Kapitel vom 05.03.1890: Kleidung, Nahrung und Abtötung
„Kleider, Bücher und Einrichtungen, die ihnen zum Gebrauch dienen, werden sie mit Sorgfalt behandeln.“
Wir sind nicht nur gehalten, Bücher, Kleider und alles uns anvertraute Gut sorgsam zu erhalten, wir sollten dies sogar mit Hingebung und Liebe tun. Das sind keine belanglosen Dinge, die ich da bespreche, sondern Bedingungen für ein gutes Ordensleben. Gewiss fallen sie uns zur Last, aber bleibt uns denn eine andere Wahl? Gehört es nicht zu unserem Pflichtenkreis? Begnügen wir uns mit dem, was wir haben und streben wir nach nichts, was nicht unbedingt nötig ist! Die Armut gilt es ja ebenso treu zu üben wie die Keuschheit und den Gehorsam. Darum ist ein gewisses Misstrauen gegen unseren eigenen Geschmack und unsere eigenen Neigungen immer am Platz. Wir sollten jeden Augenblick einen kleinen Mangel spüren, damit Gott unser ganzer Anteil werde. Er füllt dann die Lücke aus, die sich in uns bildet. Beim Betreten des Zimmers des Don Bosco war ich überrascht über die Armut, die darin herrschte. Den gleichen Eindruck hat man, wenn man ein Heimsuchungskloster betritt. Da gibt es nur das unbedingt Notwendige. Um das gut zu verstehen, muss man es selber üben. Jeder fasse darum für diese Woche ein entsprechenden Vorsatz, denn diese Genügsamkeit gehört zu unseren Standespflichten, wie für den Kartäuser das Schlafen auf bloßer Erde.
„In der Nahrung folge man nicht seinem Geschmack.“
Im Refektorium wollen wir nie die kleine Abtötung vergessen. Hat man es dennoch getan, so hole man sie beim nächsten Mal nach oder tue ein anderes Bußwerk.
„Die Oblaten sind verpflichtet, das geistliche Direktorium des hl. Franz v. Sales zu beobachten. Darum steht es ihnen nicht frei, ihre Gedanken mit unnützen, sinnlosen oder gar gefährlichen Dingen zu beschäftigen.“
Dass wir uns nicht mit gefährlichen Dingen abgeben, versteht sich von selbst. Doch das Direktorium verbietet sogar, den Geist auf unnütze Gegenstände zu richten, die uns nicht weiterbringen. Er soll für gottgefällige Dinge frei bleiben, die uns wirklich nützen. Die Gedanken der Eigenliebe und Sinnenlust erfüllt, so wird unser ganzer Lebenswandel davon geprägt werden. Denken wir direkt an Gott oder wenigstens in Harmonie mit ihm (an andere Dinge), dann leben wir auch für ihn und mit ihm.
„Eins dürfen sie nicht vergessen: Die Überwindung, die die genaue Erfüllung der Satzungen von uns fordert, macht einen wesentlichen Teil der regelmäßigen Abtötung der Genossenschaft aus. Dadurch müssen sie das Fasten…vieler strenger Orden ersetzen.“
Diese ständige Unterwerfung unseres Willens bedeutet für die Seele eine schwere lästige Pflicht. Es bereitet weniger Schwierigkeiten, während eines kurzen Augenblicks eine große Selbstüberwindung auf sich zu nehmen oder sich zu geißeln, als beständig kleine Nadelstiche zu erleiden. Gerade dadurch aber wird unsere Lebensweise ebenso verdienstlich und gottverbunden wie die der großen Orden. Das gewohnheitsmäßige Sichabtöten erhält das Leben. Wer ständig hinterm Ofen sitzt, bekommt den Krampf in den Beinen, verliert kostbare Zeit und findet das Leben langweilig. Angenehmer und gesünder ist das Bergsteigen. Der Kapuzinerpater, der die Kommission leitete, die über unsere Satzungen befinden sollte, kam zum Schluss, sie enthielten zu wenig körperliche Bußübungen und wollte einige hinzufügen. Die hl. Kirche war jedoch offenbar der Überzeugung, die Abtötung in vielen kleinen Dingen sei ebenso wertvoll und verdienstlich. Sie hat an unseren Satzungen nichts geändert, sondern nur verlangt, wir sollten in unseren Predigten zur Buße aufrufen. Der hl. Stifter vollbrachte privat strenge Bußwerke, gab aber deshalb seine gewöhnlichen Abtötungen nicht preis. Lasst uns darum einen kräftigen Vorsatz fassen, treu unsere hl. Regel zu achten und mit Liebe unsere kleinen Bußopfer zu bringen. Darin bestehe unser Fasten in dieser heutigen Zeit. Damit erfüllen wir die Erwartungen Gottes über uns. So gewinnen wir neue Berufe für unsere Genossenschaft. Denken wir gerade an dieses Anliegen jetzt während der Fastenzeit. Und jeden Morgen erneuern wir entschlossen unsere guten Vorsätze.
D.s.b.
