Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 16.07.1890: Die Kontakte nach außen sowie Reisen

„Einen Briefwechsel mit Fremden darf man nur mit Wissen und ausdrücklicher Erlaubnis des Oberen unterhalten.“

Unser Briefwechsel soll auf Briefe der Seelenführung und auf Geschäftsbriefe beschränkt bleiben. Mit bloßen Freundschaftsbriefen wollen wir sparsam umgehen. Sie mögen nicht verboten sein. Im Allgemeinen schränken wir sie aber auf unsere Mitbrüder im Ordensstand ein. Freundschaften mit Weltmenschen können uns in Gefahr bringen, die Freude an unserem Beruf einzubüßen. Unterhalten wir lieber gute und dem Nächsten ersprießliche Beziehungen und meiden wir Freundschaften, die eine Hemmung für unseren Beruf darstellen, uns von der Kommunität abziehen und so zu einer sicheren Gefahr würden.

„Man vermeide sorgfältig, Fremden mitzuteilen, was im Hause vorgeht, mag es sich um die Verwaltung oder um Einzelheiten der inneren Leitung handeln.“

Diese Empfehlung ist von großer Wichtigkeit, vor allem für die Patres, die Pfarraushilfe leisten und draußen predigen. Da heißt es sehr diskret sein, und nur Dinge sagen, die dem geistlichen Nutzen dienen. Fragen der inneren Verwaltung gehen Außenstehende nichts an. Die Klosterverwaltung sollte in Etwa dem Wirken der Vorsehung gleichen, die wirkt, ohne Rechenschaft abzulegen.

Eine Kongregation ist nichts Vollkommenes, sie bleibt immer mangelhaft. Auch die Oberen haben ihre Fehler. Menschsein heißt mit Menschlichkeiten behaftet sein. Und wo viele Menschen zusammenwohnen, vervielfachen sich auch die Unvollkommenheiten.

Sagt also vor Fremden nur Gutes von eurer Genossenschaft. Das Gegenteil wäre auch ungerecht. Wir würden uns selbst entwürdigen, würden beweisen, dass wir kein Urteil und kein Herz haben. Natürlich dürfen wir über unseren Orden sprechen und Dinge erzählen, die Interesse erwecken können. Aber haltet Außenstehende nicht auf dem Laufenden über Fragen der inneren Leitung, über das Noviziat, das Essen, das Verhältnis zwischen Oberen und Untergeben, und den Untergebenen untereinander, es sei denn, es diene dem geistlichen Nutzen eurer Zuhörer. Erzählt keine Geschichten von Schülern oder Patres, außer es handle sich – wie gesagt – um vernünftige, interessante und erbauliche Züge und man bleibt in den Grenzen der Liebe und der Diskretion.

Schaut nur die großen Orden an, z.B. die Jesuiten. Sie sagen immer nur Gutes über ihren Orden, von ihren Kollegien, von ihren Mitbrüdern. Nichts versetzt unserem Beruf wie der Vitalität der Genossenschaft einen tödlicheren Stoß als mangelnde Liebe gegenüber unserer Ordensgemeinde. Das verhindert jedes Aufblühen und jede Ausbreitung derselben. Gott sei Dank gibt es das nicht unter uns. Aber geben wir Acht, dass dieses Laster nicht später bei uns einreiße. Es wäre ein grober Mangel an gesundem Urteil. Mit ein bisschen Demut und Bußgeist vermeidet man diesen traurigen Fehler. Will ein Ordensmann auf diese Weise seine Enttäuschungen abreagieren und Rache nehmen, dann ist das kläglich.

Immer wenn wir einen Auftrag erhalten, ist dieser Auftrag gut, und wir führen ihn mit ganzer Energie durch. Vor Fremden stellen wir ihn nur als vortrefflich hin. So ist es in Ordnung und zeugt von guter Art und guter Kinderstube. Ihr gewinnt die Achtung der anderen und niemand kann euch angreifen. Nehmt diesen Punkt der Satzung sehr ernst.

In anderen Kongregationen und Orden ist man in diesem Punkt sehr streng. Hat z.B. einer außerhalb des Kapitels wiederholt, was im Kapitel gesagt worden ist, dann ist er für ein ganzes Jahr vom Kapitel ausgeschlossen und gehört nicht mehr der Ordensgemeinde an. Weiß man hingegen etwas Gutes, Nützliches und Interessantes von seiner Ordensgemeinde zu berichten, wird es immer guten Eindruck machen und Nutzen stiften.

„Man soll sich bestreben, die Regeln zu beobachten, die der hl. Franz v. Sales für den Verkehr mit Fremden aufgestellt hat (Lebensregel von Padua).“

Es ist recht ratsam, von Zeit zu Zeit diese Lebensregel durchzulesen, die voller Klugheit und Lebensweisheit steckt. Man versteht nur schwer, wie da ein Student von zwanzig Jahren sich selbst so sichere und umfassende Verhaltensregeln geben konnte. Vielleicht wäre es gut, davon eine Anzahl hektographischer Exemplare herzustellen.

„Weist der Obere einem Oblaten einen anderen als Begleiter zu, so muss dieser dem ersten stets das Wort und den Vortritt lassen.“

Der Sozius halte sich also genau an diese Weisung, selbst wenn er an Rang über den anderen stünde. Er lässt dem anderen den Vortritt, da er ja keinen anderen Auftrag hat als zu begleiten.

„Mit Fremden zu verkehren, oder auszugehen, darf niemand verlangen, ohne dem Oberen zu sagen, mit wem und aus welchem Grund er es zu tun wünscht.“

Für gewöhnlich erbittet man also die Erlaubnis, es sei denn, es gehöre zu den Amtspflichten, und man geht immer zur gleichen Stunde aus. Davon abgesehen weiht man den Oberen oder seinen Stellvertreter ein. Gerade diese Abhängigkeit macht uns zu Ordensleuten, zu Menschen, die Gott ihre Freiheit geschenkt haben.

„Auf Reisen werden die Oblaten immer die sichersten und passendsten Häuser wählen, um dort Gastfreundschaft zu erbitten.“

Wir meiden selbstverständlich Häuser, die sich keines ausgezeichneten Rufes erfreuen und wo man an euren Absichten Zweifel hegen könnte. Geht ein Oblate auf Reisen, sagt er dem Oberen für gewöhnlich, wohin er geht und wo er sich aufzuhalten gedenkt. Von Gründen höherer Gewalt abgesehen, wird er von der vorgezeichneten Route nicht abweichen. Wir wählen immer die sichersten und passendsten Häuser.

Lasst uns aus diesem heutigen Kapitel den Vorsatz mitnehmen, nie ohne Wissen des Oberen auszugehen. Ferner wollen wir bei Seelsorgeaushilfen oder bei Besuchen nie über die inneren Angelegenheiten unseres Hauses und vor allem nichts Nachteiliges darüber sprechen – das wäre ein schwerer Fehler. Hat man einen normalen und gesunden Verstand, so lässt man sich nie zu solchen Torheiten hinreißen.

Ihr seid Ordensleute und habt euch eurer Ordensgemeinde geschenkt. Ihr seht die Dinge nicht immer, wie die Oberen sie sehen. Aber sagt doch: Versteht ihr denn immer die Anordnungen der göttlichen Vorsehung? Scheinen euch deren Fügungen immer gut? Denkt an die Fabel von der Eichel und dem Kürbis. Lehnt ihr euch etwa gegen die Vorsehung auf, weil ihr sie nicht immer begreift? Nun besteht aber für den Ordensmann die Vorsehung und sein Milieu in seiner Ordensgemeinschaft. Alles darin ist von der hl. Kirche geordnet, beschlossen und gebilligt. Wenn ihr euch nicht etwas Gewalt antut, so spielt ihr ein bisschen die Rolle des Garo (Anm.: „der dumme, anmaßende Kritikaster in der Fabel von Lafontaine: Die Eichel und der Kürbis.“).

Wie viel würdiger und geziemender ist es doch hier, ein Opfer zu bringen und sich zu sagen: Es ist doch gut so, auch wenn es etwas Opfer kostet. Oder ist es etwa verwerflich, ein wenig sein eigenes Urteil zu verleugnen? Alle haben nun einmal nicht das gleiche Urteil. Selbst die gleiche Farbe sehen nicht alle völlig gleich, es gibt immer kleine Schattierungen. Bringt also mutig das Opfer und reißt euch los von der eigenen Meinung.

Das sei das besondere Gepräge der Oblaten, überall die letzten zu sein. Wir gehen dorthin, wohin sonst niemand gehen will, und fühlen uns da wohl, wo niemand leben kann. Ist das etwa eine Rolle für Einfaltspinsel? Nun, der hl. Franz v. Sales war alles andere als ein Naivling. Nein, das ist im Gegenteil große Tugend, ist hochgemute Tugend. Das erfordert freilich ein sehr gesundes Urteil. Beten wir darum mit der hl. Schrift: „Gib mir, Herr, die Weisheit, die an deiner Seite steht. Mein Gott, gib mir ein gutes Urteil!“ Im Namen des Herrn. Amen.

D.s.b.