeichen über den Kelch, die Opfergaben, vor allem über die hl. Hostie, mit Ehrfurcht und Gleichmaß… Meiden wir alle Eigenheiten und Nachlässigkeiten, alles, was die Einheit stört und die Bemerkung rechtfertigen könnte: Sie lesen alle die Messe auf verschiedene Weise. Nehmen wir die Intentionen des Direktoriums zum Memento der Lebenden… Diese Intentionen bringen uns Gnade ein, außerdem, betet man denn nicht besser bei dem Gedanken: durch diese Intention bin ich mit allen meinen Mitbrüdern verbunden? Sämtliche Patres haben in diesem Augenblick ein und denselben Gedanken, ein und dasselbe Gebet, das der Ordensregel, das uns der hl. Stifter geschenkt hat.
Beim Memento braucht man seine Intention nicht mündlich zu formulieren. Der Text des Kanons liegt ja fest und bedarf keiner Ergänzung. Es genügt also, seine Messintention in Gedanken auszudrücken. Wenn wir bei der hl. Messe beten, sind wir gleichsam allmächtig. Denn hier sind wir aufs innigste mit Gott verbunden… Wir brauchen nur zu sprechen, Gott ist mit uns und handelt durch uns.
Der Gedanke, den uns der hl. Stifter zur Erhebung der hl. Hostie empfiehlt, nämlich „uns gleichzeitig mit ihr als ewiges Brandopfer seiner Ehre und Verherrlichung aufzuopfern“, ist sehr schön und zu Herzen gehend. Wir sollten uns in der Tat hier nur in innigster Vereinigung mit unserem Herrn Gott aufopfern. Da darf es nicht zweierlei Gaben geben. Die unsrige sei vielmehr dem göttlichen Opferlamm gleichsam aufgepfropft, sodass es trotz unserer großen Unwürdigkeit nur ein einziges Opfer ist. Das Einswerden des Priesters mit unserem Herrn ist bei der hl. Messe in der Tat äußerst innig, und wenn die Gläubigen ins hl. Messopfer so starkes Vertrauen setzen, in die Gebete während der Messe – so ist das nur zu berechtigt: Es gibt keine zwei Opferpriester. Der Priester möge darum mit dem Opferlamm Christus wirklich zu einer Einheit verschmelzen.
„Dasselbe geschehe bei der Aufhebung des hl. Kelches, den er mit großer Inbrunst zur Vergebung der Sünden und zum Heil der ganzen Welt Gott darbringen soll.“
In dem Augenblick, wo wir das hl. Blut unseres Herrn aufopfern, sollen wir bitten, es möge sich in Form von Gnaden und Segnungen über uns, über jene, für die wir die hl. Messe lesen, und über die ganze hl. Kirche ergießen. Die Aufopferung des hl. Blutes hat eine ungeheure Wirkkraft. Es ist ja dasselbe Blut, das einst auf Golgota floss, ist die Vergegenwärtigung und Fortsetzung des Kreuzesopfers. Wie sollen wir da nicht alles von Gott erhalten? Die hl. Messe verdient unser unbegrenztes Vertrauen und so sollten wir sie auch lesen. Bittet den lieben Gott, wenn ihr die hl. Hostie in Händen haltet, er möge eure Hände, eure Augen und eure Worte durch die Berührung mit dem hl. Leib reinigen und läutern. Diese Wirkung kann das hl. Messopfer im Priester hervorbringen. Auch mit der seligen Jungfrau verbinden wir uns in Gedanken, damit wir uns stets unserer eigenen Unwürdigkeit noch besser bewusst bleiben.
„Wenn der Pater jemandem die hl. Kommunion reicht, gedenke er der unendlichen Liebe und Demut des Sohnes Gottes, mit der er sich selbst allen ohne Unterschied…darbietet.“
Nie sollten wir es unterlassen, für jene zu beten, denen wir die hl. Kommunion reichen, sondern empfehlen sie innig dem lieben Gott. Ihr seht also, wie die hl. Messe durch die guten Gedanken unseres hl. Stifters gleichsam einbalsamiert und sie alles andere als eine trockene, sterile Angelegenheit wird.
„Nach der hl. Messe bleibe er noch wenigstens eine Viertelstunde gesammelt.“
Eure Danksagung darf kein bloß ichbezogenes Beten sein. Da sollen wir den lieben Gott noch einmal bitten, die Gnaden und Verdienste der hl. Messe den Menschen zuzuwenden, für die wir sie gelesen haben. Vergessen wir in diesen Augenblicken keine der Seelen, mit denen wir durch die Bande der Familie, der Freundschaft oder Nächstenliebe verbunden sind. Soviel für die Patres.
Den Brüdern empfehle ich, der hl. Messe mit großer Andacht beizuwohnen oder zu ministrieren. Wahrt dabei immer eine ernste und würdige Haltung und antwortet mit gesetzter und bedächtiger Stimme. Man muss spüren, dass da ein Ordensmann bei der Messe dient! Ein Bruder, der den Altardienst andächtig versieht, kann ebenso erbauen wie der Priester, der zelebriert. Wenn ich früher die Kartause besuchte, war ich stets nicht weniger von den Brüdern und Novizen erbaut, die mir bei der hl. Messe ministrierten, als von den Patres. In Bosserville lebte ein Bruder, Vetter des spanischen Königs, der dem P. Retournat die Messe diente. Einmal vertat er sich und reichte dem Pater Wasser statt Wein. Der Zelebrant machte ihm ein Zeichen, worauf sich der Bruder verneigte. Nach der Messe sah ich den jungen Ordensmann sich auf das kalte Steinpflaster ausstrecken und solange liegen bleiben, bis der Pater zurückkehrte und ihn aufstehen hieß. Und doch war der Pater Sohn eines kleinen Hausierers, und der Ministrant ein hoher Adeliger.
D.s.b.
