Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 23.04.1890: Konferenzen, Bekenntnisse, und Bußen

„In jedem Haus erscheinen die Oblaten wenigstens einmal in der Woche pünktlich und gesammelt zu den geistlichen Konferenzen…Ziel dieser Konferenzen ist die Verleugnung des eigenen Willens und Urteiles, die Vereinigung mit Gott.“

Die wöchentlichen Kapitel sollen sich mit den genannten Themen befassen. Als Grundlage nehme man zunächst die Satzungen und das Direktorium her, damit alle Patres genau wissen, was sie in diesem Augenblick zu tun haben. Denn die Übung der Satzungen ist identisch mit den Tugenden, die in diesem Artikel empfohlen werden. Ist man mit den Satzungen und dem Direktorium zu Ende, kann man mit der Erklärung der hier speziell aufgezählten Tugenden beginnen. Diese Tugenden lassen sich nur schwer erringen, sind aber unerlässlich. Lasst uns darum mutig ans Werk gehen. Wir stehen am Anfang unserer Kongregation und sind ihre Wegbereiter. Darum müssen wir entschlossenen Schrittes vorangehen.

„Die Verleugnung des eigenen Willens und Urteilens.“

Das ist eine sehr klösterliche Tugend. Sie muss in unserer Kongregation in höchsten Ehren stehen. Gewiss verlangen alle Orden ungefähr das Gleiche, aber viele von ihnen streben danach mit äußeren Mitteln und Übungen, die wir nicht haben. Umso energischer müssen wir danach streben, vom eigenen Urteil und Willen loszukommen.

„Die Vereinigung mit dem göttlichen Willen bei allen Handlungen.“

Diese Vereinigung mit dem göttlichen Willen empfehle ich euch dringend. Sie wird vorzüglich durch die treue Übung des Direktoriums erreicht. Unser Gehen zu Gott darf keine Unterbrechung kennen, da wir auch ständig seiner Hilfe bedürfen.

„Die brüderliche Einheit, der Eifer für unsere Selbstheiligung.“

Das also sind unsere Kapitelthemen. Hat der Obere aber einmal etwas zu sagen über die Hausordnung, eine bestimmte Tugend oder einen Fehler, der in die Augen fällt, so kann er das ruhig besprechen und im Kapitel die notwendigen Erläuterungen geben, so z.B. über den Gehorsam, den man der Regel oder dem Vorgesetzten schuldet. Es wäre aber nicht angängig, würde der Obere das hier vorgezeichnete Programm aufgeben und z.B. Vorträge über die hl. Schrift oder eine Tugend halten, die außerhalb der hier aufgeführten oder der außerhalb uns eigenen Ordenstugenden läge. Jeder muss sich an unseren ordenseigenen Geist halten, sonst verlöre er das Daseinsrecht in unserem Kreis. Ein Pflaumenbaum ist ein Pflaumenbaum und kein Pfirsich – oder Orangenbaum. Jeder schreite auf dem Weg dahin, der ihm vorgezeichnet ist, damit er im Einklang mit Gottes Plänen handelt.

Ich wiederhole: die wöchentlichen Kapitel sollen das Direktorium und die Satzungen zum Thema haben. Ausnahmsweise können sie eine besondere Tugend oder Übung behandeln. Darüber hinaus aber gehen wir nicht. Konferenzen über das Ordensleben sollen nur unser Oblatenleben zum Gegenstand haben. Denn nur dafür ist euch die Gnade Gottes garantiert. Eure Sendung und Jurisdiktion hat ein anderes Ziel. Sagt nicht, ihr fühltet euch dadurch eingeengt. Im Gegenteil, nichts ist größer und weiter als dies. Denn dann seid ihr Verbündete Gottes, da euerer Vereinigung mit seinem Willen auf diese Weise keine Unterbrechung erfährt. Nicht mit engstirnigen Werken eures Menschengeistes gebt ihr euch dann ab, sondern mit dem Werke Gottes höchst selbst.

„Außer dem Kapitel sollen jede Woche für die Patres Besprechungen stattfinden über dogmatische Fragen, Gewissensfälle und Schwierigkeiten in der Seelsorge…“

Wir sind bis jetzt noch nicht in der Lage, diesen Punkt unserer Satzungen durchzuführen. Jeder von uns ist zu stark eingespannt… Diese Konferenzen betreffen den Einsatz in der Seelsorge, und damit hatten wir noch nicht viel zu tun. Wenn wir zahlreicher sind, werden diese Pastoralkonferenzen auch bei uns in Übung kommen. Auch in unseren Kollegien wäre es z.B. ratsam, von Zeit zu Zeit Schulkonferenzen abzuhalten.

Ich wünsche sehr, wir wären so zahlreich, dass wir auch Seelsorge übernehmen könnten, um die Seelen im Geist des hl. Franz v. Sales zu leiten. Er hat ja alle theologischen Fragen und alle Probleme der Seelsorge behandelt. Wir halten uns an seine Lehre: sie ist gesichert und eindeutig, mit ihr haben wir nichts zu fürchten. Die Seelen, die wir auf diesem Weg führen, verstehen sie und machen Fortschritte. Solche Pastoralkonferenzen wären also von großem Nutzen, sind im Moment aber nicht durchführbar. Darum möge jeder einzelne sich mit der Lehre des hl. Franz v. Sales intensiv befassen, besonders was das Predigtamt, den Beichtstuhl, und die Seelsorge betrifft. Studiert auch, was die Gute Mutter und ich selbst gesagt haben. Stellt euch in eurer Arbeit nicht außerhalb dieses Stromes. Das Direktorium sagt es: „Dies mag gut erscheinen, und es in Wirklichkeit auch sein – für sie wäre es nicht gut…“ weder für uns selbst noch für die von uns geleiteten Seelen.

„Alle Priester sollen zweimal oder wenigstens einmal in der Woche beichten bei einem der dafür aufgestellten Beichtväter.“

Sich der Leitung eines anderen als der dafür bestimmten Priester unterstellen, könnte kaum von Nutzen sein. Wir sollen es ja nicht wie die Frauen machen, die nicht bei jedem Priester beichten können. Sonst aber sind wir völlig frei, uns für einen der dazu ernannten Beichtväter zu entscheiden. Um einen anderen aufzusuchen, brauchen wir eine Erlaubnis. Gewiss soll das Gewissen jegliche Freiheit genießen. Nur sollte es keine Gewohnheit werden, bei Nicht-Oblaten zu beichten. Beachtet, was die hl. Regel in dieser Hinsicht rät, was infolge dessen ein kirchliches Gesetz ist, gleichsam unser 7. Kirchengebot. Und dies hat für uns den gleichen Wert wie die sechs anderen.

„Die Priester feiern täglich das hl. Messopfer, wenn nicht ein Hindernis vorliegt.“

Ist man krank oder auf Reisen, so kann man nicht immer zelebrieren. Davon aber abgesehen, soll man es täglich tun. Wir würden sonst unsere Seelen des nötigen Beistandes, die Gläubigen der Erbauung und die hl. Kirche einer Hilfe berauben, deren sie dringend bedarf.

Ich komme noch einmal auf die hl. Beichte zu sprechen. Patres wie Brüder sind also verpflichtet, sich an einen der dafür aufgestellten Beichtväter zu wenden. Sollte ein Bruder zufällig um die Erlaubnis fragen, woanders seine Sünden beichten zu dürfen, so darf der Obere ihn nicht nach dem Grund fragen. Um Erlaubnis fragen, heißt nicht, jemand einen Zwang auferlegen, sondern ihm den Segen des Gehorsams zu verschaffen, wie es die hl. Kirche wünscht, damit der Geist unserer Genossenschaft erhalten bleibt. Sollten freilich Ordensleute grundsätzlich nicht in ihrer Klostergemeinde beichten wollen, so bedeutet das grundsätzlich nichts Gutes. Irgendetwas stimmt dann nicht in ihrem Geiste. Es fehlt ihnen etwas für das Gemeinschaftsleben. Das ist ein Fehler, der auf mangelnden Beruf schließen lässt.

„Um sich abzutöten, oder zu verdemütigen, werden die Oblaten wöchentlich eine oder mehrere Bußübungen nach dem Geiste des hl. Franz v. Sales vornehmen.“

Wir sprachen schon davon. Die Abtötungen im Speisesaal, die zu unserer Demütigung dienen sollen, können in Häusern nicht vorgenommen werden, die über kein Kommunitätsrefektorium verfügen. Die anderen werden auf dem Zimmer vollzogen nach den Weisungen des Oberen. Man soll gegen sich selbst nicht zu mitleidig verfahren. Der hl. Franz v. Sales schlief auf bloßer Erde und gebrauchte die Geißel. Vergessen wir also auch diese Seite seiner Lehre nicht. Gibt man dem lieben Gott in dieser Hinsicht nichts, so beweist das einen groben Mangel an Liebe und Ordensgeist. Jeder erforsche sein Gewissen über diesen Punkt.

Fühlt man sich schwach oder krank, so muss man auf derlei Bußübungen verzichten. Man ersetzt sie, indem man Leiden und Trübsäle mit Treue und Ergebung annimmt. So zahlt man dem lieben Gott seine Schuld eben centweise ab, aber man bezahlt sie. Wer es mit großen Banknoten tun kann, ist glücklicher daran.

Ich empfehle der ganzen Kommunität all jener im Gebet, vor allem beim Memento der Lebenden zu gedenken, die sich ausdrücklich unserem Gebet anvertrauen – und es sind deren nicht wenige. Vergessen wir ferner nie unsere abwesenden Mitbrüder. Wir wollen sie in ihren Prüfungen, Mühen und Versuchungen stützen, damit wir so eine echte Gemeinschaft bilden, nicht bloß äußerlich gesehen, sondern eine Gemeinschaft des Wollens und Fühlens. Das erfreut das Herz des Herrn.

In Springbock führen die Freimaurer immer noch einen erbitterten Kampf gegen unsere Patres und Brüder. Der Teufel scheint seines Sieges bereits sicher zu sein. Das bilden sich jedenfalls jene ein, die in seinem Auftrag arbeiten, und das verdoppelt ihren Eifer. Ich erinnere mich eines Briefes von P. Simon, der einmal einige Leute von der Regierung zu Besuch hatte. Die Unterhaltung ging schließlich über Religion. „Ich bin Protestant“, sagte der eine. Der zweite gestand: „Ich bin gar nichts.“ Und der dritte meinte: „Ich bin von der Religion der Freimaurer…“ Beten wir für sie.

Aus Ecuador kommen gute Nachrichten. Im dortigen Seminar geht es gut voran. Die Pfarrkinder des P. Soumier sind glücklich, solch einen eifrigen Pfarrer zu haben, der der hl. Kirche zur Zierde gereicht. Nur bräuchte er einen guten Kaplan, der nicht ständig trinkt…