Kapitel vom 13.05.1891: Über das hl. Pfingstfest
Am kommenden Sonntag feiern wir das Pfingstferien. Darauf müssen wir uns wohl vorbereiten. Wir wollen den Hl. Geist bitten, er möge zu uns allen kommen und unser aller Herzen auf den Wegen Gottes lenken. Das wäre für uns ein außerordentlich notwendiges Geschenk der Gnade. Wir brauchen in unseren Schulen, Internaten, Jugendwerken, Klöstern und Missionen dringend den Hl. Geist. Es wird darum gut sein, wenn jeder täglich das „Komm, Schöpfer Geist“ betet und tagsüber von Zeit zu Zeit den Hl. Geist anruft. Die Apostel hatten sich im Abendmahlsaal versammelt, und als Folge ihrer gemeinsamen Gebete erhielten sie von Gott die Fülle der Liebe und des apostolischen Eifers. Tun wir es ihnen gleich während dieser Pfingstnovene. Das passt ganz in unsere augenblickliche Situation und ist eine dringende Notwendigkeit. Unsere Werke breiten sich aus, die Schwierigkeiten nehmen in gleichem Maße zu. Je länger eine Furche, umso mehr Arbeit! Vereinigen wir darum unsere Kräfte zu gemeinsamem und beharrlichem Gebet! Der Hl. Geist vertritt jetzt die Stelle unseres Herrn in der Leitung der Kirche. Christus bestätigt das selbst im Evangelium, wenn er sagt: „Es ist gut, dass ich fortgehe. Wenn ich das nicht tue, wird der Hl. Geist nicht kommen. Gehe ich aber, werde ich ihn euch senden…“ Der Hl. Geist vertritt also den Heiland auf Erden und lenkt die Kirche. Gewiss, er wird nicht Mensch wie Christus, dennoch liefert er uns häufig und spürbare Beweise seiner Aktivität in der Leitung der Weltkirche. Auch die besonderen Gnaden, die jeder einzelne empfängt, sind Ausfluss seiner Wirksamkeit. Darum muss die Genossenschaft, und die unsere Sonderheit, von ihm ganz besondere Gnaden erbitten. Wir rufen ihn nicht genug an. Wir können ja nicht persönlich zum Herrn sagen: Vermehre unseren Glauben! Offenbare dich! Erkläre uns deine Gleichnisse! … Das muss jetzt der Hl. Geist tun. Er ist mit uns und in uns und teilt uns alles aus seiner eigenen Fülle mit. Unser Herr versichert es uns. Es dient also unserem Vorteil, dass Jesus nicht mehr auf Erden weilt. Diese Versicherung, die dem Wirken des Hl. Geistes einen so weiten Raum überlässt, muss uns mit großer Gottesfurcht diesem Hl. Geist gegenüber erfüllen und uns ganz hellhörig machen für sein Wirken in uns. Wir sind Männer Gottes und vollbringen die Werke Gottes. Das können wir gar nicht ernst genug nehmen. Davon hängen unser Heil und das vieler Seelen ab. Es liegt also in unserem ureigensten Interesse, alles in religiösem Geist, in der Gegenwart Gottes und in Freundschaft mit dem Hl. Geist zu verrichten.
Achten wir gut auf unseren Charakter, dass sich da keine Oberflächlichkeit, keine Unbeständigkeit und kein Wankelmut einschleichen. Bleiben wir fest und schreiten wir geradewegs voran. Hüllen wir uns ganz in den Hl. Geist. Seine Gedanken mögen uns durchdringen, unterweisen, leiten und stärken. Wir stehen und arbeiten wirklich unter seinen Augen, sind seine Schüler, Jünger des Hl. Geistes, der uns aussendet, und uns unsere Mission übergibt. Ihm sagen wir, was wir zu tun haben, von ihm empfangen wir die nötigen Erleuchtungen. Vergessen wir das nicht: Der Hl. Geist weilt hier auf Erden, in dieser Stunde ist er mit uns. Am Pfingstsonntag gab er zahlreiche Beweise seiner wunderbaren Gegenwart mitten im Abendmahlssaal. So liefert er auch heute noch zahlreiche Zeugnisse seiner Anwesenheit inmitten der Kirche. Er kam auf sie herab und regiert sie, indem er die Seelen mit seinem übernatürlichen Geist durchdringt. Er lebt in der Kirche und für die Kirche, für die Gesamtkirche wie für jeden einzelnen, auch für jeden Auftrag, den wir zu vollbringen haben, damit alles für Gott getan sei, unser körperliches wie geistiges Schaffen. Über den Hl. Geist sollten wir nicht bloß fromme Betrachtungen anstellen, großartige Gedanken zu ihm und über ihn sprechen und andächtig zu ihm beten.
Wir sollten ihm vielmehr unser ganzes Leben, unseren ganzen Willen anheimgeben. Begreift doch, wie unerlässlich es ist, sich ohne Unterlass an ihn zu wenden. Pfingsten ist nicht bloß ein Erinnerungsfest. Der Hl. Geist teilt sich uns an diesem Tag auf eine intensivere und intimere Weise mit. Bei der Firmung empfangen wir ihn ja auf eine ganz spezielle Art. Dieses Sakrament können wir zwar nur einmal empfangen, bräuchten es aber unser ganzes Leben hindurch. An Pfingsten will Gott dieses Sondergeschenk der Firmung, diese Firmungsgnade des Hl. Geistes in uns erneuern. Beten wir darum in dieser Woche mit Andacht den Hymnus „Komm, Schöpfer Geist…“ Möge jeder von uns in seinem Amt, in der Aufgabe, die ihm übertragen ist, dem Hl. Geist allzeit Raum geben und auf seine Einsprechungen willig eingehen. Keiner darf vergessen, dass dieses Gebet zum Hl. Geist wichtig ist, da er es ist, der in der Kirche Gottes die personenhafte und leibliche Gegenwart unseres Herrn Jesus ersetzt und fortsetzt.
D.s.b.
