Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 28.11.1888: Die Würde der Arbeit

„Die Brüder befassen sich mit den materiellen Aufgaben des Hauses. Sie verrichten für gewöhnlich Handarbeiten.“

Nach den Satzungen stehen den Brüdern genau die gleichen Vorrechte zu wie den Patres. Sie haben Anteil an allen Wohltaten und geistlichen Vorteilen der Genossenschaft. Auch in materiellen Belangen werden sie behandelt wie die Patres. So wird offenbar, dass Patres und Brüder eine einzige Familie bilden, dass beide Ränge nur ein und denselben Geist haben. Wir sind eben nicht zwei verschiedene Genossenschaften, sondern nur eine einzige.

Es versteht sich von selbst, dass jeder seine Rolle wohl erfassen und sein Amt nach besten Kräften ausfüllen muss. Da unsere Brüder nach den Satzung an denselben materiellen wie geistlichen Gütern der Kongregation Anteil haben, ihnen dieselbe Nahrung, Kleidung, natürliche wie übernatürliche Betreuung zusteht, muss ihr Handel und Wandel dem der Priester gleichen.

Seht da einen Pater in der Schule. Er arbeitet mit ganzer Hingabe und wendet seine ganze Sorgfalt auf. Ein Rhetorik- oder Philosophieprofessor bereitet seine Stunden mit viel Mühe auf ihr Abschlussexamen vor. Seine ganze freie Zeit verbringt er mit der Korrektur der Hausarbeiten. Vielleicht muss er sogar eine Erlaubnis einholen, noch einen Teil der Nacht arbeiten zu dürfen.

So mögen also auch unsere Brüder sich ganz ihren Aufgaben widmen wie die Patres. Und wenn die Patres notfalls Tag und Nacht arbeiten, werden auch die Brüder, wenn die Not es gebietet, auf einen Teil der Ruhezeit verzichten. Jedenfalls werden sie sich von den Patres nicht übertreffen lassen, die im Unterricht, in der Aufsicht und in der Seelsorge ihr Bestes geben. Jene Patres z.B., die in Tauxelles (Anm.: „heute Berufsschule mit Internat der Oblatinnen“) beichthören, kommen mitunter erst um Mitternacht heim. Die Arbeiten unserer Patres sind weit ermüdender und aufreibender, und sie schonen sich nicht im Geringsten. So möge jedes Mitglied der Genossenschaft mit gleicher Hingabe sich einsetzen, in der Schule, in der Leitung der Seelen oder bei der Handarbeit.

Die Handarbeit ist etwas Großes, sie muss uns heilig sein. Unsere Brüder schaffen wie Gott selbst bei der Erschaffung der Welt: „Mein Vater wirkt bis zur Stunde, und ich tue dasselbe.“ Darum dürfen sich die Brüder nicht als bloße Hausangestellte betrachten, sondern als echte Ordensleute ganz wie die Patres. Mögen diese auch das unauslöschliche Merkmal des Priestertums an ihrer Seele tragen – als Ordensleute sind sie ihnen gleich. Darum mögen sie ihr ihre Handarbeiten mit echter Liebe, Hingabe, Beharrlichkeit und Großmut verrichten. So wie die Patres sich nicht scheuen, ihre Gesundheit, ja ihr Leben aufs Spiel zu setzen – denkt nur an den guten Pater Rollin! – so sollen sich unsere Brüder mit Mut, Hingabe und Lieb ihren Aufgaben widmen. Stellen wir uns auf den Standpunkt: Es ist eine Ehre und ein Verdienst vor Gott, als Ordensmann Handarbeit zu verrichten. Unser Herr selbst, der kam, um die Welt zu erlösen, hat 30 Jahre seines Lebens mit seinen Händen geschafft, um für sich, den hl. Josef und die sel. Jungfrau den Lebensunterhalt zu verdienen.

Wir bekommen nicht viele Brüder. Lieber würde ich aber ganz auf sie verzichten, wenn sie nicht ganz vom religiösen Geist beseelt wären. Ein Bruder, der zu uns käme, nur um sich die Zeit durch Arbeit zu vertreiben, und nicht belästigt werden möchte, der seinen Beruf ausüben und dabei seinem eigenen Geschmack folgen möchte, wäre kein Ordensmann und hätte sich im Arbeitsplatz geirrt. Wer nur seine Ruhe sucht und dem Opfer aus dem Weg geht, darf nicht ins Kloster gehen.

Unsere Brüder mögen sich zur ganzen Würde ihrer hohen Berufung erheben, denn ein materieller Auftrag ist ebenso heilig und geweiht wie der Dienst an den Seelen. Wert und Würde kommt einer Handlung einzig und allein von Gott und auf Grund der Gnade zu. Essen, sich ankleiden usw., wird zu einem übernatürlichen Akt voller Verdienste, wenn er von der Gnade begleitet ist. Ist aber unser Arbeiten ohne Unterbrechung von der Gnade durchwirkt, dann wird sie zu einer reichen Quelle von Verdiensten.

Darum wünsche ich sehr, dass sich unsere Brüder tief von der Größe und Würde ihrer Sendung durchdringen und mit ganzer Hingabe arbeiten. Ja, eure Handarbeit ist heilig und heiligend. Ihr müht euch für die Klostergemeinde und durch eure Hände arbeiten gleichsam alle Glieder dieser Gemeinde. Euer Tun erwirkt Segnungen, wie sie uns aus der Verehrung der Reliquien zufließen. Die Arbeit eines echten Ordensmannes ist wie eine Reliquie, die Gnaden vermittelt.

Man fragte den letzten Abt von Clairvaux, der unlängst in Troyes verstarb, wie es möglich gewesen sei, dass sich sein Kloster bis zur frz. Revolution in so erbaulicher Verfassung erhalten hat, während doch so viele Klöster versagten und der Mutlosigkeit erlagen. Er antwortete, das sei das Verdienst eines tüchtigen Novizenmeisters und eines heiligmäßigen Klosterkochs gewesen. Der Novizenmeister habe die jungen Leute im rechten Geist heran gebildet, während der Koch mitgeholfen habe, die Seelen auf dem vorgezeichneten Weg zu erhalten, indem er Gottes Gnaden auf die Speisen herabzog, die auf diese Weise gleichzeitig den Leib nährten und die Seele heiligte. Bringen darum auch wir große Ehrfurcht, Sorgfalt und Frömmigkeit dem entgegen, was man uns zu tun aufträgt. Ich wünsche sehr, dass die Patres auf diese Gedanken in ihren Vorträgen eingehen, damit jeder verstehe, was es heißt, sich in seinem Stand und Beruf zu heiligen.

Im 10. oder 11. Jahrhundert sah man sich im Benediktinerorden von Vallumbrosa bei Florenz genötigt, einen eigenen Brüderstand einzurichten, weil alle Vornehmen, Fürsten und Prinzen, die dort eintraten, um die besondere Gunst baten, die niedersten Arbeiten verrichten zu dürfen, die Wäsche zu besorgen, das Haus zu reinigen, die Kühe zu versorgen… Um ihrem Wunsch Nachdruck zu verleihen, wandten sie sich sogar an Bischöfe und bemühten sich um Förderung durch hochgestellte Persönlichkeiten. Sie stießen damit aber im Kloster auf Widerstand, weil man dort genau unterschied zwischen Chordienst und Handarbeit, und man sich nur für eins von beiden entscheiden konnte. So gründete man schließlich die beiden Stände der Patres und Brüder, und das eben zum ersten Mal in Vallumbrosa, damit so alles durch die hl. Regel geordnet sei und keine Ausnahmen erbeten würden. Da seht ihr den Grund dieser Anordnung: es war die Einsicht von der Größe und Würde der materiellen Dinge und Arbeiten wie das Kehren der Zimmer, das Reinigen des Hauses, der Aborte, und der Ställe, usw. Das mögen an sich geringfügige Dinge sein, geschehen sie aber im religiösen Geist, so werden sie bedeutungsvoll und ziehen große Gnaden auf die betreffenden Ordensleute wie auf die ganze Kommunität herab. Möchten unsere Brüder also ihre Mission wohl erkennen und erfüllen! So bringen sie ihrer Klostergemeinde reichere Gnaden ein als die anderen, weil sie dieselbe Lebensweise führen, die auch unser Herr, die sel. Jungfrau und der hl. Josef vorgezogen haben. Diese Lebensform gefällt dem Heiland offenbar besser als die unsrige mit unserer Wissenschaft und unseren Studien.

Die Brüder sollen darum die eifrigsten Ordensleute der Gemeinde sein, das ist unerlässlich. Denn die Dinge, mit denen sie zu tun haben, üben einen unmittelbaren Einfluss auf alle aus. Wer Redekunst unterrichtet, wendet sich nur an die Rhetorikstudenten. Wer aber Brot backt, wendet sich an alle, die essen. Die Gnaden also, die Gott dieses frommen Bäckers wegen mit dem Brot verbindet, das jedermann isst, kommen allen zugute. Gelänge es mir doch, diese Wahrheit jedem von euch tief ins Herz zu senken, dass ihr sie versteht und liebt – dann würde Gottes Segen uns auf eine unvergleichliche Weise begleiten.

Unsere Brüder leisten der Genossenschaft einen gewaltigen Dienst, wenn sie so handeln. Fehlt ihnen aber diese Gesinnung, welch mächtige Gnadenquelle versiegt da durch ihre Schuld. Es ist sicher, dass der Teufel das Böse gerade durch das Medium der materiellen Dinge wirkt. Warum weihen wir denn das Wasser zu Weihwasser? Weil die stofflichen Dinge den teuflischen Einfluss weitergeben. In gleicher Weise fließt aber auch göttliche Gnade durch das verdienstliche Tun eines guten und heiligen Ordensmannes durch die geschaffenen Dinge uns zu. Und das nicht nur gelegentlich und vorübergehend, sondern in jedem Augenblick und durch alles, was der Ordensmann in die Hand nimmt. Das sage ich nicht nur zu den Brüdern. Es gilt auch für die Patres und die ganze Gemeinschaft. Im Ordensstand gibt es nichts Alltäglich und Gewöhnliches, alles ist hier himmlisch und göttlich. Das ist so wahr, dass man sagen kann, das Ordensleben nahm auf diese Weise seinen Anfang.

Betrachtet nur die frommen Wüstenväter gleich nach den Christenverfolgungen inmitten des so aktiven und verderbten römischen Reiches. Woran erkrankte diese Epoche am meisten? Der hl. Augustus sagte, zu seiner Zeit habe man selten Lästerungen gegen Gott und seinen Gesalbten vernommen. Die Gotteslästerung durch die Tat und das Leben hingegen sei an der Tagesordnung gewesen. Die damalige Welt taugte aber immer noch mehr als die heutige. Die ersten Christen spürten die ganze Unsicherheit und Unbeständigkeit dieser zerrütteten Welt. Darum zogen sie sich in die Wüste zurück. Womit beschäftigten sich nun diese ersten Ordensleute, die Jünger des hl. Paulus und des hl. Antonius? Sie sangen nicht die hl. Tagzeiten, sondern betrieben Handarbeit, flochten Matten, verkauften diese in Alexandrien und verdienten damit ihr tägliches Brot. Seit dieser Zeit wurde die Handarbeit als zum Wesen des Ordensstandes gehörig angesehen.

Auch jene unserer Patres, die sich mitunter mit Handarbeit zu befassen haben, die dies oder jenes besorgen – und es ist gut, dass man mit den Händen arbeitet – sollen körperliches Schaffen von dieser hohen Warte aus sehen. „Gottvater ist der Schöpfer“, pflegte die Gute Mutter zu sagen, „und wir ehren ihn, indem wir mit unseren Händen arbeiten.“ Mit welcher Sorgfalt behandelte sie vornehmlich in der letzten Zeit ihres Lebens, die materiellen Dinge! Wir sollen uns auf denselben Standpunkt stellen und oft bedenken, wie ehrenvoll es für uns ist, dasselbe zu tun, was unser Herr und Meister tat. Unter diesem Gesichtspunkt wird dann alles ehrwürdig und bedeutungsvoll. Dann gibt es keine niedrige Stellung mehr, und die Brüder stehen als Ordensleute den Priestern in nichts nach. So wie sie Anspruch auf gleiche Nahrung und Pflege haben, so hat auch die Klostergemeinde das gleiche Recht auf ihre übernatürlichen Dienste. Wie also ein Pater höchst ungehörig handeln würde, ließe er es an übernatürlicher Einstellung fehlen, so auch die Brüder.

In der Grande Chartreuse (Anm.: „bei Grenoble, vom hl. Bruno von Köln 1084 gegründet.“) findet sich eine berühmte Gemäldesammlung des Malers Lesueur aus der Zeit König Ludwig XIV., die das Leben des hl. Bruno wiedergibt. Ich erinnere mich nicht, die Kartäuser in dieser ganzen Galerie beim Gebet gesehen zu haben. Sie werden uns da vielmehr bei jeglicher Art von Handwerk vorgestellt, wie sie Mörtel tragen, Häuser bauen, Viehwirtschaft betreiben, etc. Und dabei sind die Kartäuser doch ein eminent beschaulicher Orden. So berichtete auch der Bischof vom „Kap“ dem Hl. Vater, die Oblaten seien genau das, was Afrika zu seiner Missionierung brauche. Sie seien, schrieb er, wie die alten Mönchsorden, die nicht nur predigen und beteten, sondern auch Handarbeit verrichteten. Ziehen wir Nutzen aus diesen Worten und legen wir unsere Herz, unsere Frömmigkeit und unsere Heiligkeit in das, was wir tun.