Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 22.07.1891: Über die freie Zeit: die Ferien

Eine schwere Arbeitswoche steht uns bevor. Da wollen wir daran denken, dass wir gerade in den Augenblicken größter Zerstreuung und eifrigsten Schaffens auch am meisten profitieren können. Ein Oblate verliert nichts inmitten vieler Beschäftigungen und Ablenkungen. Im Gegenteil, sie verbinden ihn nur noch inniger mit Gott, weil er unablässig Akte des Wollens vornimmt, die ihn immer fester an Gott binden und er so mehr Verdienste und Vorteile erringt als in den Zeiten der Zurückgezogenheit. Denn Zurückgezogenheit bedeutet Ruhe. Wenn ihr aber arbeitet, betreibt ihr eine geistige Gymnastik, die den Willen stärkt und den Lebensmut vermehrt.

Achtet also wohl darauf, dass ihr euch umso enger an Gott klammert, je mehr ihr von äußeren Geschäften bedrängt werdet. Von Natur aus entfernen sie uns ja von Gott. Da haben wir gleichzeitig ein Mittel in der Hand, über unsere Schüler während der Ferien die Segnungen Gottes herabzuziehen. Während der Ferien kommen andere Verpflichtungen, andere Aufgaben in anderer Umgebung auf uns zu, für jeden in anderer Weise. Durch unsere Treue ziehen wir all jene Gnaden uns zu, die wir gerade in den Ferien besonders brauchen.

Ferien sollen eine Zeit des geistigen Fortschrittes sein. Unser Glaube, unsere Frömmigkeit, und unsere Keuschheit dürfen da keine Einbuße erleiden. Im Gegenteil, sie sollen da an Kraft und Frische noch zunehmen. Hat uns der Heiland nicht erlöst durch sein Leben und Leiden, durch seine Demut und alle anderen Tugenden? So können wir unser Heil, das unserer Schüler wie der uns sonst wie anvertrauten Seelen nicht anders sicherstellen als durch die Prüfungen Gottes und die Mühsale, die unseren Weg säumen. Machen wir davon entschlossen und großmütig Gebrauch. Erwecken wir treu die gute Meinung bei allem Tun und verbinden wir in unserer Person den hl. Johannes und den hl. Petrus, wie der hl. Augustinus in einer Lesung nach Weihnachten empfiehlt: Petrus sei der tätige Typ gewesen, Johannes der beschauliche.

Unser inneres Leben gründet in der äußeren Treue, wird dadurch bestärkt und vertieft. Das Äußere fördert also das Innere, zieht aus dem Inneren aber gleichzeitig seine Kraft. Der Ordensmann ist vom Wesen her ein innerlich freier sowie geistlicher und auch auserwählter Mensch. Das materielle und sinnenhafte Leben, das bei den anderen Menschen einen so breiten Raum einnimmt, spielt bei uns nur eine sehr untergeordnete Rolle. Unsere Persönlichkeit, unser Eigenleben wird nicht bestimmt und geprägt durch unsere Veranlagung, unsere mehr oder weniger guten Neigungen und Leidenschaften, sondern durch unsere Vereinigung mit Gott. Einswerden mit Gott bei all unserem Tun und Lassen: das ist unsere Theologie und der innerste Kern unseres Seins.

Bei den Arbeiten der letzten Schultage, bei den Aufsichten und Studien ruft Gott zu Hilfe und bestellt ihn ganz in eure Nähe: Gib mir die Weisheit zur Gefährtin! Sie weile bei mir und arbeite mit mir. In der Nähe Gottes wollen wir uns zuhause fühlen, sie sei unser Lebenselement, unser Leben und Sein. Und so wollt ihr auch fortfahren in den ersten Tagen der großen Ferien. Sobald ihr dann etwas mehr Freiheit genießt, und weniger mit Arbeit überhäuft seid, werdet ihr wohl darauf achten, das nicht wieder zu verlieren, was ihr mit so viel Anstrengung inmitten zahlreicher Verpflichtungen errungen habt. Ich wünsche, dass man sich möglichst bald ans Studium der Theologie begebe. Die Programme werden verteilt werden, und jeder bekommt sein Kollegheft. Das wollen wir aber nicht als Last und drückende Pflicht betrachten, sondern als eine geistige Entspannung und Erfrischung. Der hl. Augustinus sagt einmal: Sinnt über gute Dinge nach, sonst werdet ihr es über schlechte tun. Denn eure Aufmerksamkeit und euer Geist bleiben nie untätig. Auch unsere Brüder mögen, wie oben gesagt, ihren Katechismus studieren. Wir sollen alle gebildet und befähigt werden, die Gnade, das Licht und die Wahrheit Gottes weiterzureichen. Jeder möge dazu seinen ganzen guten Willen und auch ein wenig seine Talente einsetzen.

Pflegt während der Ferien auch den Geist der Gemeinschaft! Jene, die Freude an der Hausarbeit haben, sollen alles schön saubermachen im Haus, neu anstreichen und in besten Zustand versetzen. Denn die Handarbeit ist eine der wesentlichen Voraussetzungen für das innere Leben. Seht nur die Kartäuser und Trappisten an, die wahrlich den echten Ordensgeist verkörpern. Der Geist der Seminarien ist nicht gleich dem Ordensgeist. Der eine sucht gern absolute Entspannung, der andere erholt sich durch Wechsel in der Arbeit.

Wir sind in erster Linie Ordensleute. Denkt oft an das Wort des Papstes: Seid Ordensleute! Das Leben wird gut und schön, wenn es mit Gott verbracht wird. Man findet sein Glück darin, in Gottes Nähe zu leben und seinen heiligen Willen zu erfüllen. Ihr werdet Wasser in Freuden schöpfen. Was wir selber wollen, unterscheidet sich dann nicht mehr von dem, was Gott will. Halten wir uns treu an den Gehorsam und an unsere Verpflichtungen. Das sind die Bande des hl. Glaubens, wovon der hl. Paulus sagt: „Ich bin im Herrn gefesselt. Gedenkt meiner Fesseln!“

Während der Ferien gibt es viel zu erledigen: Wir widmen uns den theologischen Studien, machen unsere hl. Exerzitien, verrichten Handarbeit. Die Lehrer bereiten außerdem ihren Unterricht vor und planen das kommende Schuljahr voraus. Aber seid getrost: Dieser Weiterführung eurer Jahresarbeit wird euch entspannen statt zu ermüden. Ruft die Gute Mutter zu Hilfe, dass ihr all diese Ferienbeschäftigungen richtig angreift, sie lieb gewinnt und eine echte Befriedigung des Herzens daraus schöpft.