Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 05.06.1889: Der Generalökonom

„Der Generalökonom hat alle beweglichen und unbeweglichen Güter der Genossenschaft als solche zu verwalten.“

Der Generalökonom muss sich mit dem Generaloberen ins Benehmen setzen, damit dieser alle Fragen klar entscheide, für die er zuständig ist. Der Generalökonom darf nur in völliger Abhängigkeit vom P. General vorgehen, sonst würde er seinen Auftrag verfehlen. Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Man muss sich in seinem Amt von allen persönlichen Ideen und Urteilen freimachen.

Und noch eine Bemerkung zu diesem Thema: Früher hatte das Gelübde der Armut zur Folge, dass man auf alle Güter verzichtete. Mit Freuden gab sich der Ordensmann nicht mehr mit Dingen der materiellen Ordnung ab, weil sie ihn nichts mehr angingen. Das hat sich geändert: der Ordensmann kann heute nicht mehr teilnahmslos an den materiellen Dingen vorbeigehen, weil sonst der Bestand der Kongregation in Frage gestellt würde. Wir müssen gut verstehen, wie weit heutzutage unsere Armutspflicht reicht. Das Gelübde legt uns heute auf, sorgsam mit den uns anvertrauten Dingen umzugehen, im Geist innerer Losschälung nach Art wirklich Armer zu handeln, die nach besten Kräften jede Ausgabe vermeiden. In unserer Genossenschaft betrachte sich folglich jeder zur Sparsamkeit verpflichtet und für das Eigentum seiner Kommunität verantwortlich. Auch in dem, was wir für unser Amt benötigen, dürfen wir uns nicht von der Sorge entbunden fühlen, arm zu leben. Ihr braucht etwas für euren Aufgabenbereich und bittet darum. Dagegen ist nichts einzuwenden. Aber nehmt auch hier Rücksicht auf den Geist der Armut, indem ihr nur so viel anschafft, wie es wirklich Arme unter gleichen Umständen täten. Denn auch die Dinge eures Amtsbereiches unterliegen den gleichen Regeln des Armutsgelübdes wie die eures persönlichen Gebrauchs. Behandelt die materiellen Dinge mit Ehrfurcht, und sie werden euch zum Dank den lieben Gott einbringen. Erst diese Bescheidung in allem versetzt euch in den Zustand innerer Wahrheit und Richtigkeit. Sie verleiht euch den nötigen Ernst und die Sicherheit im Denken und Urteilen.

Wir sind erst dann vollkommen, wenn wir überall richtig handeln, alles im Geist des Direktoriums tun. Seien wir also in unserem Amt nicht freizügiger als in unseren persönlichen Belangen. Die materiellen Dinge gehören Gott. So wie wir geweihte Gegenstände nicht profanieren möchten, so sollen wir auch die irdischen Dinge mit Ehrfurcht und Mäßigung behandeln. Darin offenbart sich die volle Erfüllung des Armutsgelübdes. Schonen wir unsere Kleider und was uns sonst zum Gebrauch dient. Geben wir so wenig wie möglich aus und tragen wir überall hin den Geist der evangelischen Armut. Das breitet Ernst und Würde über alles aus. Damit will ich keinem Geist kleinlicher Berechnung das Wort reden, wohl aber der Hochachtung vor allem Geschaffenen, Ehrfurcht vor dem, was Gott gemacht hat und was er uns gibt.

Unser hl. Stifter hielt sich in dem, was er jeder Heimsuchungsschwester an Kleidung und Mobiliar zugestand, ganz in den Grenzen der klösterlichen Einfachheit. Was mich am tiefsten beeindruckt hat, als ich zum ersten Mal die Heimsuchung von Troyes betrat, war die Armut, Reinlichkeit und Ordnung, die das ganze Haus kennzeichnete. Dieser Geist sollte auch bei uns allem das Gepräge geben. Ja, tragen wir an uns wie auch in unsere Umgebung die Armut des Kreuzes. Die Welt richtet sich zugrunde durch den Missbrauch der materiellen Güter. Helfen wir, sie zu erneuern durch die Armut Jesu Christi. Der hl. Paulus sagt: Alles erneuern in Christus, was im Himmel und auf Erde ist. Indem wir den geschaffenen Dingen solche Ehrfurcht und Achtsamkeit bezeigen, sammeln wir in uns einen wahrhaft religiösen Schatz, der in unsere Umwelt hinauswirkt. Dann werden wir diesen Lebensstil überall beliebt und heimisch machen.

In anderen Kongregationen mag der Generalökonom größere Vollmachten haben. Wir aber wollen uns dessen bewusst bleiben, dass wir nicht unsere Güter, sondern die des lieben Gottes verwalten. Ich bestehe darauf, dass es durchaus möglich ist, die materiellen Dinge auf eine heilige und uns heiligende Weise zu gebrauchen. Alles kann uns zu Gott führen. Und das ist ja das Ziel und der Zweck der ganzen Schöpfung. Wenn man in einer Ordensgemeinde die materiellen Dinge mit Ehrfurcht behandelt und die Handarbeit mit Liebe und Glaubensgeist vollbringt, so trägt alles, was man berührt und tut, zur persönlichen Heiligung wie zur Heiligung anderer bei. Darum weiht die Kirche diese Dinge und bittet in der Liturgie den lieben Gott, er möge alle, die sich dieser geweihten Gegenstände bedienen, segnen und unterstützen.

Vor allem der Generalökonom muss, da er ja das gesamte Inventar der Genossenschaft zu überwachen und zu leiten hat, von diesem Geist der Ehrfurcht erfüllt sein. Ihm legt die hl. Regel eine große Verantwortung auf. Er wird reiche Gnaden ernten, wenn er sein Amt in diesem Geist versieht.

„Er überwacht die allgemeinen Ausgaben der Häuser!“

Wir wollen den lieben Gott herzlich bitten, er möge uns jemandem schicken, der über die nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, unsere Neubauten fachkundig zu leiten. Das ist mir ein großes Anliegen. Mehr als eine Kongregation oder Ordensniederlassung ist auf diese Weise in Not geraten und zugrunde gegangen: Die Oberen verstanden nichts vom Bauen oder wollten sich nicht damit befassen. Die Architekten aber schalteten nach ihrem Gutdünken, und alles ging schief. Darum wollen wir Gott herzlich bitten, dass er uns einen auf Grund seiner Studien und Fähigkeiten geeigneten (Mitbruder) schicke, der die Leitung bei unseren Neubauten übernehmen kann. Auch beim Bauen wollen wir uns soweit wie möglich vom gleichen Geist leiten lassen wie bei unseren persönlichen Bedürfnissen in Kleidung und Nahrung. Verbringt also einige Tage der Treue in diesem Anliegen. Gewiss soll in einer Kommunität jeder von allem losgeschält sein. Dennoch darf er nicht aufhören, eine warme Teilnahme für alles zu bekunden, was das Allgemeinwohl betrifft. Wir wollen uns nicht als Herren aufspielen, wo wir nicht zuständig sind, aber auch keine Kälte für die Arbeiten unserer Mitbrüder an den Tag legen. Machen wir es wie die Kinder einer großen Familie, die höchstes Interesse zeigen für alles, was der Vater und die größeren Brüder in Angriff nehmen. Ist nicht das Himmelreich gerade den Kindern verheißen und denen, die ihnen gleichen?

Die Kongregation nimmt an Mitgliederzahl zu. Da ergibt sich die Notwendigkeit, dass alles wohl geregelt und organisiert sei. Darum auch die Bestimmungen der Satzungen über den Generalökonom und die Hausökonome, die wir wohl beachten wollen.

Gerade die Ökonome brauchen diese Ehrfurcht und diesen religiösen Geist im Hinblick auf die materiellen Dinge. Und von ihnen sollen es dann die anderen lernen. Gewiss soll man nicht übertreiben und kein Jansenist werden: grübeln wir nicht lange darüber nach, in welchem Punkt sich wohl Natur und Gnade begegnen, welchen materiellen Dinges hat oder unter welchen Bedingungen ein weltliches Ding uns Gnade einbringt, oder diese Gnade wirksam wird, etc.

Die Gute Mutter hegte für die materiellen Dinge stets eine große Hochachtung und Achtsamkeit. Auch für uns sei diese Ehrfurcht Ausgangspunkt und Grundlage, sei unser Lebenselement, etwas Heiliges, Ausdruck des Willens Gottes, Lehrweisheit, der wir folgen und die wir verbreiten. Die Gute Mutter war damit wohl beraten. Glaubt nicht, es gehe hier um ein belangloses Beiwerk. Nein, das ist eine fundamentale Wahrheit, ein Grundnotwendigkeit. Seht die Theorie des Pater Ludovicus an: es ist genau die Lehre der Guten Mutter, nur in einer anderen Form. Im Grunde derselbe Gedanke: Gott seinen Platz zurückgeben, von dem er vertrieben wurde.

Noch ein Wort lasst mich diesen Überlegungen anfügen: Ich will nicht, dass man Zeitungen lese. Es hat mich gekränkt zu erfahren, dass man in unseren Häusern eine Zeitung abonniert hat. So gut sie auch sein mag: eine Zeitung taugt nicht für uns. Wir haben anderes zu tun als uns mit politischen Fragen zu beschäftigen. Eine gute hl. Kommunion, die treue Befolgung unserer hl. Regel wirken Größeres, als wenn wir sämtliche Zeitungen herausgäben.

Wenn wir später Patres haben, die über die nötigen Fähigkeiten verfügen, der Kirche in der Herausgabe von Zeitungen zu dienen, können wir ihnen einen entsprechenden Gehorsam erteilen, und alles ist dann in Ordnung. Bis dahin aber wollen wir mehr darum besorgt sein, unsere Geistesfreiheit und die Unabhängigkeit unseres Urteils zu wahren. Nichts verfälscht die Gedanken und Ideen mehr als die Lektüre von Zeitungen. Ob man will oder nicht – man wird Sklave seines Leibblattes, von der verlorenen Zeit ganz zu schweigen. Holen wir unsere Erleuchtung nicht aus den Tagesblättern, sondern aus dem Geist von oben.

D.s.b.