Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 14.11.1888: Die Dienste innerhalb der Kongregation.

„Sie widmen sich den verschiedenen Aufgaben der Seelsorge, der Jugenderziehung wie Missionstätigkeit.“

In unserem letzten Kapitel sprachen wir von unseren Missionaren, wie sie so ganz auf sich gestellt in fremden Ländern leben. Durch ihr Wort und mehr noch durch ihr Beispiel müssen sie predigen. Ich habe euch an die ersten Apostel erinnert, die zu allererst durch ihr Beispiel und ihr erbauliches Auftreten predigten, sodass man Paulus und Barnabas in Lystra für Götter hielt. Aus all ihrem Tun und ihrer ganzen Person leuchtete eben Heiligkeit. Gilt das aber heute nicht mehr? Auch unsere Missionare müssen einen nachhaltigen persönlichen Einfluss auf ihre Umgebung ausüben, sie müssen Ehrfurcht und Vertrauen einflößen, anderenfalls blieben all ihre Unternehmungen und Aktionen unfruchtbar. Solch tiefgreifenden Einfluss schöpfen sie aber nicht aus sich selbst, sondern einzig aus ihrer großmütigen Hingabe und Treue zu ihren Verpflichtungen, vorzüglich zum Direktorium.

Unser Dienst in der Seelsorge

Es ist von größter Wichtigkeit, dass wir alle die gleiche Linie verfolgen in der Seelsorge. Nicht nach eigenem Kopf und Geschmack darf der einzelne vorgehen. Sonst wüchsen wir nie zu einer religiösen Genossenschaft zusammen, und wir täten besser, auf getrennten Wegen unsere eigenen Ideen zu verwirklichen. Im innerlichen Leben, aber auch im äußeren Leben, im Studium und im Gehorsam sollte Einheitlichkeit herrschen. Dann werden die Gläubigen überrascht feststellen, wie sehr unsere Lehre, unsere Art zu urteilen und zu denken übereinstimmt. Das aber wird unseren Worten ein starkes Gewicht verleihen.

Vermeiden wir darum alle Eigenwilligkeit, allzu große Freiheit im Umgang und allen Ulk, was ja mit ernster Seelsorge nichts zu tun hat. In Wort und Tat, in unseren Ratschlägen im Beichtstuhl und in unseren Lehrmeinungen sollten wir alle einheitlich wirken. Immer wenn wir an uns Eigenheiten und Wunderlichkeiten bemerken, wollen wir auf die Stimme unseres Gewissens hören und zur einheitlichen Linie zurückkehren. In der Seelsorge arbeiten wir wahrlich nicht in unseren eigenen Interessen, sondern leihen Gott unsere Hilfe zu dem, was er wirken will. Nicht unsere Ansichten, unsere persönliche Geschicklichkeit und Betriebsamkeit führen die Entscheidung herbei, sondern der Gehorsam und die gegebenen Anweisungen. Das wird unsere Aktion und unsere Kräfte verhundertfachen und uns reiche Erfolge erzielen lassen.

Was ich euch da sage vom äußeren Leben, vom Gehorsam und der Abhängigkeit, gilt noch mehr von unserer inneren Haltung. Seelen lassen sich nur bekehren, wenn der Bekehrende treu auf die Eingebungen Gottes reagiert. Hat z.B. ein Priesterseminar einen heiligmäßigen Seminarleiter, so wird dieser einen unauslöschlichen Eindruck bei dem gesamten Klerus hinterlassen, der durch seine Schule ging. Versetzt einen heiligen Priester in eine Pfarrei – noch lange nach seinem Tod wird man seinen heilsamen Einfluss verspüren. Bald werden in Chaours eine Niederlassung haben. Diese Pfarrei hat einen guten Geist, und weist ein aktives Glaubensleben auf. Das verdankt sie einem heiligen Pfarrer, einem Martyrer der frz. Revolution, M. Martinet. Seine Tätigkeit brachte wegen seiner großen Frömmigkeit solch tiefe Wirkung hervor, dass man noch heute in der Gegend eine starke religiöse Überzeugung und treue Kirchenpraxis vorfindet, was in unserer Zeit eine große Seltenheit geworden ist.
Gewiss ist wahr, was der hl. Augustinus sagt: „Wenn Petrus tauft, tauft Jesus Christus.“ Doch das gilt nur für den sakramentalen Bereich, wo die Gnade „ex opere operato“ wirkt. In der Seelsorge und Predigt, im Beichtstuhl und in der Seelenführung werden noch andere Gnaden wirksam. Es steht außer Zweifel, dass die persönliche Heiligkeit eines Seelsorgers nach außen strahlt und wirkt, ja das es selbst bei der Spendung der hl. Sakramente neben der wesentlichen Sakramentsgnade noch zusätzliche Gnaden gibt, die allein von der Heiligkeit der Spenders abhängen.

Denken wir also daran: Wir schulden Gott Rechenschaft für die Früchte, die wir in den Seelen hervorbringen oder nicht. Sind wir treu in der Regelbeobachtung, treu in der Vereinigung mit Gott, dann wird unser Einfluss auf die Seelen stark profitieren. Das ist dann aber kein bloß menschlicher Einfluss mehr, sondern ein ganz göttlicher und himmlischer. Sollten das für uns nicht gewichtige Gründe sein, mit allem Eifer unser Direktorium zu befolgen?

„Die Mitglieder der Kongregation sind Kleriker oder Brüder“ (K22)
„Die Oblaten passen sich in Titel und Kleidung dem örtlichen Gebrauch an.“ (GS4)

Die Patres tragen die vollständige geistliche Kleidung. Wir sollen nie in einem anderen Aufzug erscheinen, es sei denn in Ländern, wo dies nicht möglich ist wie am Kap oder in protestantischen Ländern. Dazu bedarf es aber der Erlaubnis des Generaloberen. In unserer Kleidung sollen wir recht einheitlich sein und gern nach dem richten, was angeordnet wurde, oder noch angeordnet wird, damit nach Möglichkeit der Willkür nicht Tür und Tor geöffnet wird. Über diesen Punkt bleiben noch einige Fragen zu klären, auf die ich ein andermal eingehen will. Halten wir uns jedenfalls so viel als möglich an die Einheitlichkeit im Äußeren. Wenn das ein Opfer mit sich bringt, wollen wir es großmütig bringen. Wären wir Kapuziner, hätten wir in Punkto Kleidung sicher noch ganz andere Opfer zu bringen.

In der Überbekleidung (?) gibt es bei uns also keine Unterschiede. Sollte einer wegen seines Alters, wegen Kränklichkeit oder aus besonderen Gründen wärmere Unterkleidung brauchen, so bliebe er sicher im Rahmen der hl. Regel, wenn er darum bäte. Für die äußere Kleidung liegt der Fall anders. Man isst für sich, sagt ein englisches Sprichwort, aber man kleidet sich für die anderen. Bewahren wir hierin also jede Gleichförmigkeit und Regeltreue, die dem Nächsten so sehr zur Erbauung dient.

Die Laienbrüder tragen während ihrer Arbeit die gewöhnliche Kleidung. Am Sonntag aber und wenn sie ausgehen müssen, tragen sie den Gehrock und den schwarzen Hut. Diese Kleidungsstücke müssen durchaus nicht nach der neuesten Mode geschneidert sein, sollen aber auch nicht durch sonderbare Form auffallen, sondern in etwa dem gleichen, was gewöhnlich und überall getragen wird.

Unsere Kleidung sollen wir recht pflegen und schonen, wie eben Armen es zu tun pflegen, damit es zu tun pflegen, damit sie so lange wie möglich halten. Zum Schluss wiederhole ich, was ich schon oft gesagt habe: Das Reich Gottes ist in euch. Nicht durch äußere Mittel werden wir Dauerhaftes schaffen, sondern durch die Reinheit unserer Gesinnung, die Treue zu unseren Pflichten und zu unserem Direktorium. Nicht durch viel Lärm und laute Betriebsamkeit bringen wir Früchte. Nicht durch „Kriegsgerüchte“ wie der Heiland einmal sagt, und eitlen Schlachtenlärm erringen wir Siege. Stark und siegreiche werden wir nur dann sein, wenn wir mit unserem Herrn verbunden bleiben durch die Treue zu seiner Gnade: Das Reich Gottes ist in Euch.

D.s.b.