Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 09.11.1887: Die Vereinigung mit Gott.

Unabhängig von dem Vertrag, der das Leben des Ordensmannes mit Gott verbindet, und der allen Orden gemeinsam ist, gibt es noch gewisse Sonderarten von Liebe und Zuneigung, gewisse Mittel, zu Gott zu gehen, die jedem Orden im Besonderen eigen sind. Unsere Lebensart ist bestimmt allen anderen vorzuziehen in dem Sinn, dass sie zu einer Vereinigung mit Gott führt. Wir beginnen da, wo andere aufhören. Wir betreten im ersten Augenblick bereits den Weg der Vollkommenheit. Dieser Weg muss infolge dessen dem Herzen des Erlösers besonders teuer sein, er, der gekommen ist, auf der Erde das Feuer der göttlichen Liebe zu entfachen.

„Wer, o Gott, wird mir so viel Gnade erwirken, dass der Allmächtige auf mein Flehen hört und selbst dieses Buch schreibt?“ Unser hl. Stifter sieht sich Seelen gegenüber, die auf diesem angezeigten Weg voranschreiten wollen. Seine Freude und Bewunderung drücken sich in so starken, rührenden und innigen Ausdrücken aus, dass er sie durch einen bemerkenswerten Wunsch zum Ausdruck bringt. Wir erfüllen damit auch den Wunsch des Heilands selber, für den es eine unsagbare Freude bedeutet, eine Freude, die in unsere Herzen zurückstrahlt. Ich erhalte viele Briefe von Priestern und Weltleuten, die bezeugen, dass der Geist und die Gnade der Guten Mutter ihr Herz anspricht und sie sieghaft zu Gott führt. Alles, was Gott ihr ins Herz gelegt hat, findet jetzt Leben und Anwendung. Man folgt somit gewiss nicht seiner Phantasie, wenn man sich auf diesen Weg einlässt, sondern einer starken Realität. Ein allerhöchster Akt von Gottesliebe ergreift hier die Seele und führt sie ein in die geheimsten Kammern des göttlichen Herzens.

Das Geschenk dieser Berufung ist etwas Großartiges. Ihr darf man nicht nur mit halbem Herzen und aufs Geratewohl entsprechen. Hier geht es um etwas ganz Tiefes, dass uns aufs Innigste mit Gott vereint, und zwar durch ein einfaches Mittel, das aber größte Wirkung gewinnt, wenn wir es treu gebrauchen. Bleiben wir bei all unserem Tun und Lassen in Abhängigkeit und Unterwerfung unter Gott, und zwar durch einen einfachen, vertrauensvollen, großmütigen und beharrlichen Blick. Wer guten Willen hat, wird dies einsehen und es wohlwollend verwirklichen.
Ich wiederhole: unser hl. Stifter erkennt, wie groß und speziell diese Berufung ist. Dass sie dermaßen der Liebe des göttlichen Herzens entquillt, dass ein (d.h. Franzens) Herz davon gerührt wir und er einen Hymnus der Freude und Seligkeit anstimmt. Hier handelt es sich also nicht um Phrasen, es ist vielmehr unsere Grundlage, unser Geist, es ist für uns alles. Hört, was die Gute Mutter darüber sagt: „Wie schön wird das einmal sein! Wie gern hätte ich das noch erlebt! Doch was ich noch lieber habe, ist das göttliche Wohlgefallen!“ Und sie täuschte sich nicht. So eine Berufung ist wirklich etwas Wunderschönes!

Und das ist Sinn und Inhalt unserer Gründung. Gehen wir darum bereitwillig darauf ein, es ist unser Lebensinhalt, unser Mittelpunkt. „Euer Leben wird sich erfüllen“, sagt der Apostel. Die Aktion Gottes wird in uns spürbar werden und uns Einsicht und Licht vermitteln. Ich möchte noch deutlicher werden: Die Gnade unserer Berufung, die der hl. Stifter hier besingt, ist unaussprechlich und unvergleichlich. Das Mittel, dahin zu gelangen, ist die Treue zu diesem kleinen Büchlein, das euch nun wieder erklärt wird. Der Wunsch, der dieses Kapitel abschließt, ist rührend: „Lass die auf diesen vergänglichen Blättern verzeichneten Namen auf immer eingeschrieben sein im Buch des Lebens.“ Mögen sie immer ganz nah bei Gott verharren in seiner Gnade. Mögen sie mit allem Eifer ihrer Seele vorangehen, möge keiner von all denen, die Gott verbunden hat, sich trennen, weil er etwa seiner Berufung nicht entsprochen hat.

Und ich füge hinzu, dass, je mehr die Zeit vergeht, umso klarer die absolute Wahrheit von dem aufleuchtet, was die Gute Mutter uns da versprochen hat und was denen zuteilwird, die sich vorbehaltlos hingeben.

Die Gute Mutter bat, man möge Eltern und Verwandte im Fegefeuer nicht vergessen, sondern ihnen zu Hilfe kommen, denn auch sie helfen uns. Sie helfen uns auch in diesem Anliegen, dass wir auf dem gezeigten Weg treu verharren. Sie helfen uns, mit allen Schwierigkeiten fertig zu werden.

Ich empfehle eurem Gebet mehrere Bitten um Heilung und um Bekehrung, die ich hier nicht im Einzelnen aufführen kann. Ich hätte gern, wenn jeder von euch einige Mementos und hl. Kommunionen in dieser Intention aufopfern würde, damit man nicht umsonst an unsere Gebetshilfe appelliert.

Ich darf hier im Kapitel noch eine Bemerkung über das Gelübde der Armut machen: Die hl. Armut sollte streng beobachtet werden, damit keine Katastrophen über uns kommen. Ordensgemeinden, die sie vernachlässigen, gehen entweder zugrunde, oder, wenn sie noch bestehen, erleiden schwere Schicksalsschläge. Auch wir müssen die Armut strenger und genauer beobachten. Niemand darf frei über Messintentionen oder Messstipendien oder Geschenke verfügen. Ich annulliere jede erteilte Erlaubnis. Jeder möge alles, was er hat oder erhält, nach der Strenge der hl. Regel abliefern, und er behalte nichts für irgendeinen Zweck. Es geht hier um eine ernste Sache. Es ist meine Pflicht, die Armut beachten zu lassen, und ich bin vor dem Gericht Gottes dafür verantwortlich. Mein Gewissen erlaubt es mir in keiner Weise, die Dinge so weiter zu dulden, wie sie z.Zt. bestehen. Wir brauchen die Messintentionen sowie die jedem gemachten Geschenk zur Bezahlung des Hauses, das wir soeben zu unserem Noviziat gemacht haben. Das ist ein Anliegen des ganzen Ordens, darum muss die ganze Kongregation dazu beitragen. Ohne das könnten wir das Haus nicht abzahlen.

Ich nehme die Erlaubnis zurück, die ich bis heute für den Gebrauch der Messstipendien gewährt habe oder für das, was man sonst von da und dort erwerben kann. Braucht einer Geld, sei es zur Unterstützung seiner Eltern, sei es für etwas anderes, so werde ich nichts zurücknehmen von dem einmal Gewährten, aber das jetzt erworbene Geld wird anderweitig verwendet werden. Denn die Messstipendien werden ausschließlich zur Tilgung der genannten Schuld gebraucht.

Sucht in angemessenen Grenzen die Güter der Kongregation fruchtbar zu machen und ihre Hilfsquellen auszudehnen. Das mache ich allen zur Pflicht.

Ich selbst arbeite Tag und Nacht. Ich schlafe nur drei oder vier Stunden. Helft mir darum! Und all unser Mühen diene zum Nutzen der Klostergemeinde.