Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 16.03.1887: Unsere Kranken.

„Mit besonderer Sorgfalt wird man in der Genossenschaft der Kranken annehmen und sie liebevoll behandeln.“
Diese Weisung gereicht unseren Kranken zu großem Trost. Denn können wir nicht mehr schaffen und uns nützlich machen, dann arbeiten wir allein durch die Tatsache, dass wir leiden und krank sind und ziehen eine Menge Segen und Gnaden Gottes auf das Institut herab.
Auf den ersten Blick scheinen diese Worte der hl. Regel nichts Besonderes zu bedeuten. Schöne Worte zweifellos. Aber das ist nicht bloß eine Ermunterung und ein Trost, sondern ein Lehre, eine Realität, die die hl. Kirche geheiligt hat, ein ausgesprochener Wille Gottes.

Bei den meisten Orden enthält die Ordensregel kein eigenes Kapitel für die Kranken. Daraus folgt, dass man in vielen aktiven Orden eine schmerzliche Feststellung treffen kann: Sämtliche Patres und Brüder, die nicht mehr arbeiten können, besonders in Frauenklöstern, befinden sich auf der Krankenstation, und das ist traurig und unheilvoll. Denn man sagt sich dort: „Ich leiste nichts mehr, bin zu nichts mehr fähig. Es belastet mich, anderen zur Last zu fallen. Dabei bin ich ja eigentlich nicht krank…“ Solche Gedanken der Mutlosigkeit verbittern ungemein das Nahen des letzten Lebensabschnittes.

Wir hingegen leisten, wenn wir krank sind, Wirksameres als die anderen, die in den Ämtern stehen, die ihre Aktivität und Intelligenz herausfordern. Die Gute Mutter sagte: „In manchen Klostergemeinden sind die letzten Jahre traurig. Gewiss belohnt Gott dieses neue Leiden, die Traurigkeit, dennoch ist dieser Zustand hart und gefährlich: eine schwere Versuchung, wenn man nicht den festen Glauben hat, dass der Kranke sich und den anderen noch sehr nützlich ist.“ Wir kennen somit den Segen, den wir als Kranke der Genossenschaft zuziehen können. Diese Wahrheit heißt es in ihrer ganzen Tragweite gut begreifen, denn es ist auch die Lehre der Kirche. Jedermann sagt: „Ja, wenn ich richtig leiden würde! Aber ich leide ja nicht… darum sind meine ‚Leiden‘ vergeblich.“ In der Lossprechungsformel der Beichte heißt es nicht: „Alles, was du gelitten hast…“, sondern: „Quidquid bene feceris ver male sustinueris sit tibi in remissionem peccatorum…“ (Anm.: „Was immer du gut getan oder schlecht ertragen hast, das gereiche dir zur Vergebung der Sünden.“). Denn alles, was wir gut gelitten haben, ist zweifellos verdienstvoller. Aber auch das, was wir schlecht ertragen haben, hat sein Verdienst. Diese Lehre der Kirche über den inneren Wert des Leidens müssen wir uns zu Eigen machen. Unsere hl. Regel ist die vollständige Anwendung dieser Wahrheit.

„Die Krankenwärter sollen ihr Amt mit opferbereiter Liebe ausüben.“ Pflicht des Krankenpflegers ist es, den Kranken die Leiden zu erleichtern durch gutes Verhalten, durch Worte der Liebe und passenden Trost. Um den Krankendienst gut zu versehen, müssen wir zu unserem Herrn gehen und uns vorstellen, dass er es ist, den wir im Kranken pflegen. Darum sollen wir für diesen kranken Mitbruder, wie unser hl. Stifter sagt, die Augen, die Hände und das Herz haben, die wir für unseren Herrn selber haben würden.

„In der Pflege der Kranken müssen sie sich nach dem Gehorsam und den Anordnungen des Arztes richten.“ Die Krankenpfleger können die Kranken nicht nach ihrer Phantasie behandeln, sie müssen sich schon nach dem Arzt und Oberen richten, dann haben ihre Bemühungen den Segen Gottes. Sollte man sie um ihre Meinung fragen, äußern sie diese in aller Einfachheit und Vertrauen.

„Sie mögen es nicht unterlassen, für ihre Kranken zu beten.“
Diesbezüglich hat ja auch unser Herr seinen Aposteln, als er sie aussandte, den Auftrag gegeben: „Curate infirmos.“ (Anm.: „Heilt die Kranken.“). Die Priester, die die Sendung der Apostel haben und ihr Werk fortsetzen, erhalten in der Priesterweihe die Vollmacht, die Sünden nachzulassen, während ihre Macht zu heilen gewiss weniger wirksam und unfehlbar ist. Der Krankenwärter, der auf seine Ordensregel vertraut und auf das Wort des Herrn, wird seinen Kranken wirksame Dienste erweisen, die immer mit einem geistlichen Nutzen verknüpft sind. Der Priester soll sich nicht zum Arzt aufwerfen, das entspräche nicht dem Geist der Kirche. Zweifellos aber wirkt der Priester auf den Kranken ein. Unseren Herrn sollte man immer beim Wort nehmen. „Um die Hl. Schrift gut zu verstehen, muss man dazu Sie und Ihre Erklärung studieren?“ fragte man den gelehrten Bischof Bossuet. „Nein“, gab er zur Antwort, „es genügt, die Hl. Schrift selbst zu lesen und immer wieder zu lesen. Der beste Kommentar ist es, sich damit tief zu durchdringen und daran mit ganzem Herzen zu glauben.“
Krankenbesuch ist ein schönes Seelsorgeamt des Priesters, der auf diese Weise seine Vollmacht über Leib und Seele ausübt. Solche Besuche sollte man mit tiefem Glauben, Ehrfurcht vor Gott und Vertrauen in seine Verheißungen vornehmen.

„Die Kranken mögen deshalb ruhig und gelassen die Leiden und das Siechtum der Krankheit annehmen.“ Ich verabscheue die These, der Arzt bedeute alles. Gewiss soll man tun, was er sagt, über allem aber sollen wir unser Vertrauen in Gott setzen. Die menschliche Wissenschaft ist es nicht, die Wirksamkeit ausübt, die Kraft Gottes tut dies. Halten wir uns eng an unsere hl. Regel, und in unserer Seelenführung, besonders bei Frauen, die in Gemeinschaft leben, legen wir Gewicht auf die Feststellung, dass Gott zur Zeit einer Krankheit die Hand im Spiele hat und der Arzt nicht das A und O ist. Hat der Arzt wirklich eine glückliche Hand, kommt ihm das nicht von Gott? Der feine Unterschied ist etwas schwierig zu erfassen, und noch schwieriger zu realisieren, ich weiß es. Ich bitte Gott, er möge euch die Einsicht dafür schenken. Gott muss der erste bleiben, er ist alles!

„In der Todesstunde soll ein Priester dem Kranken nach den Vorschriften des Römischen Rituale beistehen.“ Das Rituale will nicht, dass man sie nicht in den Satzungen, er schien überflüssig. Der Hl. Stuhl urteilte anders und fügte ihn bei.

„Um Missbräuchen vorzubeugen, sollen die Oblaten, die sich krank fühlen, den Oberen… verständigen.“ Man soll nicht, weder für sich noch für andere, sich in medizinische Theorien, Rezepte und andere Geschichten einlassen, die zu einem großen Gegenstand von Zerstreuungen und Sorgen werden können. Wir wollen alles dem Gehorsam anvertrauen, dann wird alles zu einem Erfolg gelangen.