Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 02.01.1889: Gebet um gute Novizen

Im letzten Kapitel sprach ich von unseren Pflichten gegenüber dem Noviziat. Heute möchte ich euren Gebeten, eurem Eifer und eurer Sorge noch einmal das Anliegen um gute Novizen anempfehlen, damit die Kongregation den von ihr bereits übernommenen Werken gerecht werden kann. Wir bräuchten Nachwuchs für die Mission am Rio-Bamba und am Oranje, für unsere Kollegien…

Als unser Herr die Felder für die kommende Ernte reifen sah, forderte er seine Apostel auf: „Bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seinen Weinberg sende.“ Er hätte dieses Gebet auch selbst an seinen Vater richten können. War er doch allmächtig und konnte deshalb eine viel größere Zahl von Aposteln berufen. Er tat es nicht, sondern beauftragte die Apostel, darum zu beten. Ohne Zweifel bedarf es einer ganz besonderen Berufung, um Oblate zu werden, und nur der liebe Gott kann sie geben. Der Subdiakon hat wieder eine andere Gnade der Berufung, die Gott allein ihm verleiht. Ebenso sicher ist es aber auch, Anreiz ausüben können. Unsere Ermunterungen, Hilfen und Beweggründe seien ganz übernatürlich und ganz in Gott verankert. Wir brauchen viele Mitarbeiter, denn wir haben große Aufgaben zu erfüllen. Denkt nur an das Namaqualand. Ich bin etwas beschämt, der Propagandakongregation nur eine so geringe Zahl von Missionaren melden zu können, die dort arbeiten. Ich weiß sehr wohl, dass man von uns nicht viel erwartet… Natürlich sind wir nicht alle Missionare, sollten es aber ein bisschen sein. Denn unsere ganze Genossenschaft wurde mit der Mission am Oranje betraut. Sie muss also als ganze durch ihr Gebet dafür einstehen und die Mission auf diese oder jene Weise unterstützen. Ich wünsche, dass jeder von uns sich für die Mission verantwortlich fühlt. Wir dürfen nicht nur uns und unsere kleinen Angelegenheiten im Auge behalten. Auch die Sache der anderen, insbesondere unserer Mission soll uns auf der Seele brennen. Das muss der Schatz sein, das geistige Kapital unserer Kongregation. Seht nur die Jesuiten, wie sie zu ihrem Orden halten. Wie sie alles, was ihren Orden betrifft, herausstellen und alles hervorkehren, was die Bewunderung für ihn mehren kann… Ich will damit nicht sagen, wir sollten es ihnen hierin gleichtun. Aber unsere Kongregation sollte doch einen Vorzugsplatz in unserem Herzen einnehmen, wir sollten sie über alles lieben, wie unser hl. Stifter sagt – so wie jeder seine eigene Heimat liebt. Das will nicht heißen, dass wir unser eigenes Daheim für schöner und größer als das der anderen halten. Nein, wir schätzen und achten, was anderswo geschieht, lieben aber unser eigenes Heim am meisten. Ich erinnere an diese Grundregeln des Ordenslebens, weil sie wesentlich sind. Lieben wir unsere Genossenschaft, dann lieben wir auch alles, was in ihr geschieht. Zwischen den einzelnen Mitgliedern wächst dann ein Zusammengehörigkeitsgefühl heran, ein bemerkenswerter Geist der Gemeinschaft, ein Familiengeist. Wir fühlen uns nicht mehr als isolierte Einzelwesen, sondern schreiten im gleichen Schritt und auf dasselbe Ziel zu.

Haben wir also ein liebevoll geöffnetes Herz für alles, was sich in unserer Genossenschaft tut. Auch die Annales wurden ungefähr in dieser Absicht gegründet. Es ist ja sehr schwierig, jedes Haus auf dem Laufenden zu halten, über das, was sich überall ereignet. Die Annales sollten da Abhilfe schaffen. Finden wir uns also alle an derselben Tür des Gastmahls ein, jenes Gastmahls heiliger Liebe, wo jeder gleichermaßen Freude und Glück schöpft und weitergibt. Das sei uns ein echtes Anliegen! Was außerdem die Einheit der Herzen fördert, ist die Einheitlichkeit in unserer äußeren Haltung, in der Art, uns zu geben und vorzugehen. Die Heimsuchungsschwestern gleichen sich überall, weil ihre Liebe den Satzungen, dem Direktorium und ihren Gebräuchen gilt. Die gleiche Liebe schmilzt unsere Seelen in die gleiche Gussform und prägt allen den wunderbaren Stempel heiliger Gleichförmigkeit auf. Welch auffallende Tatsache! Ich empfehle euren Gebeten unsere Missionen und alle unsere Jugendwerke, nicht nur der Arbeiterjugend, sondern auch unsere Kollegien. All das ist das Werk Gottes und kann nur kraft seiner Gnade gedeihen. Bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter sende. Der Meister selbst fordert uns dazu auf.

Und noch einmal: Seien wir mit ganzem Herz bei allem, was um uns her geschieht, mit der Liebe eines Kindes, das regen Anteil nimmt an allem, was in seinem Vaterhaus sich abspielt. Haben wir ein waches Interesse für die Arbeiten unsere Mitbrüder in den Kollegien und sagen wir nie: „Das ist nicht meine Arbeit, daran rühre ich mit keinem Finger!“ Mit dem Finger sollen wir auch gar nicht daran rühren, sondern mit dem Herzen, indem wir unserem Mitbruder, falls er dessen bedarf, liebevolle und verständnisvolle Hilfe leisten. Der Saft ist für die Pflanzen Träger des Lebens, ist für sie alles. Der Rest ist Rinde. Die Bewegungen des Saftes sind aber kaum wahrnehmbar, desgleichen auch die Tätigkeit der Blätter. Zwei Ursachen also, die ganz hintergründig wirken, und dich den ganzen Lebensprozess der Pflanze unterhalten. Geheimnisvoll schaffen sie im Verborgenen. Und das sollen auch wir tun.

Seien wir nicht Menschen der Oberfläche, sondern der Tiefe, in denen ein lebendiger Saft ständig kreist. Schöpft alles, was ihr zum Leben und Wirken braucht, aus der Liebe des Erlösers. Es wird zwar äußerlich nicht in die Augen springen, trägt in Wirklichkeit aber alles.

Wird irgendwo eine Neugründung vorgenommen, so wollen wir von ihr mit Hochachtung sprechen. Beten und vereinigen wir uns mit dem Willen des lieben Gottes (der sich in dieser Neugründung offenbart). So wächst in uns die feste Gewohnheit, mit unseren Mitbrüdern wie mit Gott in beständiger Vereinigung zu leben.

Geht uns aber diese ständige Verbundenheit, dieser Schatz brüderlicher Liebe ab, was unterscheidet uns dann noch von den Weltgeistlichen? Gibt es noch einen Unterschied zwischen ihrem Alltag und dem unseren? Wozu sind wir dann Ordensleute geworden? Auch sie haben Übungen der Frömmigkeit, die sehr gut sind. Doch damit kommen sie nicht sehr weit. Habt ihr eure Betrachtung gemacht und euer Brevier gebetet, dann ist das sicher schön und gut. Wäre dies aber alles, so würde es dem Ganzen eures Lebens wenig nützen. Dann gleicht ihr einem Schreiner, der zuerst eine Schublade anfertigt, und dann eine zweite: alles in allem also zwei Einzelteile. Was soll das schon? Schreinert er aber ein vollständiges Möbelstück und fügt die beiden Schubladen ein, dann entsteht etwas Ganzes und Nützliches. So soll auch unser Leben eine Ganzheit an Ehrfurcht und Liebe auch zueinander. Wie wohlgefügt und abgerundet würde sich dann unser Leben ausnehmen und würde uns gleichzeitig aufs innigste untereinander verbinden. Welche Macht liegt doch in der Einheit! Nichts kann ihr widerstehen. Haben die Bösen nicht gerade deshalb so viel Erfolg, weil sie so zusammenhalten? Ihr Schatz ist schlecht, und von diesem Kapitel leben sie, welche Rolle sie auch in der Welt spielen: Ob Kaufmann oder Drogist, Giftmischer sind sie auf die eine oder andere Art. Das Band dieses die Kräfte der Natur überschreitenden, teuflischen Lebens, hält sie zusammen, das als Widerpart des göttlichen Lebens agiert. Gegen die Feinde Gottes können wir nur mit dem Hauch und Leben Gottes ankommen. Seid also religiös in eurem Verhalten gegen euch selbst, gegen eure Mitbrüder, gegen Gott. Alle eure Gebete und Arbeiten seien in dieser Meinung vollbracht. Schließt euch zusammen und alles, was ihr unternehmt, wird euch gelingen! Oft komme ich auf die gleichen Gedanken zurück. Ich mache es wie der hl. Johannes, der Evangelist: „Kindlein, liebet einander.“ Darauf kommt es allein an.

Ich empfehle eurem Gebet meine heiligmäßige Cousine vom Karmel von Troyes, die am Fest des hl. Johannes verstorben ist. Man hatte sie nach Compiegne geschickt, um dort eine Niederlassung zu gründen. Sie hat sich auf dem Sterbebett unserem Gebet empfohlen, es war gleichsam ihre letztwillige Verfügung. Vorgestern erfuhr ich von ihrem Tod. Sie hatte ihre Oberin ausdrücklich gebeten, uns ihr Hinscheiden wissen zu lassen, damit unsere Ordensgemeinde für ihre Seelenruhe bete. Es war eine heiligmäßige Seele, die den hl. Johannes sehr liebte. Sicher hat sie die Gnade erbeten, an seinem Festtag zu sterben. Nur zwei Tage war sie krank. Ich bitte also unsere Patres um ein kleines Memento beim Brevier und bei der hl. Messe.