Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 23.02.1887: Die Betreuung unserer Patienten.

Wir stehen in der Fastenzeit. Wegen unseres Unterrichtes und anderer Arbeiten können wir nicht fasten. Jene, die es nicht können, mögen jeden Tag sieben- bis achtmal eine andere Übung treuer Observanz vollbringen.

Halten wir uns während der Fastenzeit ganz mit Gott vereinigt und tun wir zu diesem Zwecke nichts außerhalb des Direktoriums. Wenigstens sieben- bis achtmal am Tag wollen wir daran denken, treuer unser Direktorium zu erfüllen. Die einfachen Gläubigen geben ein Almosen als Ersatz für das Fasten. Für uns, die wir arm sind, bestehe dieses Almosen in einer treueren Beobachtung des Direktoriums. Haben wir es vergessen, so wollen wir doch nicht vergessen, Gott um Verzeihung dafür zu bitten und einen guten Vorsatz fassen. Ich bitte euch darum, dass jeder während der Fastenzeit sich erneuere in dem festen Entschluss, seine „innere Regel“ gut zu halten, die für uns wesentlich ist. Denn durch die äußere Regel unterscheiden wir uns ja nicht viel von den einfachen Priestern.

Die Kranken: „Mit besonderer Sorgfalt wird man sich in der Genossenschaft der Kranken annehmen.“ Ohne jeden Zweifel zieht uns das Kreuz immer den Segen Gottes zu. Kreuze müssen wir, wie die Gute Mutter es tat, umarmen, indem wir „Ja“ sagen zum Willen Gottes und uns ganz dem göttlichen Wollen oder dem göttlichen Zulassen ergeben. Die Gute Mutter sagte auf dem Sterbebett, sie mache uns zu Erben ihrer „Gabe“, die sie von Gott empfangen habe. Davon müssen wir profitieren für das Kreuz, die Art und Weise, es zu tragen, sowie für alles Übrige.

Seht nur, wie Gott im Buch Hiob den Satan fragt: „Hast Du meinen Diener Hiob gesehen, wie treu er ist und mir fest und unerschütterlich anhängt?“ – „Gewiss“, antwortet Satan, „aber was ist das schon? Schlage nur einmal sein Fleisch, dann wirst du sehen, ob er dir nicht flucht.“ Und Hiob wird geschlagen, er aber heiligt sich noch mehr durch sein Leiden. Betrachtet die Leiden unter diesem Gesichtspunkt: sie sind eine sehr schmerzliche Prüfung, aber sie ziehen uns die Segnungen Gottes herab. Das ist für uns ein Glaubenssatz, weil unsere hl. Regel, die vom Hl. Stuhl approbiert ist, uns formell versichert: Die Krankheit, welche auch immer es sei, gereicht uns immer zum Segen.

„Die Krankenwärter sollen ihr Amt mit opferbereiter Liebe ausüben.“
Mögen die Krankenwärter dieses Kapitel gründlich studieren und große Sorge tragen, wie es ihnen ans Herz gelegt wird, durch ihre Mühen und ihre gütigen Worte die Leiden des Kranken zu mildern.

„Das Krankenzimmer sollen sie je nach Jahreszeit mit Grün und Blumen schmücken… In der Pflege der Kranken müssen sie sich nach dem Gehorsam und den Anordnungen des Arztes richten.“ In Krankheiten werden wir immer den Oberen vor dem Arzt um Rat fragen. Krankenwärter und Ordensleute sollen an das Wort des Evangeliums und der Apostelgeschichte glauben: „Ihr sollt den Kranken die Hände auflegen, ‚et bene habebunt‘ (Anm.: ‚sie werden sich wohlfühlen‘), geistlich und körperlich.“

Bei wichtigen Krankheiten muss man sich an den Arzt wenden. Handelt es sich aber nur um kleinere Beschwerden, dann geht mein Wunsch dahin, man möge auf den Arzt verzichten, und nicht jeden Augenblick seinen Händen überlassen. Ich möchte mich deutlicher ausdrücken: Ein Ordensmann ist schwer und ernstlich krank. Da ruft man bei Zeiten den Arzt und befolgt genau seine Weisungen. Gott segnet den Gehorsam gegenüber dem Arzt. Geht immer zum Arzt bei einem schweren Unfall, Lungenentzündung, Typhus oder einer anderen ernsten Erkrankung. Nehmt die verordnete Medizin, auch wenn es euch dünkt, dieses Medikament helfe euch nicht. Und wenn es doch wahr wäre, Gott segne euren Gehorsam. Erlebt aber ein Pater oder ein Bruder einen Zustand der Kraftlosigkeit und Schwäche, soll man dann gewohnheitsmäßig und beständig den Arzt aufsuchen? Der Arzt würde mehr und mehr für ihn alles. Der Gehorsam gegen den Oberen und die ein bestimmtes Amt ausübende Ordensleute existieren bald nicht mehr. Wenn man den Arzt ab und zu sieht, ist es in Ordnung. Der Obere und der Krankenwärter sollten aber immer die Leitung über den Kranken behalten, damit keine ernsten Unannehmlichkeiten entstehen. Ich weiß wohl, dass Männer weniger dazu neigen als Frauen, die Gefahr besteht aber auch bei ihnen.

Bei einer großen Zahl solcher Zustände bringen Weihwasser, Gebet und der Segen des Priesters Erleichterungen und Heilung. Auf das Wort des Herrn können wir nie ein zu großes Vertrauen setzen. Bitten wir unseren Herrn um Hilfe, damit wir mit der Gnade Gottes in aller Demut unseren Weg gehen und seinen Willen erfüllen können. Sehrt im Offizium der hl. Agatha, wie sie durch das Gebet Heilung findet: „Medicinam cornalem numquam exhibuit.“ (Anm.: „Eine irdische Medizin habe ich niemals zugelassen.“). „Sein Blut“, sagt sie von Christus,  „rötet meine Wangen.“ Dieser Ausdruck ist bemerkenswert und drückt gut die Wirkung aus, die unser Herr über unseren Körper ausüben will. Kardinal Bellarmin erklärt in seinem Traktat über die Menschwerdung treffend, was unser Herr für unsere Seele wie für unseren Leib tut: er wurde unser Fleisch, unser Bruder, wir haben etwas von seinem Blut in uns, haben denselben Vater. In seiner Menschwerdung erfolgte eine vollständige, absolute Erneuerung der Menschennatur. An diese Dinge sollen wir glauben und zwar mit einem tiefen Glauben. Wir dürfen nicht bloß an die Wissenschaft, die sichtbaren und materiellen Dinge glauben. Das wäre Materialismus in Gedanken, das verletzt den Glauben und verdirbt ihn.

Es besteht des Weiteren kein Zweifel, dass Krankheiten von Ordensleuten nicht den Krankheiten der Weltmenschen gleich sind. Die den Letzteren empfohlenen Stärkungsmittel müssen nicht auch für uns das Richtige sein. Diese Lehre gründet sich in der Wissenschaft, gründet aber auch in der Erfahrung und der Überzeugung großer Ärzte. Um Ordensleute zu pflegen, muss man sich auf einen anderen Standpunkt versetzen. Der kranke Ordensmann, der sich danach richtet, gewinnt nicht nur seine Gesundheit. Er bleibt auch, was von unschätzbarem Wert ist, in einer viel stärkeren Einheit mit seiner Kommunität.

Ich wünsche, dass diese allgemeinen Grundsätze auch für uns gelten. Immer, wenn man sie vernachlässigt hat, kam die Reue nach. Unsere Kranken mögen ein großes Vertrauen auf den Herrn sowie auf die Kraft des Weihwassers setzen. Wir feiern heute Aschermittwoch. Seht, was die hl. Kirche von der geweihten Asche sagt: „Ad sanitatem animae et corporis.“ (Anm.: „Zur Heiligung der Seele wie des Leibes.“). Asche übt also einen heilsamen Einfluss auf Leib und Seele aus. Und das Weihwasser hat noch eine stärkere Wirkung.

Mögen die Krankenwärter, der Obere, und der Novizenmeister Heilige sein und zum Gebet und zum Gebrauch der Sakramentalien ihre Zuflucht nehmen. Dann wird die Erleuchtung unseres Herrn ihnen zeigen, was getan werden muss, die Gnade wird den Kranken helfen, und sie werden viel weniger vom Arzt abhängen.

In den Zustand körperlicher Schwäche, die sehr peinlich sind, heißt es sich mit Geduld wappnen. Man nimmt die kleinen Mittel, die der Krankenwärter uns gibt, und gibt acht, dass unser Leben sich nicht darin erschöpft, Medikamente zu nehmen, den Arzt zu konsultieren und sich mit ständiger Unruhe zu quälen. Setzt zu diesem Zweck großes Vertrauen auf die hl. Menschheit unseres Herrn sowie auf den Einfluss, den er auf unseren Körper in der gleichen Weise wie auf unsere Seele ausübt.

Wenn ihr krank seid, dann betet viel zur Guten Mutter, bittet sie um Vermittlung der Gnaden und des Geistes, in dessen Kraft sie in ihren Krankheiten zu leiden verstand. Denn alle Fähigkeiten ihrer Seele und ihren ganzen Willen hielt sie da in der innigsten Vereinigung mit dem Erlöser. Sie profitierte von allem, um Gott näher zu kommen, vornehmlich von ihren Krankheiten. Tun wir das gleiche, wenn Gott uns Krankheiten schickt.

Nehmen wir gern all die kleinen Leiden und Unpässlichkeiten der Fastenzeit an. Übt aus Gehorsam die kleinen Praktiken, die ich euch ans Herz gelegt habe. Wenn ihr euch in irgendetwas Zwang antun müsst, sagt „Ja“ zu Gott von ganzem Herzen und scheut euch nicht, jetzt stärkere Verzichte zu leisten als sonst im Jahr.