Kapitel vom 10.07.1889: Über Erziehung und Unterricht
„Beim Unterricht sollen die bewährtesten Methoden befolgt werden. Die heidnischen Schriftsteller gebrauche man dem Geist der Kirche entsprechend.“
Vor 20-30 Jahren hatte sich eine Schule eifriger Katholiken zum Ziel gesetzt, die heidnischen Schriftsteller völlig aus dem Unterrichtsprogramm zu streichen. Msgr. Gaume führte diesen Feldzug an. Er machte darüber sehr beherzigenswerte Gründe geltend. Unser Hl. Vater schaltete sich in die Diskussion ein. Er war dafür, diese Schriftsteller wegen ihrer vollendeten Form beizubehalten. Wichtig sei nur, die Studenten gegen die falschen und verderblichen Ideen zu feien, die sich unter diesem schönen Äußeren bergen. Die geläufige Sprache des römischen Volkes, die Sprache der Handwerker, trug den Stempel bewundernswerter Vollkommenheit, die wir nicht vernachlässigen dürfen. Nur müssen wir uns bei ihrem Studium gegen die darin enthaltenen Lehren wehren. Msgr. Gaume behauptete nicht ohne Grund, dass eine der Ursachen der französischen Revolution in der übertriebenen Vorliebe für die heidnischen Schriftsteller zu suchen sei. Besucht man das Katholische Institut von Paris, das den Opfern der Blutbäder als Gefängnis diente, so liest man an den Wänden der Zellen heute noch Verse von Terenz und Sentenzen von Seneca. Unter dem Kaiserreich Napoleons setzte die Universität diese Tradition fort und trug ihrerseits dazu bei, den Kult der nackten Figuren und der heidnischen Schriftsteller weiterzuführen. Ohne Zweifel übt diese Erziehung einen nachhaltigen Einfluss auf unsere moderne Geisteshaltung aus.
Der Hl. Vater hat also entschieden, dass die heidnischen Klassiker wegen ihrer Kunst des gepflegten Ausdrucks beibehalten werden sollen. Die hl. Kirchenväter und Kirchenschriftsteller hingegen haben nur für das einfache Volk gesprochen und geschrieben. Sie mussten deshalb „dem Volk aufs Maul schauen“. Liest man z.B. beim hl. Augustinus Wendungen weniger guten Stils, so war das eben die Sprache seiner Zeitgenossen, die ihm zuhörten. Man spricht und schreibt ja nicht für Tote, sondern für Lebende… Die griechischen Kirchenväter hingegen bedienen sich des gleichen gehobenen Stils wie die heidnischen Klassiker. Der hl. Johannes Chrysostomos überragt sie alle durch die Reinheit und Schönheit seiner Sprache und den Höhenflug seiner Gedanken. Darum kann ich denen, die predigen und Katechismus geben, nicht genug die Lektüre des hl. Chrysostomos empfehlen. Der hl. Augustinus war zweifellos höchst beachtlich. Er spricht mit scharfem Geist und schreibt und diskutiert auf gelehrte Weise. Der hl. Chrysostomos hingegen scheint leibhaft vor uns zu stehen, spricht seine Zuhörer unaufhörlich an, stellt Fragen und lässt sie beantworten, und das mit einem unnachahmlichen Reiz. Ich glaube, ich war immer schon sein Verehrer. Und jedes Mal, wenn mir von ihm etwas in die Hände fällt, ergreift mich dieselbe Bewunderung. Ihr könnt zum Beweis hernehmen, was immer auch im Brevier begegnet. Ich schlage da zufällig die Lesungen vom Samstag in der Oktav des Fronleichnamsfestes auf, wo es heißt: „Es ist notwendig, Vielgeliebte, dass wir das Wunder der Wunder gründlich studieren, um zu erfassen, was es ist, warum es uns geschenkt wurde und welchen Nutzen es uns bringt. Wir werden“, so sagt der Herr, „ein einziger Leib mit Christus, werden seine Glieder, Glieder seines Fleisches und Gebeins. Wir, die Eingeweihten, kennen die Tragweiten dieser Worte… Löwen gleich, denen Feuerflammen aus dem Munde schlagen, müssen wir von diesem Gottesmahl fortgehen. Sind wir doch dem Teufel zum Schrecken geworden, wenn wir im Geiste die Macht dessen erwägen, der unser Haupt geworden, und die Liebe ermessen, die er uns bezeigt. Oft übergeben Väter und Mütter ihre Kinder zur Ernährung und Erziehung anderen Menschen. Ich hingegen“, so sagte er, „nähre meine Kinder mit meinem eigenen Fleisch und gebe mich selber für euch dahin. Will ich doch, dass ihr ein erlauchtes Geschlecht werdet und der Hoffnung auf die künftigen Güter sicher seid. Und habe ich mich euch hier und heute ausgeliefert, dann tue ich das in der Zukunft noch mehr. Ich will euer Bruder sein. Darum habe ich mich euretwegen mit eurem Fleisch und Blut vereinigt. Eben dieses Fleisch und Blut gebe ich euch hiermit zurück, durch welche ich einer von euch geworden bin…“
Seht ihr, wie der hl. Chrysostomos hier unsern Herrn in der Eucharistie sprechen lässt, wie er sich gleichsam an jeden einzelnen seiner Zuhörer wendet, wie lebendig seine Sprache dahinfließt. Andere Male und nicht selten stellt er Fragen und lässt seine Zuhörer antworten. Darum weise ich entschieden die Unterstellung zurück, die Sprache unserer griechischen Kirchenväter stehe jener der Klassiker nach. Ihre Gedanken sind den ihren sogar weit überlegen. Der hl. Chrysostomos hat es im Übrigen mit intelligenteren und geistreicheren Zuhörern zu tun als der hl. Augustinus, darum auch seine gehobenere und flüssigere Sprache.
Jawohl, behalten wir ruhig unsere heidnischen Klassiker bei, aber setzen wir deshalb nicht unsere christlichen Schriftsteller herab. Außer dem hl. Augustinus, der seine Schwächen haben mag, aber dafür bewundernswerte Gedanken entwickelt, haben wir noch einen Papst Leo, einen hl. Ambrosius, der als Präfekt von Mailand gewohnt war, zu den Massen zu sprechen. Sein Wort ist edel, sein Stil ausgefeilt – er erreicht zweifellos jenen der besten Autoren der römischen Dekadenz. Gelegentlich sind seine Wendungen von der Schönheit eines Cicero.
„Die Erziehung soll vom Unterricht nie getrennt sein.“
Rom misst dem Unterricht großen Wert bei. Damit bereitet man sein Leben und seine Zukunft vor. Im Drang der Geschäfte hat es wohl den Anschein, man vergesse die in der Kindheit erworbenen Grundsätze wieder. Aber die Überzeugungen der Jugendzeit bleiben dennoch im Grund der Seele haften und schwinden nur schwer. Benutzen wir darum alle Gelegenheiten, um ein gutes Wort bei unseren Schülern einzuflechten. Tut es wenigstens einmal jede Woche während des Unterrichtes. Ruft vorher den Hl. Geist an, dass er euch erleuchte und helfe.
„Für die geistliche Leitung der Schüler befolgen die Oblaten so viel wie möglich die Grundsätze des hl. Franz v. Sales.“
Unseren hl. Stifter müssen wir gründlich studieren. Jeder soll seinen Notizblock, sein Heft haben, um gelegentlich Lesefrüchte einzutragen. Legt euch einen Karton zu mit losen Blättern in alphabetischer Ordnung. In kurzer Zeit habt ihr einen Schatz gesammelt und könnt mit Erfolg predigen, könnt interessieren. Nie wird es euch an Stoff mangeln. Welch vorzügliche Gedächtnisstütze! Da verfügt ihr über eine ganze Küchen- und Zimmereinrichtung, um eure Rede zu bereichern…
Jeden Augenblick seid ihr vorbereitet. Vor zehn Jahren habt ihr etwas niedergeschrieben, jetzt findet ihr es wieder. Der notierte Gedanke ruft eine Fülle anderer herbei. Alles ist eurem Geist so gegenwärtig wie damals… Tut das jeder von uns, welch eine Summe von Kenntnissen häufen wir da an und erschließen uns beträchtliche Hilfsquellen. Wir vermeiden die Gefahr der Wiederholung oder die Verlegenheit, gar nichts zu wissen.
„In der Erziehungsarbeit soll uns in besonderer Weise der Geist des hl. Franz v. Sales leiten.“
In der Leitung unserer Schüler wollen wir uns nach den Ratschlägen der Satzungen richten. Freilich, um dies zu vermögen, müssen wir mit dem hl. Franz v. Sales ganz eins werden. Diese Einheit im Denken und Tun wird dann all unseren Werken den salesianischen Stempel aufprägen und viele Frucht bringen. Jedes unserer Häuser, das ein besonderes Aufgabengebiet, ein besonderes Ziel, einen echten geistigen Vorrat hat, wird all das zwangsläufig in seine Umgebung ausstrahlen lassen, und davon wird immer etwas weiterleben.
„Jeder Schulleiter soll sich für die Ordnung und Disziplin… an die Vorschriften und Ratschläge des Oberen halten…“
Jeder Ordensmann bleibe sich bewusst, dass es für ihn Gewissenspflicht ist, nach den gegebenen Weisungen vorzugehen.
