Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 20.05.1891: Über die richtige Feier des hl. Messopfers

5. Artikel: Das hl. Messopfer.

Was unser hl. Stifter uns hier anbietet, ist ein ausgezeichnetes Hilfsmittel, der hl. Messe gut beizuwohnen oder uns gut vorzubereiten, sie später einmal selbst gut zu lesen, wenn der liebe Gott uns zum Priestertum beruft. Diese Regeln hatte er für sich selber aufgestellt, bevor er Priester war.

Die beste Art, diesen Artikel gut zu befolgen, ist, ihn auswendig zu lernen, ihn während der Messe Punkt für Punkt im Gedächtnis durchzugehen und alle empfohlenen Gebete zu sprechen. Auf diese Weise vereinigen wir uns, gemeinsam mit unserem Herrn und Heiland, mit seinem himmlischen Vater, und zwar auf die gleiche Art, wie er sich dem Vater hingegeben hat. So wird das hl. Messopfer ein abgerundetes Ganzes. Die Ungleichheit der Opfergabe verschwindet, wir werden eins im Opfer mit ihm.

Im hl. Messopfer berührt die Seele den ewigen Gott und schöpft alle Kräfte, deren sie bedarf. Für den Ordensmann ist sie alles. Da findet er genau das, was ihm für seinen Alltag nottut. Wer seinen Geist während dieses hl. Geschehens am Altar mit den Gedanken des Direktoriums beschäftigt hält, ist sicher, seinen Geist in Sammlung zu erhalten. „Der liebe Gott gibt mir die Gnade“, erhält der hl. Franz v. Sales der hl. Franziska auf ihre Frage, ob er da unter Zerstreuung zu leiden habe, „dass ich an nichts anderes mehr denken kann, sobald ich mein Antlitz dem Tabernakel zuwende.“ Gewöhnen wir uns also daran, während der hl. Messe jede Zerstreuung zu vermeiden. Nehmen wir zu diesem Zweck unser Direktorium her, fest entschlossen, es genau zu beobachten. Es ist das sicherste Mittel, ihr gut beizuwohnen und sie später – so Gott will – selber andächtig zu feiern. Sobald wir merken, dass unser Geist auf Wanderung geht, rufen wir ihn all sogleich zurück. Fassen wir heute den festen Vorsatz, während der hl. Messe stets die Sammlung zu wahren.

„Nach dem Sanctus denkt der Oblate mit großer Demut und Ehrfurcht an die Wohltaten des Leidens und Sterbens unseres Herrn.“

Was uns hier als Verhaltensweise empfohlen wird, kann mit den gleichen Worten zu einem Gebet formuliert werden. Wir sollten ja mit Vorliebe in den Ausdrücken des Direktoriums beten. Unsere Art, der hl. Messe beizuwohnen, ist einfach und gläubig erfüllt uns mit Gott. Im Augenblick der Opferung opfern auch wir uns gleichzeitig dem lieben Gott auf. Wenn wir ihn bitten, das Brot auf dem Opfertisch in den Leib des Herrn zu verwandeln, verbinden wir damit die Bitte, er möge auch unsere Neigungen, unseren Geschmack und Willen in den seinigen umgestalten. Die Substanz des alten Adam in uns muss in die Substanz unseres Herrn umgewandelt werden. Während der hl. Wandlung beten wir in tiefster Ehrfurcht an. Können wir bei der Kommunion unseres Herrn nicht sakramental empfangen, so tun wir es geistigerweise. Alle Kirchenlehrer empfehlen dringend die geistige Kommunion, weil sie uns so viele Gnaden zuzieht. Zu diesem Zweck empfehle ich euch, die Gebetsformeln des hl. Alfons zu gebrauchen in seinen „Besuchungen des Allerheiligsten“. Sie sind von großer Kraft und Wirksamkeit.

Neulich wurde ich von den Oblatinnen gefragt, ob es vollkommener sei, häufiger zu kommunizieren als es die Regel einräumt oder sich lieber an die Empfehlungen der Ordensregel zu halten. Ich antwortete, es sei besser, der hl. Regel zu folgen. Man kann z.B. bei Geburts- und Namenstagen ohne Weiteres Andachtskommunionen einlegen. Das widerspricht keineswegs dem Sinn der hl. Regel. Aber nicht wenige haben mit den jüngsten Dekreten des Hl. Stuhles Missbrauch getrieben und sich über deren Sinn getäuscht. Sollte dein Beichtvater dir raten, alle Tage zu kommunizieren, so frage ihn, ob dies für eine Ordensperson vollkommener wäre als sich an seine Ordensregel zu halten. Das Kommuniondekret zielt lediglich darauf ab, dass kein Laienoberer Kommunionen erlauben und verbieten kann, sondern dass dies dem Beichtvater vorbehalten bleibe. Dieser kennt ja den Seelenzustand seines Beichtkindes besser und kann darum besser beurteilen, ob die häufige Kommunion ihm nützt oder schadet. Ist es aber vollkommener, seinen Beichtvater ohne besonderen Grund um eine Kommunion zu bitten, statt sich auf die Kommunionen der hl. Regel zu beschränken? Nein, das sicher nicht.

Könnt ihr aber nicht so oft kommunizieren, wie ihr es gerne tätet, so findet ihr einen wertvollen Ausgleich in der geistigen Kommunion, die ihr ja ausgiebig empfangen könnt. Ja, jeden Augenblick haben wir die Möglichkeit dazu, vor allem natürlich währen der Messkommunion. Welch vortreffliches Mittel, sich jederzeit mit Gott zu vereinigen! Ist die sakramentale Kommunion mit Gold vergleichbar, so die geistige mit Silber. Versäumt es darum nie, die hl. Messe mit der geistigen Kommunion abzuschließen.

„Beim Segen des Priesters stellt sich der Oblate vor, dass ihn zugleich der Heiland segnet.“

Dieser Segen ist die Bekräftigung aller Verheißungen Gottes, ist das Unterpfand für die Gnaden, die uns durch die Messe vermittelt wurden. Dieser Segen bleibt bei uns und begleitet uns durch unser Tagewerk.

Für das hl. Messopfer müssen wir eine außerordentliche Verehrung hegen. Seht nur, welches Vertrauen die guten Christen und echten Gläubigen ihm entgegenbringen! Sie lassen Messen lesen für ihre Verstorbenen und in all ihren Anliegen. Leider macht sich das Schwinden des Glaubens auch spürbar im Nachlassen der Messbestellungen. Ja, unsere christlichen Familien sind eben kaum noch christlich zu nennen.

Gerade bei der hl. Messe empfing die Gute Mutter viele Erleuchtungen und Gnaden Gottes. Auch unsere Seele möge mit ungeteilter, voller Aufmerksamkeit und Sammlung beim hl. Opfer verweilen. Wahren wir schon in unserer Haltung größte Ehrerbietung: stützen wir uns nicht nachlässig auf und schlagen wir nicht die Beine übereinander. Stützen wir nur die Hände auf den Betstuhl und verharren wir in einer ergriffenen und gesammelten Haltung. Es ist der heiligste und bedeutsamste Augenblick unseres Tagewerkes.

Wir erlebten gestern eine hochfeierliche Zeremonie. Unsere Patres mögen viel beten für diese zwei neuen Mitbrüder, die Gott uns da schickte, und diese sollen ihrerseits für uns beten, dass die Gnade und das Licht Gottes in uns allen wohne. Mit der Vergrößerung unserer Familie möge Gott auch die Grenzpfähle unserer Liebe weiter auseinander rücken. Mit Freuden haben wir diese zwei neuen Mitbrüder in unseren Kreis aufgenommen, wir bauen fest auf sie: Sie bringen uns das Beispiel vollkommener Treue und den Eifer ihrer ersten Liebe. Darum wollen wir bei der hl. Messe beten.

Noch einmal beschwöre ich euch: Wohnt der hl. Messe ohne Zerstreuungen bei! Eine Seele, die ganz von Gott erfüllt ist, kann nicht abschweifen. Wenn der Geist fünfzigmal abirrt, dann führen wir ihn eben fünfzigmal wieder zurück. Das ergibt fünfzig verdienstliche Akte vollkommener Liebe.

Ich bitte die Patres, bei der hl. Messe unserer Jugendwerke und Missionen, unserer Lebenden und Verstorbenen zu gedenken. Die ganze Ordensgemeinde muss im Geist mit uns vereint sein, so oft wir die hl. Messe lesen oder anhören. Ich selbst lese nie das hl. Opfer, ohne die Gute Mutter zu bitten, meiner Messe beizuwohnen und im Verein mit ihr zu bleiben.

D.s.b.