Kapitel vom 16.11.1887: Die Vereinigung mit Gott. Die Armut. Das Gebet.
Dritter Wunsch, ähnlich dem Wunsch des hl. Apostels Paulus an die Philipper: „Meine lieben Brüder, meine teuren und viel geliebten Söhne… so steht denn fest im Herrn… Habt alle die gleiche Liebe und lebt in aller Eintracht!“ Unser hl. Stifter drückt hier den Wunsch aus, dass wir alle von Gott ab, und jeder Wille und Wunsch unserer Seele nähere uns Gott, damit wir nur in Verbindung mit ihm handeln. Dazu hat er uns berufen und darum dieser feierliche Wunsch. Hier liegt unser Fundament und Mittelpunkt. Aus dieser Quelle schöpfen wir die Kraft zu handeln, hier empfangen wir unsere Bewegung, sonst nirgendwo. Betrachtet die Bewegungen der Gestirne, wie geordnet alles abläuft, alles vom selben Punkt ausgeht und in gegenseitiger Harmonie dahinschwebt: Keines tanzt aus der Reihe oder fliegt den anderen entgegen. Würde sich eine dieser Massen außerhalb der allgemeinen Richtung bewegen, käme es zur Katastrophe. Auch für uns ist diese Lehre kein bloßer Rat oder Gesichtspunkt. Es ist vielmehr unsere ureigenste Angelegenheit, unsere naturnotwendige Bewegung. „Söhne himmlischer Unterredungen“ unsere Unterredung sei „in coelis“ (Anm.: „im Himmel“). Unser Denken, Wünschen und Überlegen. Alles, was uns durch die Seele geht, sei himmlisch.
Man muss, sagt der hl. Ephräm, immer an etwas Gutes denken und nie an etwas Böses oder Unnützes. Unser Geist ist ja immer in Tätigkeit. Es ist darum nicht leicht, ihn beim ersten Anlauf schon „in coelis“ (Anm.: „ins Himmlische“), zu versetzen. Die treue Übung des Direktoriums allein führt dahin. Und ist man dorthin durch die gewohnheitsmäßige Übung des Direktoriums gelangt, dann ist man in Wahrheit Werkzeug Gottes, sein Apostel und Freund geworden. Das Zwiegespräch mit Gott kennt dann kein Ende mehr und alles, was man tut, wird zu einer heiligen Sache: die täglichen Pflichten, die Handarbeit. Sie sind heiliger, als würde man in diesem Augenblick seine Betrachtung machen, weil die Seele genau das tut, was Gott von ihr erwartet. Alle unsere Handlungen werden dann zur himmlischen Unterredung, in Vereinigung mit Gott geführt, mit unserem Herzen und unserer Liebe vorgenommen. Dann leben wir in voller Übereinstimmung mit Gott und er lebt mit uns. Er hilft uns bei unseren Arbeiten und unseren Pflichten. Je stärker unsere Liebe, desto vollkommener unser Einklang mit ihm.
„Seid einig untereinander gemäß eurer gemeinsamen Berufung in Jesus Christus.“ Die Ordensleute sind die Familie unseres Herrn, seine Armee, seine Ausstrahlung. „… und seiner Mutter, unserer lieben Frau. Amen.“ Unsere liebe Frau ist bei Jesus Christus und hat damit Anspruch auf alle Verehrung und unsere ganze Andacht.
Diese wenigen Zeilen beweisen uns, dass unser Leben keinen anderen Mittelpunkt und keine andere Bewegung haben darf als die Vereinigung mit Gott, die sich durch die äußeren Akte unseres Lebens verwirklicht, und das infolge der inneren Einheit unseres Willens und unserer Liebe mit dem Willen Gottes. Der Gebrauch materieller Dinge ist für uns, wenn wir in Verbindung zur hl. Regel stehen, ein Liebesakt, der uns den Himmel einbringt, zwar nicht auf Grund unseres eigenen Verdienstes, sondern auf Grund des Verdienstes, das unser Herr damit verbindet. Aus dieser Gottvereinigung erwächst zwangsläufig die Einheit unter uns. Da die Liebe alles beherrscht, begegnen sich alle in Frieden und Liebe.
Neulich sprach ich vom Gelübde der Armut. Ich möchte dazu noch ein paar Bemerkungen machen. Ich bitte alle, auf den Verbrauch des Gases zu achten. Hat z.B. einer am Abend vergessen, das Gaslicht, das er zu regeln hat, herabzusetzen oder auszulöschen, soll ein anderer der es bemerkt, dies tun. Ich beauftrage jeden, in seinem Amt darauf zu achten, dass das Gas nicht unnötig brennte, sei es in den Gängen oder im Hof oder in den Schlafsälen etc.
Ihr kennt die Entscheidung, die wir im Kapitel bezüglich der Messintentionen getroffen haben. Man denke daran! Ich wiederhole: Was ich gesagt habe, dass die Patres, die die Erlaubnis hatten, diese Summe ganz oder teilweise zu gebrauchen, sich mit mir ins Benehmen setzen. Man wird ihnen so diskret wie möglich einen anderweitigen Ersatz einräumen. Die Messstipendien sind nämlich ausschließlich zum Löschen der Schuld des Novizitatshauses bestimmt. Ich habe diese Entscheidung vor allem wegen des Armutsgelübdes getroffen, das wir bedingungslos und ohne Einschränkung üben sollen. Die vernachlässigen würde uns jeder Art von Katastrophe aussetzen. Gott besteht ungemein auf der Beobachtung dieses Gelübdes und belohnt seine treue Übung. Andererseits habe ich sehr viele Beispiele kennengelernt, Schwierigkeiten und zahllose Unmöglichkeiten, vor allem die Unmöglichkeit, den klösterlichen Geist zu bewahren, wenn man außerhalb dieses Geistes leben wollte.
Rom und die Kongregation der Bischöfe und Religiosen willen das Armutsgelübde strikte beobachtet wissen. In den „Analekta“ finden sich starke Stücke, die die Intentionen des hl. Vaters diesbezüglich beweisen. Wir bringen somit sehr notwendige Opfer. Denen ich einmal das Versprechen gegeben habe, können beruhigt sein. Aber das Geld wird erst dann zur Verfügung stehen, wenn es gebraucht wird, damit niemand Geld bei sich habe. Das wäre gegen den Geist der hl. Regel, und gegen ihren Buchstaben, dass da jedermann Geld verwahrt, der Küster, etc. Der Ökonom allein ist Treuhänder und Verwahrer von Geld. Was der einzelne empfängt, muss er der Gemeinschaft übergeben, sagt die hl. Regel, und so, wie ich die Erlaubnis erteile. Hier geht es um ein Gelübde der Klostergemeinde, das die Gemeinschaft erhält. Zeitliches und geistliches Wohlergehen sind der Lohn dieser Observanz. Jede Art von Heimsuchungen treffen aber die Häuser, wo man sich über diese Gelübde hinwegsetzt. Diese Häuser werden zu Schmerzenshäuser.
Ich empfehle den jungen Professen, die klösterlichen Übungen nicht zu vernachlässigen, vor allem die Morgenbetrachtung. Tragen wir großmütig das Joch unseres Herrn. Je mehr wir in Abhängigkeit leben, umso mehr innere Freiheit werden wir genießen, umso stärker sind wir mit Gott verbunden. Man beobachte treu das Stillschweigen außerhalb der Freizeiten. Sagt ein kurzes Wort, wenn es notwendig ist, aber macht daraus keine Freizeit. In jeder Klostergemeinde verpflichtet das Stillschweigen in der Kapelle, im Speisesaal und im Tagessaal stärker als anderswo und darf ohne zwingende Gründe nicht gebrochen werden. Das ist ein heiliges Gebot, ohne das in einer Klostergemeinde kein klösterlicher Geist beistehen kann.
