Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 19.08.1887: Die äußere Vorbereitung auf die Exerzitien.

Wir wollen heute mehr von äußeren Dingen sprechen, gestern unterhielten wir uns lange über innere Dinge.

Ich bin euer Oberer und Meister. Darum möge jeder meinen Worten folgen. Ich muss doch die leitende Hand über alles ausüben, über die Studien und unsere Kollegien. Ich will darum ein Studienprogramm vorlegen, an das ihr euch auf Grund eures Gehorsamsgelübdes halten wollt. Jeder hat freilich seine eigene Meinung. Darum will ich P. Rolland beauftragen, euren Unterricht und eure Aufsichten zu überwachen. Er wird Untersuchungen anstellen und sich über alles Rechenschaft ablegen. Ich kann nicht zulassen, dass wir hier anderen Häusern unterlegen sind. „Die Schüler sind nicht fleißig.“ Ja, aber was tut man denn in den Häusern mit fleißigen Schülern, um sie fleißig zu machen? Meine einheitlichen Studienvorschriften können gewiss einige Variationen aufweisen, je nach der Örtlichkeit. Darauf wird Rücksicht genommen. Jeder Lehrer aber eines jeden Kollegs möge sich an das halten, was angeordnet worden ist. Das ist beschlossen. Jeder weiß es und jeder tue es. Alle Menschen haben vielleicht nicht dieselbe Meinung, aber alle sollten denselben Willen haben. Unser hl. Stifter verbietet, dass man seine Meinung äußert, wenn sie dem Gehorsam zuwiderläuft.

Unsere Sendung ist es nicht, Kollegien zu unterhalten, sondern Seelen zu retten. Alle unsere Werke verfolgen nur diesen einen Zweck. Das ist das Ziel, das wir all unseren Unternehmungen haben. Und wir erreichen niemals dieses Ziel, wenn wir nicht Söhne des Gehorsams sind. Dann wird unser Unterricht unfruchtbar bleiben und Gott gibt uns nicht seinen Segen.

Jetzt gleich und während der Exerzitien versammeln wir die Direktoren unserer Kollegien und legen die Mittel fest, die uns zu unserem Ziel führen. Das Ergebnis wird jedem schriftlich zugestellt, damit man sich daran halten kann.

Es liegt mir alles daran, unseren Unterricht in meinen eigenen Händen zu behalten, und ich will nicht, dass der einzelne Lehrer urteilt, was er tun und lassen wird.

Die Unterrichtsordnung (Lehrplan) bleibt unangreifbar. Was die Wettbewerbe zwischen unseren einzelnen Kollegien betrifft, lasse ich nicht zu, dass einer aus der Reihe tanze. Die Klassenarbeiten, die gegeben werden, zählen für die Preisverteilung. Es sollen wenigstens vier sein. Alle Schüler haben daran teilzunehmen. Prüfungen sollen jeden Monat stattfinden, und zwar in allem Ernst.

Ich möchte niemand verletzen, aber ich muss darauf bestehen, dass diese Übereinstimmung wichtig ist und nur so Erfolg zu erwarten sind. In St. Bernhard gibt es keine so tüchtigen Professoren wie anderswo, und doch bekommen die Schüler bessere Noten. Kommt das daher, dass sie fleißiger arbeiten als in unseren andern Häusern? Wir brauchen darüber nicht lange nachzugrübeln. Wenn die Schüler von Macon weniger tun, werden wir bei ihnen andere Qualitäten entdecken, die diesen Mangel aufwiegen. Das liegt am Studienprogramm, am guten Einvernehmen der Professoren. Was ist die Folge, wenn dieses Einvernehmen fehlt? Jeder bringt sich um vor Anstrengung, geht bis zum Ende seiner Kraft, ruiniert sich und erreicht doch besseres Ergebnis. Ich versichere euch vor Gott: wenn ihr das tut, was ich euch da vorschreibe, habt ihr einen besonderen Segen Gottes. Tut ihr es nicht, löst sich alles auf und ihr habt keine Grundlage mehr für eure Arbeit. Einer reibt sich am anderen, man verletzt sich gegenseitig und richtet Unheil an.

Nehmt die Studienordnung also an, die euch übergeben wird, das Programm, wie ihr dies und jenes vornehmen sollt. Nehmt es an als Ordensleute.

Unser großes Übel besteht darin: wir erledigen die Dinge nicht im rechten religiösen Geist, verharren nicht in einer beständigen und bedingungslosen Abhängigkeit vom Gehorsam. Hat man einmal einen Riss zugelassen, fällt ein nachträgliches Ausbessern schwer. Will man sich wieder in Bewegung setzen, geht es nicht mehr so leicht. Glaubt nicht, ich wollte ein bestimmtes Haus oder einen bestimmten Pater anklagen. Was freilich Macon betrifft, sind die Verhältnisse dort so, dass sie jedermann entmutigen könnten. Es ist wirklich ein Unglück, dass man die Leitung des Kollegs so schwierig gemacht hat. Ich glaube aber, dass dies Kolleg sich wieder auf den rechten Weg einspielen wird. Mit den Menschen, die dort wohnen, kann man gute Arbeit leisten, kann man Vortreffliches zustande bringen, vorausgesetzt, jeder befolgt gewissenhaft die gegebenen Weisungen.

Jeder Anfang hat seine Probleme. Man kann das Werk Gottes nicht ohne Heimsuchungen vollbringen.

Die Gute Mutter hatte mir aufgetragen: Beginnen Sie mit Macon! Und sie hat mich nie etwas Verkehrtes tun lassen.

Pater B. hatte sich vollständig dem Gehorsam entzogen. Ich kann ihn hier ruhig tadeln, da ich ihm verziehen habe… Es besteht kein Zweifel, dass er alles an sich gezogen hat und dass er uns in der Achtung der Eltern und der Kinder ruiniert hat und uns diese schwierige Lage zugezogen hat, unter der das Haus leidet. Er hat es nicht aus Bosheit getan, aber er hat es dennoch verschuldet. Die Lage ist äußerst peinlich. Was ich da sage, ist Angelegenheit der ganzen Kommunität und des Kapitels. Was der Pater B. die ganze Zeit getan hat, zielte auf den Untergang des Kollegs ab. Mit ihm zusammen taugten auch die anderen Ordensleute nichts. Tüchtig waren nur die Laien. Ich lasse mich da in Einzelheiten ein, die der Erwähnung in einem Kapitel nicht würdig scheinen. Aber ich muss euch dennoch ins Bild setzen: es sind Familienangelegenheiten. Helfen wir unseren Patres von Macon durch unsere Gebete, und sie mögen sich aus ganzem Herzen nach dem Gehorsam richten.

Wir sind keine Armee, aber immerhin ein kleines Bataillon. Gesetzt den Fall, in einem Bataillon würde im Angesicht des Feindes ein Feldwebel den Befehl erhalten, mit seinen Leuten einen Posten in 500 Metern Entfernung zu besetzen. Er aber findet es gut, 1.500 Meter vorzugehen. Ein Gefreiter sagt nun: der Feldwebel hat dies zwar befohlen, aber meine Männer haben gesunde Beine, ich gehe bis 2.000 Meter vor. Was wäre das Ergebnis? Wir sind eine in Bataillone eingeteilte Armee. Das ist der Vorteil des Ordensmannes: er macht nie Dummheiten, wenn er gehorcht. Seine Ehre bleibt intakt. Um den Erfolg kümmert er sich nicht. Wenn er die materielle Arbeit, die ihm übertragene Arbeit tut, ist er sicher, dass die Hand Gottes ihn segnet. Der Ordensmann ist der Mann des Übernatürlichen. Es gibt nur zwei Dinge zu tun, wie ich bereits gesagt habe: 1. Dem Willen Gottes sich hingeben, und 2. Gehorchen. Auch wenn wir große Fähigkeiten besäßen, würden sie aber außerhalb dieses Weges einsetzen, es würde uns nicht nützen. Ich nehme an, dass ihr mir alle gern versprecht, auf diesen Weg einzugehen.

Wir wollen eine Regel aufstellen: Jedes Trimester wird der Studienpräfekt oder der Direktor des Hauses mir die Noten der Lehrer schicken. Ich bin sicher, dass ihr darauf eingeht, denn diese Regel muss beachtet werden.

Ich beauftrage den P. Rolland mit den Ausführungen der Anweisungen, die ich ihm gebe. Er soll sich Rechenschaft ablegen, soll die einzelnen Lehrer aufsuchen und ihre Klassen, so gut er kann, visitieren. Im Unterrichtsministerium existiert eine straffe Organisation aller staatlich geprüften Lehrer. Die Disziplin dort ist nicht so väterlich wie bei uns. Der Inspektor hat bestimmte und wirksame Mittel zur Verfügung, straffällig gewordene Lehrer zur Räson zu bringen.

Dieses Jahr muss ich all unseren Patres bescheinigen, dass ihr Einsatz beständig und energisch war und manchmal ihre Kräfte überschritten hat. Ich muss allerdings auch feststellen, dass diese Arbeit mitunter umsonst war und ins Leere ging. Bei jedem ist freilich der gute Wille und die Hingabe anzuerkennen.

Wir wollen darum bestimmte Regeln ausarbeiten und euch vorlegen. Dann werdet ihr Kräfte sparen und euch nicht überstrapazieren.

Denkt auch an die materiellen Interessen des Hauses, an das, was ihr durch eure Arbeit, durch eure Nachhilfestunden, z.B., dem Haus einbringen könnt, damit es in unseren Häusern nicht bloß Laien sind, die Nachhilfe-Unterricht erteilen. Unsere Geschäfte gehen Gott sei Dank gut. Wir sollten uns aber noch mehr in den Gedanken einleben, dass die Ordensleute selber so viel wie möglich für ihren Orden erwerben sollten und Gott daraus Ruhm erwächst. Was ist Geld? Nichts, wird man antworten. Das ist im religiösen Sinn völlig falsch. Wir dürfen nicht, wie die Gute Mutter sagte, eine der drei göttlichen Dinge unbeschäftigt lassen, sollten uns nicht nur an Jesus Christus allein wenden oder an den Hl. Geist. Wir sollen in Wort und Tat beten: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Hl. Geistes.“ Dem Vater wird die Schöpfung zugeschrieben. Man verherrlicht ihn somit durch das Geschaffene, das Materielle, indem wir die stofflichen Dinge gebrauchen und für Gott tun, was die Weltmenschen für sich selber und zu ihrer eigenen Ehre tun. Darin liegt Vollkommenheit.

Hat die Kommunität Geld, dann kaufen wir dafür keinen Talar und keine Speise zusätzlich für uns. Die Ordensgemeinde tut vielmehr zusätzliche Werke der Nächstenliebe, und eure Arbeit und eure Sparsamkeit wenden sich dann noch unmittelbarer an Gott.

Man kann und soll durch materielle Dinge Gott loben, sowie Jesus seinen Lebensunterhalt durch seiner Hände Arbeit erworben hat. Das verdiente Geld ist eine heilige und göttliche Sache. Es muss uns ganz wesentlich am Herzen liegen, muss uns eine Gewissensache sein, dass wir uns um die materiellen Interessen der Klostergemeinde kümmern. Tun wir, was wir können, um einzusparen und um zu verdienen. Ich habe noch nie eine Familie gesehen, ohne dass von Seiten der Eltern eine gewisse Strenge und von Seiten der Kinder ein gewisser Opfergeist geherrscht hätte. Je mehr ihr der Klostergemeinde gebt und für sie Opfer bringt, umso mehr liebt ihr sie. Je mehr sie euch schenkt und Opfer für euch bringt, umso mehr verabscheut ihr sie. Der Mensch ist leider so veranlagt.

Ich würde es sehr begrüßen, wenn ihr euch gegenseitig nach dem Maß eurer Kräfte und ohne allen Egoismus helfen würdet. Keiner soll sagen: „Das aber geht mich nun gar nichts an!“ Der Disziplinpräfekt oder Oberer bittet euch z.B. um einen Dienst. Man hat sonst niemand zur Hand. Stellt euch freudigen Herzens zur Verfügung! Wo bliebe die Liebe, würde man anders handeln? Wo bliebe der Opfermut? Wir wollen uns während der Exerzitien das wieder angewöhnen, damit wir nachher wieder auf der Höhe der Forderungen des Gehorsams und der Liebe stehen. Ich empfehle euren Gebeten die hl. Exerzitien, damit sie den Erfolg bringen, den wir von ihnen erwarten. Wir haben Liebe zueinander. Dennoch müssen wir sehr Acht geben: immer, wenn es nach irgendeiner Seite ein Gefälle gibt, ist es nie nach der Seite des Guten.

Im „Leben der Guten Mutter“ (Anm. d. Red.: „P. Brisson ist davon der Autor.“) wäre noch eine Menge von Dingen und Tatsachen zu zitieren gewesen, die ich nicht niedergeschrieben habe und die beweisen, dass ihre Lehre von Gott gestützt war. Täglich gibt er uns neue Beweise dafür. Das muss unser Lebenselement bilden.