Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 09.01.1889: Über die Zulassung der Novizen zur Profess und über die Profess.

„Wenn der Novize am Ende des Noviziatsjahres steht und die erforderlichen Eigenschaften besitzt, wird ihn der Novizenmeister dem Provinzialrat für die Profess vorschlagen. Seine Zulassung erfolgt durch Stimmenmehrheit…“

Ich lege euch noch einmal die Sorge, den Eifer und das Gebet für unseren Nachwuchs ans Herz. Bittet den Herrn der Ernte. Der liebe Gott könnte es auch aus sich tun, er will es aber von unseren Gebeten abhängig machen. Sind wir gute Ordensleute, dann möchten wir die Vorteile und das Glück unserer Berufung auch anderen vermitteln. Kein frommer Landpfarrer wird es unterlassen, geeignete Kandidaten ins Priesterseminar zu schicken, weil er seinen Stand besser findet als alle anderen. Darum möchte er, dass auch andere die geistlichen Vorteile des Priestertums genießen. Ich weiß sehr wohl. dass wir von unseren Verpflichtungen so in Anspruch genommen werden, dass wir kaum noch an anderes denken können. Was wir zu erledigen haben, ist gewiss mehr als hinreichend, um die Kräfte und Fähigkeiten unserer Seele, unseres Herzens und unseres Leibes in Beschlag zu nehmen.

Dennoch sollten wir die Sorge um weitere Berufe als eine unserer Hauptpflichten erachten. So will es unser Herr selbst. Er trug es seinen Aposteln auf und durch sie auch uns. Wir haben dringenden Bedarf an tüchtigen und heiligen Arbeitern im Weinberg, die das Wort des hl. Paulus an die ersten Christen wahrmachen: für euch heilige ich mich, damit meine eigene Heiligung auf euch überströme und euch einhülle.

Der Novize wird mit Stimmenmehrheit zur Profess zugelassen. Es genügt eine einzige Mehrstimme. Spräche allerdings die Stimme des Generaloberen oder des Novizenmeisters gegen die Zulassung, so wäre es vielleicht klug, die Profess zu verschieben. Das möge man wohl beherzigen. Es geht da um eine schwerwiegende Frage. Dem Urteil des Novizenmeister oder des Generaloberen kommt ein besonderes Gewicht zu, weil sie in voller Kenntnis der Sache urteilen. In diesem Fall einer strittigen Mehrheit also, sollte man den Novizen von der Profess zurückstellen. Man sollte ihn aber deshalb nicht sofort entlassen. Eine Verlängerung seiner Probezeit erscheint aber angezeigt. Denn Ordensleute sollten wirklich auf der Höhe ihres Berufes stehen. Früher legte man Gewicht auf die große Zahl, heute mehr auf die Qualität der Bewerber.

„Die Profess umfasst die drei einfachen Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams…“

Unsere Gelübde sind einfach und nicht feierlich. „Feierlich“ werden jene genannt, die von der Kirche und den kanonischen Vorschriften angenommen und geschützt sind. Sie werden noch in einigen alten Orden, wie bei den Benediktinern, Dominikanern, Franziskanern und Trappisten, abgelegt. Die anderen Orden werden als „fromme Institute“ betrachtet und kennen nur einfache Gelübde. Die Vorteile der feierlichen haben heute fast keine Bedeutung mehr, da keine staatliche Gesetzgebung das Kirchenrecht mehr anerkennt. Was freilich das Gewissensforum und die tatsächliche Verpflichtung anbetrifft, so stehen die einfachen Gelübde auf der gleichen Stufe wie die feierlichen.

„Durch sie bindet sich der Religiose in den ersten fünf Jahren jeweils nur für ein Jahr. Nach Ablauf der zeitlichen Gelübde legt der Ordensmann öffentlich die ewigen ab…“

Man legt die Gelübde zunächst nur für ein Jahr ab, damit keine Mitglieder in die Genossenschaft gelangen, die für sie zu einer schweren Last würden, weil sie nur wenig Frömmigkeit an den Tag legen oder eine eigenwillige Geisteshaltung und persönliche (private) Tendenzen bekunden.

In der Praxis darf man sich beim Eintritt ins Kloster nicht für ein Jahr oder für fünf Jahre binden wollen, indem man sich sagt: Danach bin ich ja wieder frei. Man muss sich vielmehr Gott für immer hingeben. Das soll natürlich nicht heißen, ich verpflichte die Novizen, sie sollten sich sofort schon durch ewige Gelübde binden. Aber unsere Hingabe darf zu Beginn keine Grenzen kennen. Diese Praxis ist sehr zu empfehlen. Kann sich der Professe nach Ablauf eines Jahres nicht zum weiteren Verbleib entschließen, so ist er vor der Kirche und seiner Klostergemeinde von seinen Gelübden entbunden. Ob auch vor seinem Gewissen, ist eine andere Frage.

Was wird aus einem Ordensmann, der seine Gemeinschaft verlässt? Sicher hat die Genossenschaft ihm gegenüber nur auf Grund seiner Priesterweihe Verpflichtungen. Sie kann sich dieses Mitgliedes aber durchaus entledigen, indem sie ihn einem Bischof anbietet. „Wir haben diesen Ordensmann zur Weihe zugelassen. Wollen Sie ihn übernehmen?“ – Sagt er „Einverstanden“, ist die Sache geregelt. Die Kongregation schuldet ihm nichts Weiteres. Er hat sich ihr ja nur für ein Jahr verpflichtet. Jeder ist dem anderen gegenüber nichts mehr schuldig. Das kann natürlich gelegentlich für den betreffenden zu einer schweren Belastung werden. Man darf eben keine Gelübde ablegen, wenn man sich beabsichtigt, sie fürs ganze Leben zu halten. Die Kommunität hat keine Verpflichtungen solchen gegenüber, die sie verlassen. Wir müssen nur einen Bischof suchen und finden, der sie annehmen will.

Diese Frage wurde durch ein Rundschreiben des Hl. Vaters vor fünf oder sechs Jahren geklärt. Ein Gelübde ist seiner Natur nach ewig. Die Gelübde des Ordensstandes waren es immer schon: man gibt sich Gott nicht für 6 Monate oder ein Jahr hin. Nur um größeres Übel zu vermeiden und weil es sich hierbei auch um einen juristischen Akt handelt, lässt die Kirche zeitliche Gelübde zu. Legt man solche ab, so muss man die Absicht haben, sich ohne Vorbehalt Gott zu schenken.

Nehmen wir an, es kommt ein Postulant, und legt zwei- oder dreimal jährliche Gelübde ab in der einzigen Absicht, zur Priesterweihe zu gelangen. Sobald der Obere das merkt, ist er im Gewissen verpflichtet, ihn nicht länger zu halten. Er kann ja gar kein guter Ordensmann werden, besonders nicht bei uns mit unserem spezifischen Ordensgeist und Lebensstil. Die Satzungen und das Direktorium kann man nicht während eines Jahres befolgen wollen, um sie nachher wieder aufzugeben. Wäre uns Ordensregel mehr äußerlich ausgerichtet, so ließe sich das leichter durchführen.

Du willst Oblatengelübde auf ein Jahr ablegen? Ein Oblate legt aber seine Gelübde ab, um sich mit Gott zu vereinigen, Hand in Hand mit ihm zu arbeiten. Tut man das nur für ein Jahr? Gilt hier nicht das gleiche wie für die Ehe? Man heiratet doch auch nicht für ein Jahr. Wie die Ehe ist das Ordensleben unauflöslich, ist eine Verbindung ohne Umkehr, und dies auf Grund der Gewohnheit und der innigen Beziehung, die da zwischen Gott und dem Menschen entsteht. Wäre es nicht lächerlich, sich nur auf ein Jahr binden zu wollen? Bei uns noch mehr als bei anderen Orden? Wenn du das tust, was schaut dabei schon heraus? Gar nichts! Das Direktorium hältst du nicht, denn es will ja gerade dein ganzes Tun und Lassen, dein ganzes Leben erfassen, um es mit göttlichem Leben zu erfüllen. Kann man etwa seine Taufe und Heirat rückgängig machen?

„Die Formeln der zeitlichen und ewigen Gelübde lauten…“

Die Gelübdeformel wurde von unserem hl. Stifter für die Heimsuchung aufgestellt. Wir haben sie als für uns äußerst passend übernommen, da sie ihm vom Hl. Geist eingegeben wurde. Die Formel der ewigen Gelübde ist von der der zeitlichen verschieden: das Versprechen wird hier unmittelbar dem Generaloberen abgelegt. Das Gelübde mit der größten Tragweite und der tiefsten Wirkung ist natürlich das des Gehorsams. Denn die Natur der beiden anderen und die Grenzen ihrer Geltung werden vom Gehorsam bestimmt. Und dieser Gehorsam ist bei den zeitlichen Gelübden ebenso unbedingt und umfassend wie bei den ewigen.

Ich empfehle erneut die Mission vom Oranje dem Gebet der ganzen Gemeinde. P. Simon schreibt mir, dass sie große Schwierigkeiten haben. Aller Anfang ist halt schwer. Aber unsere Patres haben guten Mut und lassen sich von den Heimsuchungen nicht erschrecken.

D.s.b.