Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 23.01.1889: Über die Armut

„Was die Professen durch Arbeit und persönliche Leistung oder als Mitglieder der Kongregation erwerben, dürfen sie sich nicht aneignen oder behalten. Sie müssen es vielmehr zum Nutzen der ganzen Kommunität abgeben.“

Unsere Lehrer oder solche, die ein Amt innehaben, das etwas einbringt, wie z.B. Landwirtschaft, Kleider- oder Schuhkonfektion oder sonst ein Handwerk, können für sich nichts zurückbehalten, sondern müssen alles in die Gemeinschaftskasse legen. Das gleiche gilt von den Geschenken, die man empfängt, sei es unauffällig und ohne Förmlichkeit, sei es sonst wie: also Geld, Grundstücke, Häuser, usw. Alles, was uns übergeben wird, liefern wir der Gemeinschaft ab. Selbst das, was uns zum persönlichen Gebrauch geschenkt wird, müssen wir dem Oberen aushändigen, der dann beurteilt, was er damit tun kann.

„Die Professen behalten das bloße Eigentumsrecht ihrer Güter. Es ist ihnen untersagt, sie selbst zu verwalten, über ihre Erträgnisse zu verfügen oder sie zu verwenden… Sie müssen darum vor ihrer Profess in aller Freiheit über ihre Güter Verfügung treffen und deren Verwaltung, Nutznießung und Gebrauch durch Privatakt an eine beliebige Person oder, falls sie dies vorziehen, an die Genossenschaft abtreten. Dabei können sie sich das Recht späterer Rücknahme ausbedingen. Die Professen können von diesem Recht aber nur mit Erlaubnis des Hl. Stuhles Gebrauch machen.“

Ein Novize, der also z.B. einen Bauernhof besitzt, muss auf diesen vor seiner Profess verzichten. Er kann dies zugunsten eines Beliebigen tun. Er kann auch das bloße Eigentumsrecht über diesen Hof behalten, d.h. vor dem Gesetz (des Staates) der Besitzer des Hofes bleiben und den Titel eines Eigentümers führen. Lediglich Verwaltung, Nutznießung oder Gebrauch sind ihm verwehrt. Er erklärt also: „Herr NN. soll der Verwalter und Nutznießer sein, während ich das bloße Eigentumsrecht behalte.“ Will er sich das Recht späterer Rücknahme ausbedingen, dann erklärt er: „Diese Abtretung der Verwaltung und Nutznießung kann von mir zu jedem beliebigen Zeitpunkt widerrufen werden.“ Will der Oblate nun tatsächlich widerrufen, um Verwaltung und Nießnutz einem anderen zu übergeben, bedarf er dazu Erlaubnis des Hl. Stuhles. Macht er im Laufe seines Ordenslebens eine Erbschaft, so ist in derselben Weise zu verfahren.

Pater P. stellt eine Frage: „Ich habe die Verwaltung und die Nutznießung meines Bauernhofes meiner Schwester oder sonst jemand abgetreten. Diese Person stirbt nun. Muss ich mich jetzt an den Hl. Stuhl wenden, um einen Nachfolger zu bestimmen?“ – Es scheint, dass man diesen Fall dem der Erbschaft gleichsetzen kann. Diese Nutznießung fällt einem zu wie eine Erbschaft, und man müsste einen andern Verwalter und Nutznießer bestimmen mit Erlaubnis des Generaloberen, ohne dass man den Hl. Stuhl bemühen müsste. Pater Rollin ist da anderer Meinung. Die Frage ist also wie so viele andere, die damit zusammenhängen, gründlicher zu studieren.

„Sie können auch über das bloße Eigentumsrecht – durch Testament oder, mit Erlaubnis des Generaloberen, durch Vertrag unter Lebenden – verfügen. Im letztgenannten Fall hört das, was sie über Verwaltung und Nutznießung bestimmt haben, von selbst auf, Geltung zu haben, es sei denn, sie hätten – ungeachtet der Abtretung ihres Eigentumsrechtes – den bisherigen Verwalter und Nutznießer weiterhin für eine beliebige Zeitspanne bestätigt.“

Das versteht sich von selbst. Sobald das Eigentum seinen Herrn wechselt, folgen Verwaltung und Nutznießung als Zubehör zur Hauptsache, es sei denn, man fügt dem Verzicht auf Eigentum die Klausel bei, Verwaltung, Nutznießung und Gebrauch verbleiben während einer bestimmten Zeit in den Händen derer, denen man sie übertragen hat.

„Es ist den Professen nicht verwehrt, mit Erlaubnis des Oberen alle besitzrechtlichen Akte vorzunehmen, die die Vorschriften des bürgerlichen Gesetzes erfordern.“

Wenn die hl. Kirche den Ordensmann das Gelübde der Armut ablegen lässt, so will sie damit, dass er tot sei für jedes irdische Gut, Besitz und Eigentum. Wegen der Erfordernisse des bürgerlichen Gesetzesbuches erlaubt sie dem Ordensmann, den Titel eines Besitzers zu behalten, wenn auch nur dem Namen nach und nach außen hin. Genuss, Verwaltung und Gebrauch des Besitzes sind ihm verwehrt. Er muss sich also verhalten, als besäße er nichts. Muss er in einem bestimmten Fall eine Handlung vornehmen, die einem Eigentümer zukommt, so verlangt die Kirche zur Gültigkeit dieser Rechtshandlung, dass er sich zuerst an den Hl. Stuhl wende.

D.s.b.