Kapitel vom 09.03.1887: Die Verhaltensweise Fremden gegenüber.
„Unsere Arbeit in der Seelsorge nötigt uns, mit der Außenwelt zu verkehren.“
Unser Leib, unser Äußeres muss gewiss überall dasselbe bleiben. Wir sind ja keine Schauspieler, die ihre Masken auswechseln, um andere Personen darzustellen. Dennoch sollen wir respektvoller gegen unsere Vorgesetzten sein, zwangloser mit unseren Untergebenen umgehen, ohne dass wir uns durchsetzen und sie demütigen wollen. Meiden wir freilich, jemanden durch allzu große Ungezwungenheit Ärgernis zu geben. Richten wir unser Verhalten nach den Umständen und bleiben wir immer einfach, eine Sache von ein den bisschen gesundem Urteil. Es ist ebenso verboten, jemand auf diese Weisen zu verletzen als geschähe es durch Beleidigungen. Wohnen wir einer Beerdigung bei, können wir keine lustigen Reden halten. Befinden wir uns dagegen in fröhlicher Runde, würden wir durch eine traurige und ernste Miene abstoßen. Wenn nur nichts die guten religiösen Sitten verletzt, wollen wir uns im Übrigen so wie die anderen verhalten: unser hl. Stifter spielte aus Nächstenliebe Karten.
Werfen wir uns nie als Herren auf, besonders nicht, indem wir den Nächsten tadeln. Was in einem Kolleg, wo wir die gute Ordnung zu verteidigen haben, eine Pflicht wäre, passt nicht außerhalb dieses Bereiches. Werden wir allen alles, um alle für Christus zu gewinnen.
„In weltliche Dinge, besonders in Heirats-, Börsen-, Testaments- und politische Angelegenheiten sollen wir uns nicht einlassen.“
Wir dürfen keine Heiratsvermittler spielen wollen. Gewiss kann man einen guten Rat geben, dabei heißt es aber sehr vorsichtig vorgehen. Sagt ihr z.B.: „Schließt die Ehe nicht!“ macht ihr beide unzufrieden. Sagt ihr im Gegenteil: „Schließt diese Heirat!“ wird man euch für die Folgen verantwortlich machen. Wenn ihr unschlüssig seid, sagt lieber, man möge Gott um Rat fragen, und vermeidet um jeden Preis, dass man sagen kann: Der Pater Soundso hat diese Heirat zuwege gebracht. Halten wir uns immer sehr zurück. Gewiss ist es erlaubt und sogar unsere Pflicht, einen gewissen Einfluss auszuüben, doch muss dies mit so viel Klugheit geschehen und mit Gott zusammen, dass wir uns nie Verantwortlichkeiten zuziehen. Ich glaube nicht, jemals Vertraulichkeiten zwischen Ordensleuten und Weltleuten erlebt zu haben, die nicht nach einiger Zeit abgebrochen wurden, und oft unter bedauerlichen Umständen.
„Wichtige Werke darf niemand unternehmen, noch sich verpflichten, sie zu unterstützen, ohne…“ Und das besonders bei Geld- und Zinsangelegenheiten. Da heißt es immer zum Oberen zu gehen.
„Eine Einladung zu einem Fest oder zu einer Veranstaltung darf niemand annehmen, ohne…“ Die hl. Regel möchte erreichen, dass diese Erlaubnis nicht leicht erteilt wird. Mitunter ist es aus einem Motiv der Liebe nötig. Doch immer, wenn man Gefahr läuft, von einem Menschen zu sehr in Beschlag genommen zu werden, kann man ablehnen, mit der Begründung, dass es gegen die Ordensregel verstößt.
„Einen Briefwechsel mit Fremden darf man nur mit Wissen und ausdrücklicher Erlaubnis des Oberen unterhalten.“ Ich sagte es bereits unlängst, solche Korrespondenzen können Gefahren bergen. Da ist ein Pater von uns gegangen. Ich weiß nicht, ob er zurückkommen wird. Wir wollen für ihn beten. Er ist in die Irre gegangen. Woher kommt das? Er hat sich ans Briefeschreiben gemacht und pflegte einen viel zu häufigen Briefwechsel mit Fremden. Die hl. Regel wurde gemacht, dass man sie halte, und ihre Übertretung zieht ernste Konsequenzen nach sich.
„Man vermeide sorgfältig, Fremden mitzuteilen, was im Hause vorgeht.“
Was eine Ordensgemeinde am schnellsten zersetzt und auflöst, ist Fremde auf dem Laufenden halten über die internen Dinge der Gemeinschaft. Das ist ein sicheres Mittel, ihren Untergang herbeizuführen.
Eine Menge von Dingen wird von Weltleuten nicht verstanden. Sie ins Bild setzen über etwas, wozu ihnen das Verständnis fehlt, heißt es sich einer Reihe von Schwierigkeiten und Vorurteilen aussetzen, aus denen man keinen Ausweg mehr findet.
„Was jedoch erbauen, was die Hochschätzung hl. Dinge und die Liebe fördern kann, darf man sagen.“ Ein kleines Wort der Erbauung tut gut. Aber selbst hier es diskret sein und nur im Allgemeinen reden, ohne genauer zu werden.
„Man soll sich bestreben, die Regeln zu befolgen, die der hl. Franz v. Sales für den Verkehr mit Fremden aufgestellt hat.“ Das betrifft seine Lebensregeln von Padua, jenes kleine Meisterwerk an Klugheit und Weisheit, das jeden entzückt, der es studiert, zumal wenn man bedenkt, dass unser hl. Stifter damals erst 19 Jahre alt war. Es sind Grundsätze, mit denen man absolut sicher geht. Ich möchte sie hier nicht erläutern. Ihr findet sie in den Schriften des hl. Stifters.
„Auf Reisen werden die Oblaten immer die sichersten und passendsten Häuser wählen.“ Der Ordensmann, der auf (Volks-)Mission oder anderswohin geht, muss sich mit dem Oberen verständigen, wo er unterwegs bleiben soll. Das ist sehr wichtig, gibt es doch heutzutage so viel Verderbnis und Unmoral, dass man auf Reisen ohne Vorsichtsmaßnahmen nicht auskommt.
